Shakespeares Sonette - und kein Ende

Michael Mertes' Shakespeare-Übersetzung

Von Jürgen GutschRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jürgen Gutsch

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wir begrüßen die 69. Gesamtübersetzung der 154 Sonette William Shakespeares ins Deutsche seit Karl Lachmann im Jahr 1820 (Lachmann ließ freilich drei Gedichte aus dem Zyklus beiseite - wegen moralischer Bedenken, da haben wir uns inzwischen entspannt). Der Verleger Franz Schön in Bonn eröffnet mit einem handwerklich gut gelungenen Buch seine Verlagsproduktion mit Shakespeares Sonetten. Was mag noch auf uns zukommen, wenn nun, nach dem 300. Jahrestag, den Stefan George mit der Nummer 21 unter den deutschen Gesamt-Übersetzern besetzt hält, bald auch das 400. Jubiläum der Veröffentlichung von 1609 ansteht?

Der neue Übersetzer beschreibt sich als "Amateur im besten Sinn". Er ist aber beileibe kein Unbekannter. Es handelt sich um Michael Mertes, Jahrgang 1956, seit August 2006 Staatssekretär im nordrhein-westfälischen Kabinett von Jürgen Rüttgers, um einen Karriere-Juristen also. Es gab einmal einen andern Karriere-Juristen, Carlo Schmid (1896-1979), der saß im deutschen Bundestag und hatte doch Charles Baudelaires "Fleurs du mal" übersetzt (und manch anderes). Schwer vorstellbar, auch Angela Merkel, Roland Koch oder Edmund Stoiber hätten Puschkin-, Sartre- oder Mahfuz-Übersetzungen in ihren Schubladen. Wir müssen also Schmid und Mertes als besondere Glücksfälle betrachten, sie sind leider so gar nicht typisch für deutsche Verhältnisse.

Die Shakespeare-Sonette, jenes letzte Monument petrarkistischer Dichtkunst in Europa, verdienen darum unser besonderes Interesse, weil sie auf signifikante Weise das Ende eines poetischen Diskurses über 300 Jahre und zugleich den Beginn "moderner Lyrik" markieren - auch wenn dies erst in der Romantik, also nahezu zweihundert Jahre später (und dann auch noch mit Missverständnissen) langsam begriffen wurde. Seine Gedichte sind der Prototyp einer vielfältig argumentierenden, von unendlichen Bezügen lebenden, immer wieder aufs Neue - und immer wieder jeden Neuling - faszinierenden Dichtkunst, und dies eben nicht nur im relativ begrenzten poetologischen Regelwerk Francesco Petrarcas, sondern mit allen Freiheiten der Spät-Renaissance. Was sich nicht - beziehungsweise nur in einem kleinen Aspekt - geändert hat, ist die strengste Gedichtform, die die europäische Lyrikgeschichte seit Kaiser Friedrich II. kennt, das Sonett - auch Friedrich II. war übrigens ein schreibender Politiker, auch er Autor eines berühmten Buches - wenn auch nicht gerade ein Sonettist. Michael Mertes ist sich sicher: Das Sonett in seiner diskursiv-dialektischen Gestalt müssen Juristen am damaligen Kaiserhof in Unteritalien erfunden haben.

