Leserbriefe zur Rezension

Links ist da, wo der Spaß aufhört

Der "Trend-Report 2009" von Matthias Horx betritt unvermutet das Terrain politischer Agitation

Von Laslo Scholtze


Holger Rust schrieb uns am 05.03.2009
Thema: Laslo Scholtze: Mit Galle gegen Links

Ich wundere mich immer wieder, wer alles dieses aus beliebigen Zeitungsschnipseln zusammengekleisterte Horx-Kompendium und diese halb verstandenen Wissenschaftspartikel ernst nimmt. Wo es doch in Deutschland und im deutschsprachigen Raum eine wirklich weltweit reputierte Gilde von Foresight-Forschern und -Institutionen gibt (Kreibich, Fraunhofer-Institute, Prognos, die Institutionen der Autoindustrie, um nur wenige zu nennen).
Das Problem ist, dass die Rezensenten immer wieder diesen völlig sinnleeren Begriffen auf den Leim kriechen - in der vorauseilenden Vermutung, es stecke tatsächlich etwas dahinter. Auch wenn - wie die Digitale Dämmerung - genau das Gegenteil von den Vorjahrestrends für die nächsten Jahre behauptet wird. Nun - etwas steckt dahinter: Marketing. Diese Institute überleben nur dadurch, dass sie ständig sensationelle Zukünfte verscherbeln, die sich als Vorträge verkaufen lassen, um verängstigten mittleren Managern die Illusion einer Tiefenrecherche zu vermitteln. Das ist nicht die Lösung - das ist Teil des Problems: Innovationsblockaden durch Beliebigkeit. Da alles Sinnvolle schon gesagt ist (wenngleich in ungemütlicher Kopmplexität), verlegen die selbst ernannte Trend-"Forscher" sich aufs Sensationelle - sie behaupten immer grad das, was nicht im Main-Stream ist. Abgesehen davon: Es wird schwer fallen, auch nur ein einziges Projekt zu finden, das den Begriff der "Forschung" rechtfertigt und das diesen Trend-Report - wie alle anderen - als Ergebnis von Forschung ausweist. Um nur dies zum Beleg anzumelden - der Begriff Lohas ist wie viele Begriffe, die die Kelkheimer für sich reklamieren, ganz woanders entstanden (als Titel eines Buches, das längst vor der Horx-Entdeckung auf dem Markt war). Aber da kaum noch jemand recherchiert, bleibt der Begriff eben jenen zugeschrieben, die am lautesten schreien.
Beste Grüße
Holger Rust


Laslo Scholtze schrieb uns am 06.03.2009 als Antwort auf einen Leserbrief
Thema: Re: Laslo Scholtze: Mit Galle gegen Links

Sehr geehrter Herr Professor Rust,
ich danke Ihnen für den Leserbrief zu meinem Artikel, auch wenn dieser Ihren Einspruch provoziert.

Zu Ihrem Schreiben:
- Ich war der Meinung, dass mein Artikel dem "Trend-Report 2009" mit einiger Kritik, argumentativer Zurückweisung und den Kelkheimer
Trendforschern zudem mit einiger Ironie begegnet.
- Dass ich den "Trend-Report" dennoch, wie jede Publikation, die sich in einem vertretbaren zivilisierten Rahmen bewegt, "ernst nehme", braucht Sie nicht zu wundern, denn das ist für mein journalistisches Ethos schlicht eine Selbstverständlichkeit.
- Entgegen Ihrer Annahme habe ich durchaus recherchiert und dann formuliert, Horx habe "hierzulande als einer der Ersten gerufen: Die Lohas kommen!". Sollte dies selbst in dieser vagen, auf die BRD eingeschränkten Form falsch sein, wäre es mein Fehler.
- Ich vermeide im Artikel bewusst die Bezeichnung "Zukunftsforscher", um (implizit) eine Abgrenzung gegenüber seriöser Foresight-Forschung aufrecht zu erhalten.
- Auch auf die zweifelhafte Stichhaltigkeit sowie die widersprüchlichen bzw. jährlich wechselnden Prognosen aus Kelkheim macht der Artikel aufmerksam.

Daher frage ich mich also, welchen Begriffen oder Behauptungen der Kelkheimer ich Ihrer Meinung nach "auf den Leim gegangen" bin und und nehme dazu gerne weitere Erklärungen entgegen.
Noch einmal herzlichen Dank für die kritische Intervention und beste Grüße aus Berlin Laslo Scholtze


Holger Rust schrieb uns am 06.03.2009 als Antwort auf einen Leserbrief
Thema: Re: Laslo Scholtze: Mit Galle gegen Links

Danke für Ihre freundliche Antwort, sehr geehrter Herr Scholtze,
es stimmt, was Sie schreiben. Das Problem ist nur, dass die ununterbrochene Beschäftigung mit diesem Institut allmählich etwas gespenstisch wird - denn, wenn es die Bedeutung besäße (nur die Bedeutung), die Sie durchaus ironisch darlegen, würde es reichen, darüber zu schweigen. So aber erscheinen die Kritiken mittlerweile auf der Web-Site von Horx als Beiträge einer (von
niemanden so intendierten) "Methoden-Debatte", was insgesamt als werbliche Aufwertung des Instituts verkauft und höhnisch als Bestätigung für die Irritation des Main-Stream zitiert wird. Sie müssen das mal erlebt haben, mit welcher Aggression das geschieht. Ich selbst werde zum Beispiel als Parasit bezeichnet, der mit der Kritik nur seinen eigenen Geschäfte anzukurbeln sucht. Kann man auf Horx-Website unter dem Stichwort "Trendnörgelparasiten" lesen. Was die "Lohas" betrifft (etwa auch die "Creative Class" und vieles andere) ist der Trick ganz einfach: Sobald eine amerikanische Idee hier populär zu werden verspricht, greift Horx sie auf (um es vorsichtig auszudrücken) und behauptet später, er sei der Erste gewesen (listiger Zusatz: ... Der diesen Begriff usw. in Deutschland eingeführt habe). So habe ich also zur Taste gegriffen und bitte Sie, dies als Interesse am Thema und mithin als Wertschätzung Ihrer Arbeit zu betrachten.
Schönes Wochenende
Holger Rust