Hering und billiges Parfüm

Martin Klugers Erzählungen "Der Koch, der nicht ganz richtig war"

Von Peter MohrRSS-Newsfeed neuer Artikel von Peter Mohr

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Ein Koch, der nicht ganz richtig war, trat meiner Tante zu nahe. Sie wich einen Schritt zurück. Da biss meine bedrängte Tante herzhaft in seine Hand, und die schmeckte nach Hering und billigem Parfüm." So leitet Martin Kluger die Titelgeschichte seines sieben Erzählungen umfassenden Bandes ein. Amüsant und komisch arrangiert der als Drehbuchschreiber für Kino und Fernsehen erfahrene Autor seine historischen Anekdoten, die er behutsam in wechselnde historische Kontexte einbettet und von Berlin über Gleiwitz nach Montevideo hin- und herspringen lässt.

Der 58-jährige Martin Kluger, der zuletzt mit seinen Romanen "Abwesende Tiere" (2002) und "Die Gehilfin" (2006) auf ein nachhaltiges Echo stieß, beschreibt in seinen Texten Figuren, die aus der Zeit gefallen sind - "versprengte Charaktere", wie er sie selbst in einem Interview bezeichnete.

Schon mit den Namen seiner Protagonisten setzt Kluger ein deutliches Zeichen. Wer Ludovico Weintraub, Gershon Schwander, Graf Leopold Friedrich Suleiman Hagendorn oder Renaldo Redondo Gomez heißt, dessen Vita muss beinahe zwangsläufig einen Hauch Exotik implizieren. Kleine Tragikomödien verbergen sich hinter den Erzählungen.

So muss etwa der hartnäckige Koch aus der Titelgeschichte miterleben, wie die umworbene Frenzi vom Dichter Gershon Schwander ein Kind bekommt. Und diese Miriam war das "erste Kind und das letzte, das im Alten Land mit einem Schopf schwarzer Locken zur Welt kam. Ein paar Sommersprossen des Dichters Schwander tanzten um ihre mosaische Nase."

Martin Klugers Affinität zu altertümlich-gedrechselten Formulierungen zieht sich wie ein roter Faden durch die Texte - gerade so, als wolle er den Geschichten einen märchenhaft-antiquierten Odem verleihen. Jener Schwander stirbt in Montevideo und fühlt sich durch seine Urgroßnichte Djuna in seinen letzten Tagen noch einmal an die Krankenschwester Frenzi erinnert. Djuna Weintraub geht dann als blutjunges Mädchen den umgekehrten Weg - von Montevideo nach Berlin. Dort landet sie (wie von Geisterhand gesteuert) an der Seite des kauzigen Arztes Felix Saab - ein Greis, der im Stadtteil Steglitz ein trauriges Eremitendasein führt und dessen Frau freiwillig aus dem Leben schied. "Europäische Zeitungen aus vier oder fünf Jahrzehnten bildeten die Berge in diesem Zimmer, Briefe aus fünf oder sechs Jahrzehnten die Täler", so die Beschreibung von Felix' Sohn.

Martin Klugers Figuren sind liebenswerte Sonderlinge, die sich Nischen am Rand der Gesellschaft eingerichtet haben, oder durch den Lauf der Geschichte zugewiesen bekamen. Sie wirken merkwürdig fremd, mit einer Patina überzogen, wie Ausstellungsstücke aus einer fernen Zeit. Diese Erzählungen erinnern an historische Schwarz-Weiß-Streifen aus den Anfängen des Films, und aus dem Hintergrund hören wir die kunstvoll arrangierten Worte des Kinoerzählers Martin Kluger.


Titelbild

Martin Kluger: Der Koch, der nicht ganz richtig war. Geschichten.
DuMont Buchverlag, Köln 2006.
150 Seiten, 17,90 EUR.
ISBN-10: 3832178538

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