Mertes geht seine Aufgabe "naiv" an, das heißt zunächst ohne allen Kotau vor anglistischen Verhältnissen, und - wie es scheint - auch nicht vor sprachgewaltigen Vorgängern wie Gottlob Regis oder Stefan George. Das ist auch vollkommen richtig so - schon deshalb, weil die professionelle Anglistik an Übersetzungen ohnehin nicht mehr sonderlich interessiert ist, seit jedermann Englisch kann. Ein jüngeres Gegenbeispiel, Klaus Reicherts eigenartiger Versuch einer Prosa-Übersetzung der Sonette (siehe literaturkritik.de 6/2005) weist, wenn auch nur indirekt, eindrücklich auf das Problem hin, das die Anglistik mit dem literarischen Übersetzen nun hat, wenn, wie bei Reichert, das Metrisieren und Reimen schlicht verweigert wird. Das Übersetzen literarischer Werke ist darum mehr und mehr in die Hände entweder von hochprofessionellen literarischen Übersetzern wie Christa Schuenke gelangt, - oder eben, wie hier, in diejenigen hochmotivierter, begeisterter Amateure. Nicht die blasierte Kennerschaft, sondern die enthusiastische Entdeckerfreude von Pfarrerinnen, Architekten, Journalisten, Medizin-Professoren, Ärztinnen, Bibliothekaren, Musikern, Linguisten, Schauspielern, Computerfachfrauen, Lehrern, Verwaltungsbeamten, ja sogar Gärtnermeistern bringt heutzutage diese Sache voran. Auch professionelle Dichter (nach Stefan George und Paul Celan) spielen hier keine allzu große Rolle mehr; dies hat jüngst (2004) Wolf Biermann unter Beweis gestellt: Poetische Selbstbezogenheit und pathetisches Übertrumpfen-Wollen wird diesen Sonetten nicht gerecht (siehe literaturkritik.de 10/2004). Shakespeares Sonette, will man sie übersetzen, verlangen ein unendliches Pensum an liebender Beschäftigung, kritischer Verstandesleistung und bescheidener Anverwandlung.

Im Chor einer unentwegt fortgeschriebenen Rezeptions- und Wirkungsgeschichte ist das Deutsche der Sprache des Heimatlands der Sonette voraus. Denn jede neue Übersetzung erzwingt einen neuen Deutungsansatz, also auch ein neues Verständnis. Die Amateur-Übersetzer mögen die kritischen Ausgaben des Originaltextes von Booth, Kerrigan, Duncan-Jones, Vendler, Dover Wilson oder zwei Dutzend weiteren Exegeten neben sich auf den Schreibtischen liegen haben und daraus argumentieren, am Ende haben wir aber doch nicht nur einen neuen Kommentar, sondern auch eine konkrete neue Textgestalt vor uns. Hier gibt es dann keine Faxen mehr, und der neue Text hat für sich gerade zu stehen, er hat jedenfalls etwas Neues zu bieten. Er mag, wenn er dazu auch noch gut gelungen ist, sogar von der Sonne beschienen sein. Dieses Doppelglück des Verstehens und des Redens ist Michael Mertes beschieden.

Das Hauptcharakteristikum seiner Arbeit ist ihre einfache, "ungeschraubte", ja meist ganz und gar alltägliche Sprache. Solches herzustellen, ohne dabei ständig den Quelltext einzuebnen - das geschieht nur ganz selten - ist eine Leistung. Wenn etwa in Sonett 140 die Zeile steht "Verzweifl' ich nämlich, werd ich noch verrückt" (für "For, if I should despair, I should grow mad"), traut sich der Übersetzer etwas, das literarische Profis vielleicht verwerfen würden, denn dieses "... nämlich, werd ich noch verrückt" ist eben allzu modern-umgangssprachlich. Dies und anderes aber bringt unentwegt einen frischen Ton in den Text, der uns aus dem 19. Jahrhundert herausholt. (Die Frage, ob er uns auch zu Shakespeare zurückführt, muss offen bleiben, denn so genau wissen wir eben nicht, was Shakespeare da wirklich gedichtet hat.) Nimmt man das Couplet von Sonett 130 ("And yet by heaven I think my love as rare, / As any she belied with false compare"), über dessen Bedeutung viel gestritten wurde, so sehen wir, wie Mertes derlei hochelegant alltagssprachlich meistert: "Grad so find ich sie einzig auf der Welt: / Sie braucht kein Kompliment, wie's euch gefällt!" - und zitiert noch einen Shakespeare-Titel nebenbei. Ebenso geschickt in Sonett 131 "Tyrannenhaft, so ist dein Naturell" für "Thou art as tyrannous, so as thou art". Zum Vergleich: Welchen Umweg geht im Eingang dieses Sonetts da Stefan George ("Wie schönheit stolz wird und dann quält zum scherz...")! Besonders hübsch in Mertes' Übersetzung ist das erste Quartett von Sonett 96: "Some say thy fault is youth, some wantonness; / Some say thy grace is youth and gentle sport, / Both grace and faults are love of more and less: / Thou mak'st faults graces that to thee resort." Die elaborierte Sprache dieser Stelle schreibt Mertes zurück in: "Der mag nicht Deinen Leichtsinn, Deine Jugend, / Und jener mag gerade dies an Dir, / An Dir gefällt das Laster wie die Tugend - / Aus Makel zauberst Du Dir eine Zier." - Mertes' Lösung des wichtigen Sonetts 66 ist nicht nur Shakespeare-konform, sondern auch ein ansehnliches modernes deutsches Gedicht, - Wolf Biermann gelang allenfalls letzteres.

