Brief des Paulus an die Römer

Brief des Paulus an die Römer[1]

(Röm I 1) Paulus
Knecht Jesu Christi, zum Apostel berufen
bestimmt für Gottes frohe Botschaft
(2) die Gott im voraus verheißen hat durch seine Profeten
in den heiligen Schriften
(3) die frohe Botschaft von seinem Sohn
der geboren ward als Dawids Sproß dem Fleische nach
(4) dann aber eingesetzt als mächtiger Gottessohn dem heiligen Geiste nach
durch seine Auferstehung von den Toten
Jesus Christus unserm Herrn
(5) durch den ich Gnade und Apostelamt empfangen habe
dem Glauben Gehorsam zu wirken bei allen Heiden zur Ehre seines Namens
(6) zu denen auch ihr gehört berufen von Jesus Christus
(7) allen Geliebten Gottes zu Rom den berufenen Heiligen:
Gnade sei euch und Heil von Gott unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus!

(8) Zunächst danke ich Gott daß man euren Glauben in der ganzen Welt rühmt (10) und bitte ihn ständig daß es mir endlich vergönnt sein möge euch zu besuchen; (11) denn ich sehne mich euch zu sehen, um euch etwas an geistiger Gnadengabe zu bringen zu eurer Stärkung, (12) besser: um selbst in eurer Mitte Trost zu gewinnen aus unserm gemeinsamen Glauben. (13) Schon oft hab ich mir vorgenommen, bisher vergeblich, euch zu besuchen, um bei euch ebenso wie bei den übrigen Heiden zu wirken. (14) Griechen und Barbaren, Weisen und Unweisen bin ich verpflichtet; (15) daher mein Wunsch, auch euch in Rom die frohe Botschaft zu verkünden. (16) Denn ich schäme mich der Botschaft nicht; ist sie doch eine Gotteskraft zum Heil jedem der an sie glaubt, dem Juden zunächst, aber auch dem Heiden. (18) Bislang offenbarte sich nämlich nur Gottes Zorn vom Himmel her über jede Gottlosigkeit und Ruchlosigkeit der Menschen die ruchlos die Wahrheit niederhalten. (19) Was von Gott erkennbar ist ist ihnen zwar bekannt, Gott selbst hat es ihnen offenbart: (20) sein unsichtbares Walten, seine ewige Macht und Gottheit kann man seit der Schöpfung an seinen Werken erkennen, sodaß sie keine Entschuldigung haben. (21) Aber trotzdem haben sie ihn nicht als Gott geehrt, sondern sind in ihren Gedanken auf Nichtigkeiten verfallen, und ihr unverständiges Herz hat sich verfinstert. (22) Während sie sich für weise hielten, sind sie zu Toren geworden (23) und haben die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes vertauscht mit den Abbildern des vergänglichen Menschen, der Vögel, der Vierfüßler und der Kriechtiere, (25) haben das Geschöpf angebetet statt des Schöpfers. (26) Darum hat Gott sie preisgegeben schimpflichen Lastern: Ihre Frauen haben den natürlichen Verkehr vertauscht mit dem widernatürlichen; (27) desgleichen haben die Männer den natürlichen Verkehr mit den Frauen aufgegeben und treiben Unzucht mit einander. (29) Auch sind sie voll von jeder Ruchlosigkeit Schlechtigkeit Habsucht und Bosheit, von Neid Mord Zank Trug und Arglist, sind Ohrenbläser (30) Verleumder Gotthasser gewalttätig hochmütig prahlerisch, erfinderisch im Bösen, ungehorsam den Eltern, (31) unverständig unbeständig lieblos und ohne Erbarmen. (32) Obwohl sie wissen daß nach Gottes Willen die die solches tun des Todes schuldig sind, tun sie es trotzdem, ja spenden auch den andern Beifall die es tun.

