Dritte Missionsreise des Paulus (Schluß)

Dritte Missionsreise des Paulus (Schluß)

(Apg XX 3) Als Paulus sich von Griechenland nach Syrien einschiffen wollte, machten die Juden einen Anschlag auf ihn. Deshalb entschloß er sich, über Macedonien zurückzukehren. (4) Es begleiteten ihn Sopater aus Beröa, Aristarch und Sekundus aus Tessalonich, Gajus aus Derbe, Timotheus und aus Asien Tychikus und Trofimus.[1] (5) Diese reisten voraus und erwarteten uns[2] in Troas. (6) Wir andern aber fuhren nach den Tagen der Ungesäuerten Brote von Filippi ab und trafen sie fünf Tage später in Troas, wo wir sieben Tage blieben. (7) Am ersten Tag der Woche versammelten wir uns zum Brotbrechen.[3] Paulus hielt eine Ansprache und dehnte, da er am nächsten Tag weiterreisen wollte, seine Rede bis Mitternacht aus. (8) Der Raum im Dachgeschoß, wo wir uns versammelt hatten, war von vielen Lampen erleuchtet. (9) Als Paulus immer weiter redete, wurde ein junger Mann namens Eutychus, der am Fenster saß, vom Schlaf überwältigt, stürzte vom dritten Stock hinunter und wurde tot aufgehoben. (10) Da ging Paulus hinunter, warf sich über ihn, umschlang ihn[4] und sagte: „Regt euch nicht auf! er lebt.“ (11) Dann stieg er wieder hinauf, brach das Brot und aß und redete weiter bis zum Morgengrauen. (12) Den jungen Mann führten sie lebend fort und fühlten sich nicht wenig getröstet. (13) Wir andern aber gingen zum Schiff und fuhren nach Assus, doch ohne Paulus, der beschlossen hatte, auf dem Landweg dorthin zu reisen. (14) In Assus nahmen wir ihn an Bord und kamen nach Mitylene. (15) Am nächsten Tag fuhren wir weiter bis in die Höhe von Chion, näherten uns am folgenden Samos und erreichten Tage darauf Milet. (16) Paulus hatte sich nämlich entschlosssen, an Efesus vorbeizufahren, um keine Zeit in Asien zu verlieren; denn er wollte womöglich am Pfingsttage in Jerusalem sein.

(17) Von Milet aus lud er die Ältesten der Gemeinde von Efesus zu sich (18) und sprach zu ihnen: „Ihr wißt daß ich vom ersten Tag an, wo ich Asien betrat, bei euch (19) mit aller Demut unter Tränen und Anfechtungen, die mir aus den Nachstellungen der Juden erwuchsen, dem Herrn gedient (20) und öffentlich und in ihren Häusern (21) Juden und Heiden beschworen habe, sich zu Gott zu bekehren und an unsern Herrn Jesus zu glauben. (22) Jetzt reise ich, in Geist gebunden[5], nach Jerusalem, weiß nicht was mir dort begegnen wird (23) doch bezeugt mir der heilige Geist von Stadt zu Stadt daß Fesseln und Drangsale mich erwarten. (24) Ich achte aber mein Leben gering, wenn ich nur die Aufgabe erfülle die ich von dem Herrn Jesus erhalten habe: die frohe Botschaft von der Gnade Gottes zu verkünden. (25) Keiner von euch allen, bei denen ich als Verkünder des Reiches aufgetreten bin, wird mich wieder sehen. (28) Darum habt acht auf euch und die ganze Herde, über die euch der heilige Geist zu Aufsehern[6] bestellt hat! (29) Denn ich weiß: nach meinem Weggang werden reißende Wölfe bei euch einbrechen und die Herde nicht verschonen. (30) Ja, aus eurer eignen Mitte werden Irrlehrer auftreten und versuchen, die Jünger auf ihre Seite zu ziehen. (31) Darum seid wachsam und denkt daran daß ich drei Jahre lang Tag und Nacht jeden von euch unter Tränen ermahnt habe![7] (32) Und nun empfehle ich euch dem Herrn; er kann euch Kraft verleihen und Anteil an seinem Reiche. (33) Ich habe von niemand Silber Gold oder Kleidung verlangt; (34) mit diesen meinen Händen habe ich, wie ihr selbst wißt, für meine und meiner Gefährten Bedürfnisse gesorgt, (35) eingedenk der Worte des Herrn Jesus: ‚Geben ist seliger als Nehmen‘.[8]“ (36) Nach dieser Ansprache kniete er nieder und betete mit ihnen; (37) sie aber brachen in lautes Weinen aus, fielen ihm um den Hals und küßten ihn, (38) betrübt vor allem darüber daß er gesagt hatte, sie würden ihn nicht wieder sehen. Dann begleiteten sie ihm zum Schiffe.

(XXI 1) Als wir uns endlich von ihnen losgerissen hatten, fuhren wir geradeaus nach Kos, am folgenden Tag nach Rhodus und von da nach Patara. (2) Dort fanden wir ein Schiff das nach Fönicien fuhr, bestiegen es und fuhren ab. (3) Wir sichteten Cypern, ließen es aber links liegen, fuhren nach Syrien und landeten in Tyrus; denn dort mußte das Schiff seine Ladung löschen. (4) Wir suchten die Jünger auf und blieben sieben Tage da. Die Jünger warnten Paulus auf Eingebung des Geistes, nach Jerusalem hinaufzuziehen. (5) Als aber die Tage um waren, verließen wir die Stadt; alle gaben uns mit Weib und Kind das Geleit. Am Strande knieten wir nieder und beteten; (6) dann nahmen wir Abschied und bestiegen das Schiff, während jene nach Hause zurückkehrten.

(7) Zum Schluß unsrer Seereise kamen wir nach Ptolemais. Wir begrüßten die Brüder und blieben einen Tag bei ihnen. (8) Am nächsten Tage reisten wir weiter und kamen nach Cäsarea, gingen in das Haus des Evangelisten Filippus, eines der Sieben[9], und blieben bei ihm. (9) Er hatte vier Töchter, Jungfrauen mit Kündergabe.

Erklärungen

[1] Diese sieben werden von ihren Gemeinden den Auftrag gehabt haben, die für die Armen der Jerusalemer Gemeinde gesammelten Spenden zu überbringen: vgl.1. Kor XVI 3.4  2. Kor VIII und Römer XV 25.26!

[2] Hier beginnt wieder der „Wir-Bericht“; vgl. Kapitel „Erscheinungen des Gekreuzigten Anfänge der Urgemeinde Jerusalem“, Fußnote 1 hinterer Teil!

[3] Erste Erwähnung der Sonntagsfeier; der jüdische Sabbat ist der letzte Tag der Woche.

[4] Vgl. 1. Könige XVII 21 (Elia) und 2. Könige IV 34.35 (Elisa)!

[5] Nicht aus freiem Entschluß sondern aus innerem Zwang.

[6] Griechisch: Episkopei (daraus das Lehnwort Bischöfe). Es gibt also zur Zeit des Paulus in Efesus noch nicht den monarchischen Episkopat über den Ältesten (griechisch: Presbyterei; daraus das Lehnwort Priester), sondern die Ältesten sind Bischöfe.

[7] In 28-31 spricht wohl nicht Paulus sondern (aus den Erfahrungen einer späteren Zeit) der Verfasser der Apg.

[8] Dies Herrenwort findet sich nicht in den Evangelien.

[9] Vgl. VI 5 und VIII 5-40 !