"All dessen müd, fleh ich den Tod herbei:
Verdienst zu sehn im Armenhaus erzogen
Und nacktes Nichts geputzt nach letztem Schrei
Und reinste Redlichkeit perfid betrogen
Und goldne Ehre schändlich falsch platziert
Und Mädchentugend in den Dreck gerissen
Und hohe Meisterschaft tief degradiert
Und Kraft durch lahmes Regiment verschlissen
Und Kunst von staatlicher Zensur geknebelt
Und Schwachsinn Chef der Qualifikation
Und schlichte Wahrheit als zu schlicht verpöbelt
Und Häftling Gut bei Hauptmann Schlecht in Fron.
All dessen müd, möchte ich gestorben sein,
Ließ' ich dann meine Liebe nicht allein."

Selbst Paul Celan ist nicht alles gelungen; manches gelingt dem neuen Übersetzer (wenn auch nicht nur ihm) besser. Die erste Zeile von Sonett 43 lautet bei Celan: "Mein Aug, wenns zu ist, siehts, wie's sonst nicht sieht". Das ist - von den Druckfehlern auch noch in der allerneuesten Ausgabe Wolfgang Kaußens abgesehen - rein klanglich kaum nachzusprechen. Mertes' Lösung: "Am besten sieht mein Auge tiefverdunkelt". Zwei Zeilen in Sonett 124 lauten "It fears no policy, that heretic, / Which works on leases of short-numbered hours"; Mertes gibt sie so wieder: "Sie fürchtet nicht das taktische Kalkül, / Das schnellen Vorteil nur im Auge hat". Das ist pragmatische Geschäftssprache der Moderne. Auch das ungenierte Benutzen von Fremdwörtern der Umgangssprache ("Und alter Gram wird wieder aktuell" aus Sonett 30) findet sich überall. Es findet sich Gottlob nicht das false-friends-Übersetzen englischer Wörter aus romanischer Herkunft durch etymologisch gleiche deutsche Fremdwörter nach dem Muster "actual/aktuell". Mag sein, dass solcher Shakespeare manchem Leser zu zeitgemäß formuliert ist (Zeile 8 in Sonett 4: "Nur rote Zahlen schuf dein Überfluss"); sicher erscheint aber, dass solche Shakespeare-Übersetzung wirklich Vermittlerdienste leistet.

Gelegentlich übertreibt Mertes in der freien, fast burschikosen Handhabung des Deutschen, etwa dann, wenn er auch die Mittel des Kalauers nicht verschmäht. Das Sonett 151 - berühmt geworden durch seine phallischen Deutlichkeiten (darum hat es Karl Lachmann mit den Will-Sonetten einst ausgegliedert) - wird von Mertes zwar hervorragend übersetzt, aber dann kann er am Ende doch der Versuchung nicht widerstehen, das Couplet so zu formulieren: "Nennt's nicht gewissenlos, ihr Leute alle, / Dass ich für meine Liebste steh und phalle!", so als habe sich der Dichter hier einen Freud'schen Verschreiber geleistet. Das subtilere "falle", als letztes Reimwort des Gedichts ohnehin beschwert, hätten jedenfalls die subtileren Leser schon richtig klangassoziiert, so werden sie ein wenig grob mit der Nase drauf gestoßen. Gelegentlich ordnet Mertes seinem Konzept der Alltagsrede auch metrische Regeln unter. Eine Tonbeugung wie in Zeile 5 von Sonett 4 dürfte es eigentlich nicht geben: "Was gehst du habgierig an die Substanz"; der Ton auf "ig" lässt sich ja kaum irgendwie rechtfertigen. Auch stört manchmal ein wenig die allzu selbstverständlich benutzte syntaktische Umstellung von Wörtern um des Metrums oder des Reimes willen. Das Couplet von Sonett 71 endet: "[...] Mit mir Dich hänseln, wenn ich fort muss gehn", wo es natürlich "fortgehn muss" heißen sollte, - also muss auch ein anderes Reimwort in der vorangehenden Zeile her. Aber dies sind nur Randbeobachtungen, die die eigentliche Leistung nicht gravierend herabsetzen.

