Affenliebe

Jane Goodalls Autobiographie "Grund zur Hoffnung"

Von Melanie OttenbreitRSS-Newsfeed neuer Artikel von Melanie Ottenbreit

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ein Foto aus Kindertagen zeigt Jane Goodall im Alter von 18 Monaten beim Spiel mit einem Plüschaffen. Jubilee, das Ebenbild des ersten im Londoner Zoo geborenen Schimpansen, war ein Geschenk von Janes Vater, der offenbar schon früh um die Tiernarrheit seiner Tochter wusste. "Die Freundinnen meiner Mutter fanden dieses Spielzeug grauenhaft und unkten, es würde mich in Angst und Schrecken versetzen und ich würde Alpträume davon bekommen. Aber Jubilee wurde sofort mein Lieblingsbesitz."

Angst vor Affen wird Jane Goodall auch später nicht haben, im Gegenteil. Sie wird die erste Wissenschaftlerin sein, die über Jahre hinweg das Verhalten freilebender Schimpansen studiert, die mehr als 30 Jahre ihres Lebens im tansanischen Nationalpark Gombe verbringt und die bis heute für die Rechte der engsten Verwandten des Menschen eintritt.

Als Enkelin eines Waliser Pfarrers wurde Jane Goodall am 3. April 1934 in England geboren. Sie wächst in Bournemouth an der Ärmelkanalküste auf, geht mit neunzehn nach London, um Sekretärin zu werden und irgendwie ihrem Traum ein Stückchen näher zu kommen: zu reisen, mit Tieren zu arbeiten und ein Leben in Afrika zu führen. Was zunächst wie eine fixe Idee klingt, nimmt vier Jahre später Gestalt an: Jane Goodall folgt der Einladung einer Freundin nach Mombasa.

Louis Leakey, der berühmte Anthropologe und Paläontologe, engagiert sie als Privatsekretärin und nimmt sie mit zu Ausgrabungen in die Olduvei-Schlucht. Dort bewährt sie sich nicht nur als Assistentin, sondern auch als forsche Streiterin, die Leakey davon überzeugt, dass sie höchstselbst die Forscherin ist, die er für seine Feldstudie zu Schimpansen am Ostufer des Tanganjikasees sucht. Zwar hat sie weder eine zoologische Ausbildung noch einen akademischen Grad, dafür aber imponiert sie Leakey mit unbefangenem Denken, ihrer Liebe zu Tieren, viel Geduld und der Bereitschaft, fernab der Zivilisation zu leben und Zeit und Fleiß in ein Projekt zu investieren, das viele bereits im voraus zum Scheitern verurteilt hatten.

Den Ressentiments, die Forscherkollegen und afrikanische Behörden dem "jungen, unerfahrenen Mädchen" entgegenbringen, um sie von einem "solch gefährlichen Projekt" abzuhalten, trotzt Jane Goodall selbstbewußt. Ihre Mutter Vanne mimt vor den skeptischen Bürokraten die europäische Begleiterin, reist mit der Tochter nach Gombe und erwirkt so die Genehmigung für das Forschungsprojekt.

In Afrika verbringt Jane Goodall die nächsten dreißig Jahre ihres Lebens. Hier wird sie ihren Mann kennen lernen, den Fotografen Hugo van Lawick von der National Geographic Society, einen Sohn zur Welt bringen und mit ihren Verhaltensbeobachtungen zur renommiertesten Schimpansenforscherin der Welt avancieren - mittlerweile als Doktorin der Ethologie in Cambridge und als Gastprofessorin traditionsreicher Institutionen wie der Stanford University.

Wer das Scheitern der resoluten Blondine erwartet hatte oder ihr als possierliche Tiernärrin den akademischen Rang hatte absprechen wollen, und solche Skeptiker gab es in der Fachwelt zuhauf, musste spätestens verstummen, als Jane Goodall in den 60er Jahren mit ihren Primatenbeobachtungen alle bisherigen Annahmen zur Verwandtschaft zwischen Mensch und Affe auf den Kopf stellte: Sie lieferte den Beweis, dass nicht der Mensch allein die Fähigkeit besitzt, Werkzeuge herzustellen und anzuwenden. Die Schimpansen in Tansania entlaubten Zweige, um sie wie eine Angel in Termitenhügel zu stecken, um dann die festgebissenen Insekten wie einen Lolly abzulutschen. Mit dieser Entdeckung adelte Jane Goodall nicht nur die Affen, sondern sie degradierte auch den Menschen als Homo faber - als Werkzeughersteller - auf das Niveau eines intelligenten Tieres. Nicht alle haben ihre Ergebnisse so gelassen hingenommen wie Louis Leakey, der lakonisch meinte: "Aha! Dann müssen wir jetzt entweder den Menschen oder den Werkzeugbegriff neu definieren oder Schimpansen als Menschen akzeptieren!"

Jane Goodall ist zudem die Erkenntnis zu verdanken, dass Aggression nicht eine rein menschliche Eigenschaft ist: An rivalisierenden Schimpansenhorden beobachtete sie, dass auch Affen Kriege führen, dass sie "Fremdenhass" entwickeln und ganze Gruppen unterlegener Artgenossen auslöschen. Die Tiere, die nicht nur Jane Goodall bis dahin bei aller Ähnlichkeit mit dem Menschen als "besser" erschienen waren - wie sehr entsprachen sie uns auch hier.

Die Autobiografie Jane Goodalls ist mehr als nur eine Rückschau auf die Zeit bei den Schimpansen in Gombe. Sie gibt Einblicke in ihr Denken und ihre Überzeugungen, auch jenseits der Primatenforschung; in ihre Spiritualität und in ihr Privatleben, aus dem sie aufschlussreich berichtet und Schicksalsschläge nicht ausklammert. Jane Goodalls Erinnerungen sind ein bewegendes Plädoyer für den Erhalt des Planeten Erde, für Artenvielfalt und für mehr Güte und Mitgefühl im Umgang mit der Kreatur. Sie sind aber auch das Porträt einer faszinierenden Frau, die vor allem Courage besitzt - egal ob sie sich allein nach Afrika einschifft, als tierliebe Schreibkraft den Weg zur modernen Primatologie beschreitet oder in aller Welt die Rechte der engsten Verwandten des Menschen, aber auch der notleidenden afrikanischen Bevölkerung einklagt. Aus ihrem Glauben schöpft Jane Goodall die Kraft, sich von Rückschlägen nicht entmutigen zu lassen. "Grund zur Hoffnung" lautet deshalb der Titel ihrer Lebensberichts und ist gleichsam ihr Lebensmotto. Jane Goodalls Engagement als streitbare Wissenschaftlerin, die einfühlsam, aber energisch ihr Ziel verfolgt, ist beeindruckend, das Faszinierende an ihrer Autobiographie ist aber die Liebe zu den Schimpansen, die aus jeder Zeile spricht.

Titelbild

Jane Goodall: Grund zur Hoffnung. Autobiographie.
Riemann Verlag, München 1999.
350 Seiten, 19,40 EUR.
ISBN-10: 3570500071

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