(II 1) Doch bist du ohne Entschuldigung, Mensch, wenndu richtest; denn du tust dasselbe. (3) Bildest du dir ein, du würdest dem Urteil Gottes entgehn? (4) Merkst du nicht daß Gottes Güte dich zur Buße führen will? (5) Du häufst durch deine Verstockung und Unbußfertigkeit Zorn gegen dich auf für den Tag des gerechten Gerichts Gottes, (6) der „jedem nach seinen Werken vergelten wird“, (7) und zwar denen, die unverdrossen das Gute tun und nach Ehre und Unvergänglichkeit streben, mit ewigem Leben, (8) dagegen denen, die der Ungerechtigkeit dienen, mit Zorn und Grimm. (9) Drangsal und Angst über jeden, der Böses tut, den Juden zunächst, aber auch den Heiden! (10) Ehre und Heil dagegen jedem der Gutes tut, dem Juden zunächst, aber auch dem Heiden! (11) denn es gibt kein Ansehen der Person vor Gott. (12) Die ohne Gesetz gesündigt haben, werden auch ohne Gesetz zugrunde gehen, und die mit dem Gesetz gesündigt haben, werden durch das Gesetz verurteilt werden; (13) denn nicht die Hörer des Gesetzes sind vor Gott gerecht, sondern die Täter wird er gerecht sprechen. (17) Wenn nämlich die Heiden, die das Gesetz nicht haben, von Natur die Vorschriften des Gesetzes erfüllen, so sind sie sich eben selbst ein Gesetz (15) und beweisen daß die Vorschriften des Gesetzes ihnen ins Herz geschrieben sind; was auch ihr Gewissen bezeugt und ihre Gedanken die sich unter einander verklagen oder entschuldigen.

(17) Wenn aber du dich stolz einen Juden nennst, auf dein Gesetz dir etwas einbildest, mit deinem Gotte prahlst (18) und seinen Willen kennst, weil du im Gesetz unterwiesen bist, (19) und wenn du dir zutraust ein Führer der Blinden zu sein, ein Licht für die im Finstern, (20) ein Erzieher der Unverständigen, ein Lehrer der Unmündigen, da du im Gesetz die Verkörperung der Erkenntnis und Wahrheit besitzt, – (21) du, der du andre belehrst, lehrst dich selber nicht? der du predigst, man solle nicht stehlen, stiehlst? (22) der du sagst, man dürfe nicht ehebrechen, brichst die Ehe? der du die Götzen verabscheust, beraubst ihre Tempel? (23) der du dich rühmst des Gesetzes, entehrst Gott durch Übertretung des Gesetzes?

(25) Die Beschneidung nutzt nur, wenn du das Gesetz erfüllst. Übertrittst du aber das Gesetz, so ist deine Beschnittenheit zur Unbeschnittenheit geworden. (26) Wird nun nicht umgekehrt, wenn ein Unbeschnittener die Forderungen des Gesetzes erfüllt, seine Unbeschnittenheit als Beschnittenheit gerechnet werden? (27) Dann wird der körperlich Unbeschnittene, der das Gesetz erfüllt, dich verurteilen, der du trotz Buch und Beschneidung das Gesetz übertrittst. (28) Denn nicht wer äußerlich Jude ist ist Jude und nicht die äußerliche Beschneidung am Fleisch ist Beschneidung, (29) sondern nur wer innerlich Jude ist ist Jude und nur Beschneidung des Herzens ist Beschneidung.

(III 1) Welchen Vorzug hat nun noch der Jude, welchen Nutzen die Beschneidung? (2) Einen großen in jeder Hinsicht. Vor allem, weil ihnen die Verheißungen Gottes anvertraut sind. (9) Doch haben wir diesen Vorzug nicht so schlechthin. Denn wie ich schon vorher geklagt habe, stehn Juden und Heiden in gleicher Weise unter der Herrschaft der Sünde; (20) es wird eben durch Werke des Gesetzes kein Mensch vor Gott gerecht, denn durch das Gesetz kommt nur Erkenntnis der Sünde.

(21) Jetzt aber ist Gerechtigkeit vor Gott[2] ohne Gesetz offenbart die schon Gesetz und Profeten bezeugen, (22) Gerechtigkeit vor Gott auf Grund des Glaubens an Jesus Christus allen die glauben. Es gibt ja keinen Unterschied: (23) alle haben gesündigt und ermangeln der göttlichen Herrlichkeit. (24) Aber nun wird ihnen die Gerechtigkeit geschenkt durch Gottes Gnade auf Grund der Erlösung durch Christus Jesus; (25) denn durch sein Blut hat Gott denen die glauben ein Sühnmittel gegeben für die früher begangenen Sünden die er bislang hatte hingehn lassen. (27) Wo bleibt jetzt das Prahlen? Es ist ausgeschlossen. Durch welches Gesetz? durch das der Werke? Nein, durch das des Glaubens. (28) Denn wir meinen daß der Mensch durch den Glauben Gerechtssprechung erlangt ohne Werke des Gesetzes. (29) Oder gehört Gott nur den Juden und nicht auch den Heiden? Doch, auch den Heiden. (30) Denn es gibt ja nur einen Gott, ihn der Beschnittene wie Unbeschnittene auf Grund ihres Glaubens gerecht spricht.