Eins der schönsten Vergänglichkeitssonette Shakespeares, Sonett 73, das trotz des leicht durcheinandergeratenen Textes der Zeile 11 in der Erstausgabe 1609 noch die besondere Liebe eines jeden Übersetzers gefunden hat, stehe als weiteres Beispiel für Mertes' Übersetzergeschick:

"Den späten Herbst kannst du in mir besehen:
Die letzten gelben Blätter eingegangen
An Zweigen, die dem Frost kaum widerstehen,
Und Chorruinen, wo einst Vögel sangen.
In mir siehst Du den späten Tag sich neigen,
Das Dunkel in die graue Dämmrung dringen,
Die Nacht mit ihrer Schwärze langsam steigen
Und Todes Bruder, Schlaf, die Welt umschlingen.
In mir siehst Du die Glut von alten Bränden,
Gebettet auf die Asche bessrer Zeiten -
Ein Sterbelager, wo sie muss verenden,
Verzehrt vom Brennstoff eigner Lustbarkeiten.
Siehst Du all dies, wird's Deine Liebe steigern:
Denn was Du liebst, wird Tod Dir bald verweigern."

Die für Shakespeare zwar untypischen weiblichen, klingenden Kadenzen (dies ist der Regelfall im Italienischen, während das Englische naturgemäß die männliche, die stumpfe Kadenz bevorzugt; nur einmal, in Sonett 20, verfährt Shakespeare einmal genauso wie Mertes hier) wird mit Bedacht konsequent für alle Quartett-"Strophen" des Gedichts - und dann sogar noch für das Couplet - beibehalten. Das zeigt Mertes' verstechnische Nachdenklichkeit.

Ein Wort noch zu seinen ausführlichen Anmerkungen: Wie sein Text sich an moderner Sprachlichkeit orientiert, erläutert der Übersetzer seinen Gegenstand hier auch nicht im literarischen Expertenkreis, sondern von der Pike auf. Jeder Leser, und mag er vorher nicht einmal den Namen Shakespeare gekannt haben, wird sozusagen auf der Straße abgeholt, nicht in der Institutsbibliothek oder im Oberseminar. Das ist von großem didaktischen Wert. Überhaupt keine Rolle spielt es dabei, dass Mertes nicht immer die Speerspitze der Forschung reflektiert, ja sogar gelegentlich Standpunkte bezieht, die strittig sind (etwa bezüglich einiger theologischer Vermutungen). Mertes' Kommentar ist stets der Text eines klugen, äußerst belesenen, den Sonetten liebend verbundenen "Amateurs", dessen Darstellungen die Auseinandersetzung lohnen. Was ihm ohnehin gelingt, ist ein Einblick in die hochdifferenzierte Liebeskasuistik, die hier eröffnet ist, und die uns Heutigen ja in der Tat erklärt werden muss. "Shakespeares Sonette explorieren das Universum des Eros" beginnt Mertes seinen Kommentar. So ist es. Es handelt sich gleichsam um einen naturwissenschaftlichen Forschungsauftrag, den Shakespeare hier erfüllt, - wenn man nur "Natur" als das sieht, was sich beim poetischen Reden einstellt, ganz so wie es uns das berühmteste Sonett, das 18., deutlicht macht. Denn nicht "richtige" Natur ist gemeint.

"Vergleich ich Dich mit einem Sommertag?
Du hast mehr Reize, bist von Launen frei:
Im Mai noch Knospen friern beim Hagelschlag,
Und Sommers Frist geht allzu schnell vorbei.
Mal scheint das Sonnenauge viel zu heiß,
Mal wird sein Gold von Wolken weggedrückt;
Und Schönes wird stets unschön durch Verschleiß,
Von Zufall und Naturgewalt zerpflückt.
Dein Sommer aber bleibe ewig rein
Und frei vom Schatten, der Dein Licht entehrt.
Nie brüste sich der Tod, Dein Herr zu sein:
Im Vers bleibst du für immer unversehrt.
Solang noch Menschen atmen, Augen sehn,
Solang lebt dies Gedicht - und hält dich schön."

