Klar, die Freundin war's

Valerie Wilson Wesley beschäftigt sich mit mordwütigen Frauen

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Serienermittler wachsen uns mit der Dauer ihrer Existenz ans Herz (im Unterschied zu Serientätern, die wir selbstverständlich nicht ausstehen können). Wir nehmen an ihrem Leben teil, lernen ihre Gewohnheiten kennen, wir leiden mit und fürchten uns mit, wenn es danach ist, wir wären nach einer Weile sogar in der Lage, ihnen den einen oder anderen guten Tipp zu geben, was sie vielleicht ändern könnten, um ihrem Leben neuen Schwung zu geben. Zum Beispiel mit der/dem Geliebten, Gatten, Gattin reden, weniger trinken, sich mit anderen Freunden umgeben. Das ganze Programm eben guter Ratschläge. Voraussetzung ist allerdings, dass ein Mindestmaß an Identifikationspotenzial vorhanden ist. Das aber hat auffallend wenig mit der sozialen Lage, dem Geschlecht oder der Hautfarbe der Protagonisten zu tun. Die paar Ausstattungen, die einen erfolgreichen Krimi ausmachen, beziehen sich auf anderes: die regelmäßigen Geldprobleme der Ermittler, ihre relative Isolation und die auffallende Rücknahme allzu starker Profile, die einer Generalisierung im Wege stehen könnten.

Das ist auch in Valerie Wilson Wesleys neuem Roman der Fall: Dass die Hauptakteurin, Tamara Hayle, weiblich und schwarz ist und mehr oder weniger der Mittelschicht angehört, ist so zurückhaltend (wenngleich immer noch erkennbar) inszeniert, dass es einer breiten Rezeption nicht im Weg steht. Das kann dann schließlich jeder lesen, der's mag, und die Voraussetzungen, dass es sehr viele mögen, sind gegeben. Nur leider geht das zu Lasten des Textes.

Aber schaun wir, was passiert: Eines schönen Tages taucht der halbwüchsige Sohn einer Jugendfreundin bei Tamara auf und bittet sie, den Mord an seiner Mutter aufzuklären. Die ist mit mehreren Schüssen in den Unterleib einigermaßen qualvoll zu Tode gebracht worden. Der junge Mann lässt ein Schmuckstück, Celias Notizbuch und 200 Dollar da und ist wenig später selber tot.

Spätestens jetzt ist Tamara, die bis dahin wenig motiviert war, sich mit der eigenen Vergangenheit, dem trübsinnigen Leben und unsinnigen Tod ihrer Ex-Besten-Freundin zu beschäftigen, in der Pflicht. Mit Gespenstern soll man zwar nicht sprechen, aber gelegentlich sind sie auffallend aufdringlich und lassen einen einfach nicht in Ruhe. Was danach folgt ist das, was man in solchen Fällen erwartet: Frau Hayle sucht alle diejenigen auf, die in Celias Notizbuch stehen, darunter schlagwütige Kerle und solche, die die Finger (und anderes) nicht von anderen Frauen lassen können, Machtfaktoren zudem im schönen Newark, die sich dem Druck, den Tamara aufbaut, nicht zuletzt durch Interventionen bei den politischen Instanzen der Stadt zu entziehen versuchen.

Tamara sucht auch die Freundinnen der Toten auf, eine Ex-Geliebte (deren Ex-Mann gehörig sauer auf Celia ist) und deren beste Freundin (die wiederum die Witwe eines jener oben aufgeführten Kerle ist, die nichts anbrennen lassen). Man kann also in aller Ruhe die sich überlagernden Motivlinien studieren, die die Autorin auslegt, und sich mit der Routine des geübten Krimilesers für den Tatfavoriten entscheiden.

Störend ist dabei freilich, dass das Ganze allzu behäbig geschieht. Die Dialoge sind gestelzt, die Figuren wie aus dem Wachsfigurenkabinett, alles ist allzu durchsichtig und wirkt viel zu sehr gemacht (was immer von schlechter Technik zeugt). Die Täteralternativen sind nicht wirklich attraktiv - kann jemand, der unserer Heldin ein gutes Auto billig verkauft und sich ansonsten rührend um sie kümmert, der Bösewicht sein?

Er kann, aber nicht in diesem Fall. Sollen es am Ende doch wieder die üblichen Verdächtigen sein, die sich mit Gewalt, Machbewusstsein und xy-Chromosomen ausgestattet in der gesellschaftlichen Elite festgesetzt haben? Ja, sollen, aber müssen nicht, und erst recht nicht hier.

So trödelt dann Tamara Hayles neuer Fall allzu gemächlich seiner Auflösung entgegen. Nicht einmal die Reise zur Täterin auf's Land durch den hereinbrechenden Winter (was für jede Stadtpflanze ein echtes Risiko darstellt) kann die Spannung wirklich erhöhen, der Showdown (begleitet mit dem unvermeidlichen Aufklärungs- und Geständnisdialog, der uns in die Abgründe der Täterinnenpsyche führen soll, Himmel, hilf) ist echtes B-Picture.

Dass am Ende die Befreiung vom juvenilen Nachtmahr im Vordergrund steht, und die Erkenntnis, dass wenigstens im Moment die Welt wieder im Lot ist, kann auch nicht wirklich überraschen. Wesleys Krimi ist also schließlich doch nichts anderes als ein Krimi-Genre-Leichtgewicht, das vor allem auf einen Leserkreis schielt, der schon bei Agatha-Christie-Herzklopfen und schlaflose Nächte fürchtet. Auch für solche Leser muss es wohl etwas zu lesen geben, fürchte ich. Ihnen sei dieses Buch also empfohlen.


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Valerie Wilson Wesley: Remember Celia Jones. Ein Fall für Tamara Hayle. Roman.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Gertraude Krüger.
Diogenes Verlag, Zürich 2006.
271 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-10: 3257861451

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