(IV 2) Wäre Abraham seiner Werke wegen gerecht gesprochen, so hätte er sich dessen rühmen können. (3) Aber wie sagt die Schrift? „Abraham glaubte Gott, und das wurde ihm zur Gerechtigkeit angerechnet.“ (10) Unter welchen Umständen fand nun diese Anrechnung statt? als er beschnitten war oder noch unbeschnitten? Als er noch unbeschnitten war. (11) Das Zeichen der Beschneidung empfing er nur als Bestätigung seiner im Zustande der Unbeschnittenheit durch den Glauben gewonnenen Gerechtsprechung. So sollte er der Vater aller unbeschnittenen Gläubigen werden, (12) aber auch der Beschnittenen, die nicht nur Beschnittene sind sondern auch in den Bahnen des Glaubens wandeln, den unser Vater Abraham hatte, als er noch unbeschnitten war. (16) Er ist jetzt unser aller Vater (17) nach dem Wort der Schrift: „Zum Vater vieler Völker hab ich dich gemacht.“ (23) Denn nicht nur mit Bezug auf ihn ist das „Es wurde ihm angerechnet“ geschrieben, (24) sondern auch mit Bezug auf uns die wir glauben an den der unsern Herrn Jesus von den Toten auferweckt hat (25) der wegen unsrer Übertretungen dahingegeben und wegen unsrer Gerechtsprechung und auferweckt wurde.

(V 1) Nachdem wir nun auf Grund unsers Glaubens gerecht gesprochen sind, haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus (2) und rühmen uns der Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes. (3) Rühmen uns aber auch der Trübsale; denn wir wissen daß Trübsal Geduld wirkt, (4) Geduld Bewährung, Bewährung Hoffnung, (5) Hoffnung aber läßt nicht zu Schanden werden. (8) Denn Gott beweist seine Liebe zu uns dadurch, daß Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren. (10) Wenn wir aber als Feinde mit Gott versöhnt wurden durch den Tod seines Sohnes, wieviel mehr werden wir als Versöhnte gerettet werden durch sein Leben! (12) Wie nämlich durch den Ungehorsam des einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist und durch die Sünde der Tod zu allen, weil sie alle gesündigt haben, (19) so werden durch den Gehorsam des einen[3] alle gerecht gesprochen werden.[4] (20) Das Gesetz aber ist nebenbei hereingekommen, damit die Übertretung noch mehr zunähme.[5] Wo aber die Sünde sich mehrte, da wurde die Gnade noch viel mächtiger.

(VI 1) Sollen wir nun in der Sünde bleiben, damit die Gnade sich mehre? (2) Ganz gewiß nicht! Wie könnten wir auch, die wir der Sünde gestorben sind, noch in ihr leben? (3) Wißt ihr nicht daß wir alle, die wir in Christus Jesus getauft sind, in seinen Tod getauft sind?[6] (4) Begraben sind wir mit ihm durch die Todestaufe, damit, wie Christus auferweckt ward von den Toten, auch wir in einem neuen Leben wandeln. (13) Stellt also eure Glieder nicht in den Dienst der Sünde sondern in den Dienst Gottes! (23) Denn der Sold der Sünde ist der Tod, Gottes Gnadengabe aber das ewige Leben. (VII 6) Jetzt wo wir frei geworden sind vom Gesetz, das uns niederhielt, laßt uns im neuen Geist und nicht dem alten Buchstaben dienen!

(7) Ist nun das Gesetz Sünde? Keineswegs! vielmehr hätte ich ohne das Gesetz die Sünde gar nicht als solche erkannt. (9) Doch mit dem Gebot lebte die Sünde auf; (10) und so wurde das Gebot, das zum Leben führen wollte, ein Weg zum Tode, (12) obwohl es an sich heilig gerecht und gut ist. (14) Denn ich[7] bin fleischlich, verkauft unter die Sünde. (15) Nicht was ich will tu ich sondern was ich hasse. (17) Und so handle denn nicht mehr ich sondern die in mir wohnende Sünde. (18) Ich weiß ja daß in mir, das ist in meinem Fleische, nichts Gutes wohnt. Das Wollen hab ich wohl, aber nicht das Vollbringen. (19) Nicht das Gute das ich will sondern das Schlechte das ich nicht will tu ich. (22) Nach meinem inneren Menschen stimme ich dem Gesetz Gottes freudig zu; (23) aber ich bemerke ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das dem Gesetz meiner Vernunft widerstreitet und mich dem Gesetz der Sünde unterwirft. (24) Ich armseliger Mensch! wer wird mich retten aus diesem Todesleibe?[8] (25) Gott – ihm sei gedankt! – durch Jesus Christus unsern Herrn.

