Leiden und Erhöhung des Knechtes Jahwes

Leiden und Erhöhung des Knechtes Jahwes

(Jesaja LII)

Jahwes Knecht wird triumfieren, hoch sich erheben.

Wie sich viele über ihn entsetzten
so entstellt, nicht mehr menschlich war sein Aussehn,
seine Gestalt nicht mehr die der Menschenkinder –,
so wird er viele Völker erstaunen
und Könige werden vor ihm verstummen;
denn was ihnen nie erzählt ward schauen sie,
was sie nie gehört nehmen sie wahr.

(LIII)

Wer hat geglaubt was wir vernahmen,
und Jahwes Arm wem ward er offenbar?
Er wuchs vor ihm auf wie ein Halm,
wie nicht auch aus dürrem Erdreich;
hatte weder Gestalt noch Schöne,
kein Aussehn das uns gefallen.

Verachtet war er, gemieden von Menschen,
ein Mann der Schmerzen, vertraut mit Krankheit,
wie einer vor dem man das Antlitz verhüllt,
verachtet, von uns für nichts gehalten.

Und trug doch nur unsre Krankheit, lud auf sich unsre Schmerzen;
wir aber wähnten ihn von Gott geschlagen und gemartert,
obwohl verwundet er um unsrer Frevel willen
zerschlagen war ob unsrer Schuld.
Die Strafe lag auf ihm zu unserm Heil,
durch seine Wunden nur sind wir genesen.

Wir alle hatten uns verlaufen wie die Schafe,
ein jeder folgte seinem eignen Weg;
da ließ ihn Jahwe treffen unser aller Schuld.

Geduldig trug er die Mißhandlung, tat seinen Mund nicht auf,
gleichwie ein Lamm das man zur Schlachtbank führt
und wie ein Schaf verstummt vor seinem Scherer.
Bei Frevlern gab man ihm sein Grab, bei Übeltätern seine Stätte[1],
obwohl kein Unrecht er getan, kein Trug in seinem Munde war.

Drum wird er erben unter Großen und mit den Starken Beute teilen[2];
denn er gab sein Leben dem Tode preis und ward zu den Frevlern gerechnet
er der nur der andern Sünde trug und für die Schuldigen eintrat.

Fürchte dich nicht! ich bin mit dir,
schau nicht ängstlich! denn ich bin dein Gott;
ich stärke dich und ich stütze dich mit meiner sieghaften Rechten.

Erklärungen

[1] Der hebräische Text hat „und mit einem Reichen bei seinem Toden“. Während ältere protestantische Theologen (nicht Luther) den „Reichen“ auf Josef von Arimathia deuteten, in dessen Gruft Jesus nach Markus XV 42-46 bestattet wurde, haben neuere durch Änderung von „Reichen“ in „Übertätern, Gottlosen“ und von „Toten“ in „Stätte“ einen Parallelismus der Gedanken in erster und zweiter Vershälfte hergestellt, wie er in der hebräischen Dichtung üblich ist.

[2] Sprichwörtliche Wendung im Sinne von „sich grossen Ansehens erfreuen“.

Israel und Juda. Sage und Geschichte, Weisheit und Hoffnung eines Volkes in Selbstzeugnissen. Hg. u. kommentiert von August Möhle (seit 2017 auch als E-Book)