Ein Puzzle mit 28 Frauen

Dietmar Griesers Porträtgalerie "Alle meine Frauen"

Von Waldemar JagodzinskiRSS-Newsfeed neuer Artikel von Waldemar Jagodzinski

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Dem Titel des neuesten Buches des literarischen Spurensuchers aus Österreich wäre zu entnehmen, dass Dietmar Grieser diesmal sein Metier aufgegeben hat, um über seine erotischen Erfahrungen mit Frauen zu erzählen. Doch in ,,Alle meine Frauen" geht es um Frauen, die auf den Schriftsteller einen großen Einfluss hatten, jedoch nicht in der sexuellen Sphäre, sondern in der kulturellen. Grieser erzählt von den Frauen, denen er sowohl persönlich begegnet ist, als auch von denen, die er ,nur' aus der Literatur, aus der Musik, aus Werken der bildenden Kunst oder von der Filmleinwand her kennt. Demzufolge erwartet den Leser eine literarische Porträtgalerie, in der neben solchen bekannten Personen wie Caterina Valente, Giulietta Masina oder Alja Rachmanowa auch weniger bekannte auftreten wie etwa die aus Serbien kommende Nika, die mit dem Autor eine Zeit lang in demselben Haus in Wien wohnte oder Erika F., eine der Leserinnen, mit der Grieser bis zu ihrem Tod in Kontakt stand.

Das Buch ist darüber hinaus nicht nur lebendigen Frauen gewidmet, sondern auch denjenigen aus dem künstlerischen Bereich. So finden die Malereiliebhaber etwas für sich im Kapitel über das Schokoladenmädchen, oder - dem Titel des Originals getreu bleibend - über "Belle Chocolatierre", einem Bild von Jean Etienne Liotard. In diesem Kapitel kommt wieder der detektivische Scharfsinn des Autors (wie in seinen früheren Sachbüchern über die Schauplätze der Literatur und die Urbilder der literarischen Figuren) zum Ausdruck - er versucht nämlich, die Identität des Liotard-Modells zu erforschen. Genauer gesagt, er stellt die bisherigen Ergebnisse der Forschung nach dem malerischen Vorbild dar.

Für die an der kirchlichen Kunst Interessierten, wird das Kapitel über die Dienstbotenmadonna erhellend sein, in dem man Interessantes über die Statue aus dem Wiener Stephansdom lesen kann.

Besonders empfehlenswert scheint dieses Buch für alle Grieser-Fans zu sein, die das autobiografische Werk mit dem Titel ,,Alle Wege führen nach Wien" gelesen haben und noch etwas Neues über den Lebenslauf Griesers erfahren möchten. Denn jede Frau hat in einer bestimmten Phase seines Lebens eine wichtige Rolle gespielt. Demzufolge könnte man dieses Buch als unterhaltsames Puzzle mit 28 Frauen bezeichnen, dass sich zusammenzusetzen lohnt.


Titelbild

Dietmar Grieser: Alle meine Frauen. Eine Porträtgalerie.
Residenz Verlag, Salzburg 2006.
254 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-10: 3701714460

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