(VIII 1) Jetzt gibt es keine Verdammnis mehr für die die in Christus Jesus sind. (11) Vielmehr: wenn der Geist dessen, der Jesus von den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird der, der ihn auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen durch seinen in euch wohnenden Geist. (14) Alle, die sich vom Geiste Gottes leiten lassen, sind Söhne Gottes; (15) und ihr habt ja auch nicht den Geist der Knechtschaft empfangen, sodaß ihr euch wieder fürchten müßtet, sondern den Geist der Sohnschaft, der uns rufen läßt: „Abba[9] Vater!“ (17) Sind wir aber Kinder, so sind wir auch Erben, Erben Gottes und Miterben Christi, und werden, wenn wir mit ihm leiden, einst auch an seiner Herrlichkeit teilnehmen. (18) Ich meine aber, die Leiden dieser Zeit sind nichts gegen die künftige Herrlichkeit, (19) nach der die ganze Schöpfung sich sehnt (23) und von der wir, die wir bereits als Angeld die Gabe des heiligen Geistes empfangen haben, seufzend die Einsetzung als Söhne, die Erlösung von unserm Leibe erwarten. (28) Wir wissen ja daß denen die Gott lieben, den nach seinem Ratschluß Berufenen, alle Dinge zum Guten dienen. (29) Denn die er auserwählt hat die hat er auch dazu bestimmt dem Bilde seines Sohnes gleichgestaltig zu werden, damit er der Erstgeborne sei unter vielen Brüdern. (31) Ist aber Gott für uns, wer könnte dann gegen uns sein? (32) Hat er doch seinen eignen Sohn nicht geschont, sondern ihn für uns alle dahingegeben; wie sollte er uns da nicht zugleich mit ihm auch alles andre schenken? (33) Wer will die Erwählten Gottes verklagen? Gott der uns gerecht spricht? (34) Wer uns verdammen? Christus Jesus der gestorben, nein mehr! der auferstanden ist, der zur Rechten Gottes sitzt, der für uns eintritt? (35) Was kann uns trennen von der Liebe Christi? Trübsal Bedrängnis Verfolgung Hunger Blöße Gefahr oder Schwert? (37) Nein, in all dem bleiben wir Sieger durch den der uns geliebt hat. (38) Ich bin gewiß daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges noch Mächte (39) der Höhe oder Tiefe[10] noch sonst etwas Geschaffenes uns trennen können von der Liebe Gottes in Christus Jesus unserm Herrn.

(IX 1) Die Wahrheit sage ich, ich lüge nicht, und mein Gewissen bezeugt es (2) daß meine Trauer groß ist und unaufhörlich der Schmerz in meinem Herzen; (3) ja, ich wünschte, selber verdammt zu sein und fern von Christus zu Gunsten meiner Brüder, meiner Volksgenossen, (4) der Israeliten, denen die Sohnschaft gehört und die Herrlichkeit, die Bündnisse, die Gesetzgebung, der Gottesdienst, die Verheißungen, (5) die Stammväter, und aus denen Christus nach dem Fleische stammt. (6) Aber nicht alle Israeliten sind wahre Israeliten (7) und nicht alle Nachkommen Abrahams seine wahren Kinder, sondern Gott sprach: „Nur Isaaks Nachkommen[11] sollen als deine wahren Nachkommen gelten.“ (8) Das heißt: Nicht die Fleischeskinder sind Kinder Gottes, sondern nur die Verheißungskinder werden als Nachkommen gerechnet. (14) Was sollen wir nun dazu sagen? Ist Gott etwa ungerecht? Nimmermehr! (21) Kann nicht auch der Töpfer nach Belieben aus demselben Ton ein Prunkgefäß und ein gewöhnliches machen? (22) Wie, wenn nun Gott zur Vernichtung geschaffene Zornesgefäße mit viel Langmut ertragen hat, (23) um den Reichtum seiner Herrlichkeit kundzutun an Erbarmensgefäßen die er von vornherein zur Herrlichkeit bereitet hat? (24) Als solche hat er auch uns berufen nicht nur aus Juden sondern auch aus Heiden; (25) wie er ja auch bei Hosea sagt: „Ich werde den Nicht-mein-Volk Mein-Volk nennen und die Nicht-Geliebte Geliebte; (26) und sie werden Söhne des lebendigen Gottes heißen.“ (27) Jesaja aber ruft über Israel: „Mögen Israels Söhne so zahlreich sein wie der Sand am Meer, nur ein Rest wird gerettet werden.“ (30) So haben denn Heiden, die nach Gerechtigkeit nicht fragten, Gerechtsprechung erlangt, und zwar auf Grund ihres Glaubens; (31) Israel aber, das nach Gesetzesgerechtigkeit strebte, hat sein Ziel nicht erreicht. (32) Warum nicht? Weil es nicht durch Glauben sondern durch Werke gerecht werden wollte.