Dies und die poetologischen Folgen daraus im letzten Waffengang der petrarkistischen Lyrik, wenigstens die Krise, in die das Vergleichen, ja die gesamte Metaphorik gerät, muss einem modernen Leser erklärt werden, denn der ist in seiner lyrischen Vor-Erwartung geprägt durch Erlebnisdichtung, romantisches Empfinden und zahlreiche andere "Richtungen" wie etwa Ding-Lyrik, Ennui und Protest. Nichts davon bei Shakespeare; er ist und bleibt 400 Jahre von uns entfernt.

Mertes leistet diese Arbeit sachbezogen und beharrlich. Nicht nur wird jedes Sonett ausführlich erläutert, es gibt in mehreren Anhängen auch Schemata zur Einteilung des Zyklus, zahlreiche tabellarische Übersichten zur "Ontologie der Liebe", den "drei Stufen der Vergänglichkeit", zum "Augenmotiv", ja es gibt sogar ein Wörterbuch der erotischen Begriffe (auch wenn in dieser Liste da und dort leise Kritik angebracht wäre, und sei es nur die, dass in solchen Erläuterungen das "Oxford English Dictionary" - OED zitiert werden muss). Der Kommentar wird so auch zum Protokoll der eigenen Lerngeschichte mit diesen englischen Sonetten, das heißt: zu einem Werkstattbericht. Es gibt von Markus Marti (Uni Basel) ein ähnliches Kompendium von Hintergrund-Informationen zu den Shakespeare-Sonetten - unter Einschluss seiner eigenen kompletten Übersetzung aller 154 Stück; sie könnten mit Michael Mertes' Hinweisen in ein reizvolles Zwiegespräch treten.

Vieles in Mertes' umfangreichem Text mag auch etwas betulich sein, ja womöglich redselig, manches ist einfach überflüssig, da nur Paraphrase und Inhaltsangabe, weniges ist sogar falsch. Nur ein Beispiel dafür: Da lesen wir über Sonett 149: "Das ungewöhnliche Wort partake (Zeile 2) bedeutet so viel wie 'take part'; es meint hier primär 'sich auf jemandes Seite stellen' und sekundär 'mit jemandem schlafen'." Die erste Bemerkung dieses Satzes, das Wort sei ungewöhnlich, ist unzutreffend, jeder Besitzer eines "Advanced Learner's Dictionary" wird, wenn er es nicht ohnehin kennt, das Wort selbst und die hier vorliegende Bedeutung sofort auffinden, auch im modernen Englisch; die zweite Bemerkung ist schlicht falsch; "partake" hat - nach Auskunft des OED - zu keiner Zeit "mit jemandem schlafen" bedeutet, ja nicht einmal "bei jemandem schlafen", sondern nur "bei jemandem Speise und Trank zu sich nehmen". - Manche Deutungen des Kommentars legen auch eher fest, als dass sie auf die Vielzahl der noch möglichen weiteren Deutungen aufmerksam machen. In all solchen Fällen wäre also vielleicht für kommende Auflagen etwas mehr Zurückhaltung anzuraten, auch wenn in der Hand eines erfahrenen Lesers diese kleineren Mängel bereits jetzt leicht beherrschbar sind.

Hätte man die Shakespeare-Sonette in einem Kollegstufen-Kurs oder in einem Proseminar zu behandeln, könnte man jedenfalls zu keiner passenderen Textgrundlage greifen. Sie bietet dem Anfänger alles, was er auf dem Weg zum eigenen Verständnis benötigt.

Arnold Stadlers Nachwort, das mit Michael Mertes' Arbeit eigentlich wenig zu tun hat, ist ein poetischer Essay zum Thema, der gesondert betrachtet werden müsste, - jedenfalls nicht viel zur hier besprochenen Sache beiträgt.


Titelbild

Du, meine Rose, bist das All für mich. Die Sonette von William Shakespeare.
Mit einem Nachwort von Arnold Stadler. Mit einem Frontispiz von Egbert Verbeek. Kommentiert von Michael Mertes.
Übersetzt aus dem Englischen von Michael Mertes.
Verlag Franz Schön, Bonn 2006.
296 Seiten, 29,90 EUR.
ISBN-10: 3981115406

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