Leserbriefe zur Rezension

"Man braucht zu verschiedenen Zeiten verschiedene Übersetzungen"

B. K. Tragelehns "zeitgemäße" Neuübersetzung von Shakespeares "Der Sturm"

Von Jens Zwernemann


Jürgen Gutsch schrieb uns am 25.02.2007
Thema: Jens Zwernemann: "Man braucht zu verschiedenen Zeiten verschiedene Übersetzungen"

Natürlich ist der ausgewogenen Bewertung von Tragelehns Leistung durch Jens Zwernemann im Großen und Ganzen zuzustimmen. Nur sollten Konkreta, die zum Beweis der Leistung zitiert werden, richtig zitiert werden. Ins Auge springende Argumente gegen diese Leistung sollten nicht übergangen werden. Nur an einem Beispiel demonstriert:

- Christoph Martin Wielands Übersetzung jener Herzstelle IV/1, 156-158 ("We are such stuff / As dreams are made on; and our little life / Is rounded by a sleep.") lautet natürlich nicht wie angegeben "Wir sind aus solchem Zeug / wie das zu Träumen, und unser kleines Leben / ist umringt von Schlaf." So genial war Wieland nicht, bereits Hugo von Hofmannsthal vorwegzunehmen, bzw. diesen zu einem Plagiator zu stempeln. Der von Zwernemann Wieland zugeschriebene Text ist ein Konglomerat, das z.B. von Horst Weber 2001 im Internet verwendet wurde: http://www.unics.uni-hannover.de/weber.horst/criticism/more_criticism_to_come/The_Tempest/the_tempest.html

- Wielands Text lautet, dröge genug und in Prosa: "Wir sind solcher Zeug, woraus Träume gemacht werden, und unser kleines Leben endet sich in einen Schlaf." Noch mit dem maskulinen "Zeug", das auch von Schlegel genauso übersetzt wurde, bzw. von Tieck-Baudissin nicht revidiert, erst später wurde der "Stoff" eingeführt. Gabriel Eckert hat dem Wieland/Eschenburg'schen Text dann die entschieden bessere Endform gegeben: "Wir sind solcher Stoff, woraus Träume gemacht werden; und unser kleines Leben ist rings umher mit einem Schlafe umkränzt." Von dieser Fassung behaupte ich schon, dass sie richtiger ist als die Tragelehns. Das heißt: Unser Leben ist nichts als ein Schlaf von Anfang bis Ende, in dem wir träumen.

- Der Haupteinwand gegen Erich Fried ist die falsche Übersetzung des "rounded". Fried schreibt: "Wir / Sind solcher Stoff, aus dem die Träume gemacht sind, / Und unser kleines Leben rundet Schlaf ab". Aber Tragelehn scheitert eben auch selbst daran: "... Das kleine Leben / Rundet ein Schlaf." Das ist nicht nur falsch übersetzt, sondern auch unverständlich. Nicht nur ist die englische Passiv-Konstruktion verlassen (wie bei Fried), sondern es ist auch eine sinnlose Kollokation ("Leben rundet etwas") benutzt. Gerade diese Stelle eignet sich also wohl kaum zum Nachweis der Tragelehn'schen Texttreue.

- Man sollte immer vorsichtig sein mit den "sucht seinesgleichen"-Formulierungen. Wenigstens dann, wenn man die beste Übersetzung dieser Stelle gar nicht zitiert. Sie lautet: "Wir sind vom Stoff, / Aus dem die Träume sind; und unser kleines Leben / Beginnt und schließt ein Schlaf." (Gut, der mittlere Vers hat einen Fuß zu viel! Das wäre ein metrischer Einwand.) Diese Übersetzung ist von Frank Günther 2001.


dr henry brames schrieb uns am 02.12.2008 als Antwort auf einen Leserbrief
Thema: Re: Jens Zwernemann: "Man braucht zu verschiedenen Zeiten verschiedene Übersetzungen"

("We are such stuff / As dreams are made on; and our little life / Is rounded by a sleep.")

wir sind aus gleichem stoff, aus dem die träume sind; und unser kleines leben wird durch schlafen rund.


Eric Miller schrieb uns am 02.09.2015 als Antwort auf einen Leserbrief
Thema: Re: Jens Zwernemann: "Man braucht zu verschiedenen Zeiten verschiedene Übersetzungen"

Ich will ja nicht ueberpedantisch sein, aber es geht hier ja um die Feinheiten, also: es heisst: "ist rounded with a sleep", nicht "by" a sleep.