(X 1) Brüder, mein Herzenswunsch und mein Gebet zu Gott ist, daß meine Volksgenossen gerettet werden. (2) Ich bezeuge ihnen daß sie Eifer für Gott haben, nur fehlt ihnen die rechte Einsicht: (3) da sie die von Gott geschenkte Gerechtigkeit nicht kannten, haben sie die eigene aufzurichten gesucht. (XI 1) Ich frage nun: Hat Gott etwa sein Volk verstoßen? Keineswegs! Ich bin doch auch ein Israelit, Nachkomme Abrahams vom Stamme Benjamin. (2) Gott hat sein auserwähltes Volk nicht verstoßen. Wißt ihr nicht was die Schrift bei Elia sagt, als der Israel vor Gott verklagt? (4) „Ich habe siebentausend Mann für mich übriggelassen, die ihr Knie nicht vor Baal gebeugt haben.“ (5) So ist auch jetzt durch Gnadenwahl ein Rest geblieben. (7) Nur diese Auslese hat erreicht was Israel erstrebte; die übrigen sind verstockt worden. (11) Ich frage nun: Ließ Gott sie sündigen, damit sie zu Fall kämen? Keineswegs! Sondern durch ihren Fehltritt ist das Heil zu den Heiden gekommen, um sie, die Juden, eifersüchtig zu machen. (15) Und wenn schon ihre Verwerfung die Versöhnung der Welt bedeutete, was kann da ihre Wiederannahme anderes bedeuten als Leben aus dem Tode? (16) Wenn die Wurzel heilig ist, so sind es auch die Zweige. (17) Wenn aber einige von den Zweigen herausgebrochen sind und du, der du vom wilden Ölbaum stammst, unter sie eingepfropft bist und nun an der fettspendenden Wurzel des Ölbaums teilhast,[12] (18) so prahle nicht gegenüber den andern Zweigen! denn wisse: nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich! (19) Du wirst einwenden: Die anderen Zweige wurden doch ausgebrochen, damit ich eingepfropft würde. (20) Schön; aber nur wegen ihres Unglaubens wurden sie ausgebrochen, und du stehst fest nur wegen deines Glaubens. Sei also nicht hochmütig, fürchte dich lieber! (21) Denn wenn Gott die natürlichen Zweige nicht verschont hat, so wird er dich auch nicht verschonen. (22) Sieh da die Güte und die Strenge Gottes! Strenge über die Gefallenen, Güte über dich, wenn du in der Güte bleibst; wenn nicht, so wirst auch du herausgeschnitten (23) und jene, wenn sie nicht im Unglauben beharren, wieder eingepfropft werden. (25) Damit ihr euch nichts einbildet, Brüder, will ich euch ein Geheimnis offenbaren: Die Verstocktheit, die über einen Teil Israels gekommen ist, wird nicht länger dauern, als bis die Vollzahl der Heiden eingetreten ist. (28) Nach ihrem Verhalten zur frohen Botschaft Feinde Gottes um euretwillen, sind sie nach ihrer Erwählung Geliebte Gottes um ihrer Stammväter willen. (29) Denn unwiderruflich sind Gottes Gnadengaben und seine Berufung. (30) Und wie einst ihr ungehorsam wart gegen Gott, jetzt aber Erbarmen gefunden habt wegen des Ungehorsams jener, (31) so sind auch jene ungehorsam gewesen, um einst wegen des euch widerfahrenen Erbarmens ebenfalls Erbarmen zu finden. (32) Gott hat alle ungehorsam werden lassen, um sich aller zu erbarmen. (33) O welche Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unerforschlich sind seine Gerichte, wie unbegreiflich seine Wege! (36) Aus durch und zu ihm sind alle Dinge.

