Max im Glück

Jakob Arjounis neuester Held bringt ein schlechtes Gewissen auf mörderische Gedanken

Von Jörg von BilavskyRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jörg von Bilavsky

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ein BoWaLu, ein Sexomatenanzug oder ein Übersetzungscomputer für alle bekannten Sprachen. Das sind für gewöhnlich die Ingredienzien eines über und über technikverliebten Science-Fiction-Schinkens. In Jakob Arjounis neuestem Roman "Chez Max" sind diese Spielereien lediglich schmückendes Beiwerk. Mehr nicht. Auch dass im Jahre 2064 ein erdumspannender Zaun die Welt in eine politisch aufgeklärte und eine religiös abergläubische Zone trennt, ist Arjounis spekulativer Fabulierlust zuzuschreiben. Wer dahinter eine negative Utopie sehen mag, scheint für die heutigen Entwicklungen eher politisch blind zu sein.

Glaubwürdiger hingegen ist der nervenaufreibende Kleinkrieg zwischen Max Schwarzwald und Chen Wu, die als Pariser Polizeispitzel illegale Einwanderer, Drogenhändler, Betrüger oder Mörder dingfest machen, um die "euroasiatische Wertegemeinschaft" gegen terroristischen Feinde zu verteidigen. Zwar soll sich der Antagonismus zwischen der wohlanständigen und der verrohten Zone in dem Zweikampf der beiden spiegeln, doch letztlich läuft alles auf eine allzu menschliche Tragödie jenseits der politischen Verwerfungen hinaus.

Wortgewaltige und kleinlaute Helden

Hier der wortgewaltige Zyniker Chen, dort der kleinlaute Idealist Max. Hier der "Meistervorseher von Verbrechen", dort der Spitzel, dessen Aufklärungsquote gegen Null tendiert. Ein eindeutiges Ungleichgewicht der Talente, das Max mit Denunziation auszutarieren versucht. Denn Chen scheint im Verdacht zu stehen, Terroristen zu decken, womöglich sie sogar heimlich einzuschleusen. Maxens verdeckte Jagd auf den verhassten Partner beginnt. Doch beweisen kann er ihm trotz angestrengter Bespitzelung nichts. Alles Vermutungen und Verdächtigungen, die er Chen am Schluss vorhält und nur weitere Fragen aufwerfen. Doch die werden nicht mehr geklärt. Die Tragödie nimmt plötzlich eine wundersam positive Wendung.

Der kleinbürgerliche Fanatiker hat seine Pflicht getan. Selbst der Verrat an einem guten, allerdings kleinkriminellen Freund zu Beginn wird gesühnt. Alles, was er bis dahin getan hat, motivierte das schlechte Gewissen gegenüber dem Freund, der Gesellschaft und sich selbst. Am Ende schenkt ihm Arjouni ein gutes und erfolgreiches.

Das Ewig-Menschliche

"Happy Ending, Max" könnte es in Anspielung auf einen der Kayankaya-Krimis des Frankfurters heißen. Wobei der irritierende Schluss den Leser eher ratlos zurücklässt. So flüssig, schlagfertig und ironisch der Roman dahinströmt, verrät er doch wenig über die politische Gegenwart oder Zukunft. Er demonstriert uns höchstens, dass Charakterschwäche tödliche Folgen haben kann. Dass Neid, Zorn, Arroganz, Bitterkeit zu den Konstanten der menschlichen Natur gehören. Aber das ist fürwahr nichts Neues. Und diesen alten Einsichten vermag Arjouni leider keine neuen abzutrotzen.

Arjouni ist weder ein Science Fiction- noch ein subtiler Agentenroman oder gar ein Thriller gelungen. Natürlich weiß er als exzellenter Krimiautor Spannung aufzubauen, doch der Roman schwebt irgendwo zwischen den Gattungen. Das verleiht ihm keineswegs etwas Experimentelles, sondern eher etwas Vages, Unausgegorenes. Denn im Grunde könnte sich der Fall und Aufstieg von Max überall und zu jeder Zeit abspielen. Arjouni wandelt weder auf den Spuren des melancholischen Ray Bradbury noch auf den aberwitzigen eines Douglas Adams. Und auch von den subtil-grotesken Arrangements eines Philip K. Dick oder den düsteren Visionen eines George Orwell spürt man in diesen Zeilen nichts. "Chez Max" ist einfach ein netter Unterhaltungsroman. Leider nichts mehr, aber zum Glück auch nichts weniger.


Titelbild

Jakob Arjouni: Chez Max. Roman.
Diogenes Verlag, Zürich 2006.
223 Seiten, 18,90 EUR.
ISBN-10: 3257065361

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