(XII 1) Ich ermahne euch nun, Brüder, bringt Gott eure Leiber als lebendiges heiliges wohlgefälliges Opfer dar! Das sei euer geistiger Gottesdienst! (3) Strebt nicht hoch hinaus über Gebühr, sondern denke jeder bescheiden von sich! (4) Denn wie unser Leib viele Glieder hat, doch nicht alle Glieder dieselbe Aufgabe, (5) so bilden wir vielen einen Leib in Christus, unter einander aber sind wir Glieder. (6) Je nach der uns verliehenen Gnade sind wir verschieden begabt. Wer nun Kündergabe hat übe sie aus dem Glauben gemäß; (7) der Diakon widme sich seinem Dienst; (8) der Lehrer dem Lehramt; der Prediger der Predigt; wer abgibt tue es ohne Hintergedanken; wer Vorsteher ist sei es mit Eifer; wer Barmherzigkeit übt tue es freudig! (12) Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, haltet an am Gebet! (13) Nehmt euch der Nöte der Heiligen an! Seid gastfrei! (14) Segnet die euch verfolgen, segnet und flucht nicht! (15) Freut euch mit den Fröhlichen, weint mit den Weinenden! (16) Seid gleichen Sinnes unter einander! Trachtet nicht nach hohen Dingen, sondern haltet euch herunter zu den niedrigen! Haltet euch nicht selbst für klug! (17) Vergeltet niemand Böses mit Bösem! (18) Soviel an euch liegt, habt mit allen Menschen Frieden! (19) Rächt euch selber nicht, laßt Gott die Rache! denn es steht geschrieben: „Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr“ (20) und: „Wenn deinen Feind hungert, so speise ihn; dürstet ihn, gib ihm zu trinken! dann sammelst du feurige Kohlen auf sein Haupt.“ (21) Laß dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem! (XIII 1) Jeder sei den Obrigkeiten untertan! denn es gibt keine Obrigkeit außer von Gott, und die da sind die sind von Gott verordnet. (2) Wer sich gegen die Obrigkeit auflehnt, widerstrebt also Gottes Ordnung und zieht sich selbst das Gericht zu. (3) Denn die Behörden sind ein Schrecken nicht für die Guten sondern für die Bösen. Willst du ohne Furcht vor der Obrigkeit sein, so tu das Gute! und du wirst ihre Anerkennung finden; (4) denn sie ist Gottes Dienerin zu deinem Besten. Tust du aber Böses, so fürchte sie! denn sie trägt das Schwert nicht umsonst. (7) Gebt jedem was ihr schuldig seid: Steuer wem Steuer, Zoll wem Zoll, Achtung wem Achtung, Ehre wem Ehre gebührt! (10) Die Liebe aber ist des Gesetzes Erfüllung. (11) Erkennt die Stunde! Es ist Zeit, aufzuwachen vom Schlaf; denn das Heil ist jetzt näher als damals, als wir gläubig wurden. (12) Die Nacht ist vergangen, der Tag herangekommen.[13] Drum laßt uns abtun die Werke der Finsternis und anziehn die Waffen des Lichts! (13) Laßt uns ehrbar wandeln wie am Tage: nicht in Schmausereien und Trinkgelagen, nicht in Wollust und Unzucht, nicht in Zank und Streit; (14) sondern zieht an den Herrn Jesus Christus und pflegt nicht euer Fleisch für sinnliche Begierden!

(XIV 1) Die Schwachen im Glauben nehmt auf in eure Gemeinschaft und streitet nicht mit ihnen über ihre Bedenken! (2) Der eine glaub alles essen zu dürfen, der Schwache aber ißt nur Pflanzenkost. (5) Der eine macht Unterschiede zwischen den Tagen, dem andern sind alle Tage gleich. Jeder folge seiner Überzeugung! (6) Wer sich über Tage Gedanken macht, tut es für den Herrn; und wer ißt, tut es für den Herrn, er spricht ja Gott das Dankgebet; und wer nicht ißt, tut es auch für den Herrn und dankt Gott. (7) Denn keiner von uns lebt sich selber und keiner stirbt sich selber: (8) leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn; wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn. (10) Warum richtest du deinen Bruder? Wir werden alle vor dem Richterstuhle Gottes stehn. (13) Darum wollen wir uns nicht mehr gegenseitig richten. Achtet vielmehr darauf daß keiner seinem Bruder Anstoß oder Ärgernis bereite! (14) Ich bin im Herrn Jesus[14] überzeugt daß nichts von sich aus unrein ist; aber für den, der es als unrein ansieht, ist es unrein. (15) Führe aber du durch deine Speise nicht den ins Verderben, für den Christus gestorben ist! (23) Denn alles, was man gegen seine Überzeugung tut, ist Sünde. (17) Das Reich Gottes besteht doch nicht in Essen und Trinken, sondern in Gerechtigkeit Friede und Freude im heiligen Geist. (19) So laßt uns nun nach Frieden streben und gegenseitiger Erbauung! (20) Um einer Speise willen reiße Gottes Werk nicht nieder! (21) Da ist es besser, kein Fleisch zu essen und keinen Wein zu trinken, überhaupt, nichts zu tun woran dein Bruder Anstoß nimmt.

(XV 15) Ich habe euch zum Teil etwas kühn geschrieben auf Grund der mir von Gott verliehenen Gnade, (16) Diener Christi Jesu für die Heiden zu sein. (18) Hierüber vermesse ich mich aber nicht, so zu berichten, als ob nicht Christus durch mich gewirkt hätte (19) mit der Kraft von Zeichen und Wundern, mit der Kraft des heiligen Geistes, sodaß ich von Jerusalem bis Illyrien die Verkündigung der frohen Botschaft von Christus habe vollenden können, (20) wobei ich meine Ehre darein setzte, die Botschaft nicht da zu verkünden, wo der Name Christi schon bekannt war; denn ich wollte nicht auf fremden Grund bauen. (22) Diese Arbeit hat mich immer wieder daran gehindert, zu euch zu kommen. (23) Jetzt aber, wo ich in diesen Gebieten keine Aufgabe mehr habe, (24) hoffe ich auf der Durchreise nach Spanien euch zu sehen und von euch dorthin befördert zu werden, nachdem ich mich zuvor ein wenig an euch erquickt habe. (25) Zunächst aber reise ich im Dienste des Heiligen nach Jerusalem. (26) Macedonien und Achaja haben nämlich beschlossen, eine Sammlung für die Armen unter den Jerusalemer Heiligen zu veranstalten. (27) Das sind sie ihnen auch schuldig; denn wenn die Heiden an ihren geistigen Gütern Anteil erhalten haben, so müssen sie ihnen dafür mit ihren irdischen Gütern dienen.[15] (28) Sobald ich das erledigt und ihnen den Ertrag der Sammlung überbracht habe, will ich über euch nach Spanien reisen. (30) Ich bitte euch aber inständig, Brüder, steht mir mit eurer Fürbitte bei, (31) damit ich vor den Ungehorsamen[16] in Judäa bewahrt bleibe und mein Liebesdienst für Jerusalem von den Heiligen gut aufgenommen wird!

(32) Der Gott des Friedens sei mit euch allen! Amen.

Erklärungen

[1] Die Anfänge der römischen Gemeinde liegen für uns im Dunkeln. Weder Paulus noch einer seiner Mitarbeiter hat sie gegründet. Die spätere Legende nennt Petrus als ihren Gründer und ersten Bischof. Als Paulus wenige Monate vor seiner Gefangennahme, wohl von Korinth aus, an sie schrieb, bestand sie schon seit längerer Zeit. Vielleicht hingen die Unruhen unter den Juden Roms, von denen Suston berichtet (vgl. Kapitel „Zweite Missionsreise des Paulus“, Fußnote 13!), mit der Gründung der christlichen Gemeinde zusammen. Paulus schreibt an sie den längsten und theologisch gehaltvollsten seiner Briefe, weil er, nachdem das Christentum in allen Hauptstädten der östlichen Provinzen des Reiches festen Fuß gefasst hat, Rom zum Ausgangspunkt einer Christianisierung des Westens machen möchte. Aus dem Briefe ergibt sich, daß die römische Gemeinde überwiegend heidenchristlich war (I 5.6 XV 15.16) und zumeist aus griechisch sprechenden Mitgliedern bestand, denn Paulus schreibt an sie wie an all seine andern Gemeinden griechisch; erst im 3. Jahrhundert wurde in ihr das Griechische im Gottesdienst vom Lateinischen verdrängt.

Inhaltsübersicht:

Anschrift und Eingangsgruß (I 1-7)

Begründung des Briefes (I 8-15)

Thema des Briefes: Von Gott geschenkte Gerechtigkeit (Freisprechung) für alle aus dem Glauben (I 16.17)

A. Gerechtigkeit nur aus dem Galuben an Jesus Christus (I 18-VIII)

I. Ohne die frohe Botschaft von Christus trifft Gottes Zorn
sowie die Heiden
als auch die Juden, doch bleibt der Vorrang der Juden bestehn (II 1 – III 20)

II. Die frohe Botschaft von Christus biete Gerechtigkeit (Freisprechung) jedem gläubigen Menschen (III 21 – VIII)
Nicht mehr die Werke sondern nur noch der Glaube hat Geltung vor Gott (III 21-30)
Das Gesetz selbst weist auf den Glauben hin: Abraham wurde aus dem Glauben gerecht (IV)
Christus ist durch seinen Sühnetod der Anfänger einer neuen Menschheit geworden (V)
Für diese ist durch die Taufe jede Beziehung zur Sünde und zum Mosaischen Gesetz gelöst (VI – VII)
Im Besitz des heiligen Geistes erwartet sie in Geduld die Heilsvollendung (VIII)

B. Die Verwerfung der Juden und Gottes Heilsplan mit ihnen (IX-XI)

C. Ermahnungen (XII – XV 13)

Persönliche Mitteilungen (XV 14-33)

[2] = Freisprechung. Vgl. Kapitel „Brief des Paulus an die Galater“, Fußnote 7!

[3] Vgl. Filipper II 8 !

[4] Uns erscheint diese Logik, daß, was dem Anfänger einer geschichtlichen Reihe widerfährt, der ganzen Reihe widerfahren muß, nicht zwingend. Dieselbe Logik Kor. XV 22 und Gal. III 6-9.

[5] Vgl. VII 8.9!

[6] Den Heidenchristen war aus den sehr verbreiteten Mysterienreligionen die Vorstellung vertraut, daß in der Aufnahmezeremonie der Taufe, im Täufling durch Untertauchen alles Vergängliche getötet (ertränkt) und ihm beim Wiederauftauchen auf magische Weise die Teilnahme an der Auferstehung seines Gottes zu ewigem Leben verbürgt würde. Daher die von Paulus in 1. Kor XV 29 erwähnte Sitte der Korinther, sich stellvertretend für Verstorbene taufen zu lassen, und die Unruhe der Thessalonicher darüber, daß einige Mitglieder ihrer Gemeinde vor dem Anbruch der Heilszeit gestorben waren (1. Thess IV 13). Auch Paulus steht ganz in dieser mystischen Vorstellungswelt (vgl. Kapitel „Erster Brief des Paulus an die Korinther“, Fußnote 37!), vermittlicht sie aber: Durch das „Eintauchen in den Tod Christi ist unser der Sünde preisgegebenes „Fleisch“ so weit getötet, daß die Sünde nicht mehr die alte Gewalt über uns hat und wir mit Hilfe des uns in der Taufe verliehenen „Geistes“ der Sünde widerstehn können und unter der Voraussetzung, daß wir das tun, als Glieder des mystischen Leibes Christi an Auferstehung und ewiges Leben teilnehmen werden. Die Aufnahme solcher Gedankengänge hat das Heidenchristentum zwar sehr bereichert, aber es zugleich auch (schon zwei bis drei Jahrzehnte nach der Kreuzigung Jesu!) vom Glauben der Urgemeinde und der schlichten Religion Jesu entfernt. Vgl. den judenchristlichen Jakobusbrief, dem alle paulinische Christusmystik fehlt!

[7] Paulus versetzt sich hier in die Lage der Menschheit vor der Erlösung durch Christus.

[8] Ähnliche Gedankengänge schon bei Pythargoras und Plato und von daher häufig bei Filo (Kapitel „Die Juden unter Gajus Kaligula“, Fußnote 1).

[9] Ebenso wie das aramäische Abba sind die hebräischen bzw. aramäischen Wörter Amen Halleluja Hosianna und Maranatha (Kapitel „Erster Brief des Paulus an die Korinther“, Fußnote 45) aus dem liturgischen Gebrauch der Urgemeinde von den griechisch sprechenden Gemeinden übernommen worden

[10] Keine dämonische Macht noch Macht der Gestirne.

[11] Nicht der Sohn der Hagar (1. Mose XVI), weil er nicht auf Grund von Gottes Verheißung sondern als „Fleischessohn“ erzeugt war.

[12] In Wirklichkeit läßt sich ein wildes Reis nicht durch Einpfropfen in einen echten Ölbaum veredeln. Paulus als Großstädter weiß das nicht.

[13] Paulus glaubt daß Christus bald zum Gericht kommen wird; vgl. 1. Thess IV 15 V 1!

[14] Als Christ entsprechend dem Herrenwort Mk VII 18.

[15] Den Hauptgrund seines Eifers für diese Spende verschweigt Paulus: nur in 31 ist, den Lesern kaum verständlich, angedeutet, um was es sich dabei handelte. Die Spende sollte dazu beitragen, ihm die Anerkennung seines Werkes durch die Urgemeinde zu verschaffen (vgl. Apg XXI 18-24!).

[16] Denen die der Botschaft von Christus nicht gehorchen, den ungläubigen Juden.