Für den Abendbedarf

Volker Backes erzählt in "Schnelle Biere" Geschichten "aus dem Leben".

Von Lino WiragRSS-Newsfeed neuer Artikel von Lino Wirag

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Was soll der Rezensent mit einem Buch anfangen, über das es im Klappentext heißt, der Autor schriebe "Episoden aus dem Leben, leicht überspitzt, doch immer wahr"? Und in dem genau das drin ist? Der liebenswerte Verbrecher Verlag hat sich mit "Schnelle Biere" von Volker Backes (Jahrgang 1966) keinen wirklichen Gefallen getan.

Erst war der Band mit "Glossen" untertitelt (so bei Amazon), dann jedoch mit "Geschichten" (so auf der Verlagsseite). Beide Untertitel sind nicht optimal gewählt: Die "Glosse" ist in den letzten Jahren so weit aufgeweicht worden, dass damit von der Kolumne bis zur Rezension alle (kleinen) journalistischen Formen bezeichnet werden können; echte Trennschärfe bietet aber auch der Begriff der "Geschichte" nicht an - es sei denn, man fasst sie so einfach wie möglich: nämlich als etwas, das der Autor erlebt hat.

Damit kommen wir Backes "Bieren" schon ziemlich nahe:

",Was machst du da?'
,Ich sauge.'
,Mitten in der Nacht? Es ist drei Uhr!'
,Staub kennt keine Tageszeiten.'
,Du hast Staub unter der Zimmerdecke?'
,Wenn du nie bei der Bundeswehr gewesen bist, ahnst du gar nicht, wo Staub überall vorkommt.'
,Und warum trägst du dicke Handschuhe?
,Stauballergie.'
,Ach so. Ich dachte schon, du saugst eine Spinne weg. Das bringt nämlich gar nichts, die krabbeln aus dem Sauger einfach wieder raus.'

Als Larissa sich in ihr Zimmer zurückgezogen hatte, holte ich aus der Küche anderthalb Kilo Mehl und jagte sie in den Sauger, der Spinne hinterher. Sollte sie das auch noch überlebt haben, könnte ich immerhin ihre Spur verfolgen."

So spinnefeind geht es also in einer der ersten "Geschichten" ("Spiderman 2") zu. Klar, dass in den folgenden Texten auch über Tanten räsoniert wird, das Auto hängenbleibt, der Rechner hops geht oder halt einfach männlich gebolzt wird - und kein Ich-Erzähler schiebt sich zwischen Autor und Leser, nein: The text is the message. "Volker" bleibt Volker.

Was kann der Autor? Einen Hauch von Post-Pop vermitteln, eine Liste von Plattentiteln erstellen und eine "Adoleszenz in fünf Liedern" komponieren, die bei junggebliebenen, urbanen Enddreißigern ein hosenwarmes Gefühl von Nostalgie heraufbeschwören dürfte, alle 08/15-jährigen Leser aber nur noch schwer erreichen kann.

Und dann bricht Backes auch noch eine Lanze für die Lyrik:

"Schnelle Biere
Samstag Abend
nach dem Essen
war lecker gewesen
die Frau sagt
laß uns doch noch rausgehen auf ein schnelles Bier
prima, denk ich
prima, sag ich
und lenke unsern Weg
in den Club
der war ein enger
und auch tiefer
weil im Keller
und auch weiter
weil in Enger
dort ein Sänger
wohnt in Hamburg
kommt aus Brake
Text und Stimme
direkt ins Herz
nach zwei Minuten
das Bier schon leer
ich bin durstig
das nächste flugs noch hinterher
wie verdunstet [...]".

Wer da mit den Achseln zuckt, dem hilft zweifellos die Information, dass der Autor Mitglied der Lesebühnen "Zirkeltraining" und "Sitzen 73" ist, wo er seine Texte regelmäßig vorliest; was erklären dürfte, warum viele seiner Geschichten so wirken, als wären sie bloß für einen solchen Abendbedarf geschrieben worden. Das bedeutet leider auch eine schwächelnde Form zugunsten eines authentisch-plauderhaften Inhalts. Rezensions-Kollege "Hans Mentz" vom Satireblatt "Titanic" fasst das weitaus zynischer zusammen: "Das thematische Spektrum einer Frauenillustrierten ist's, das mittlerweile einen Szene-Leseabend füllt."

Gelungen dagegen sind die Passagen, in denen der Text sich nicht auf Nacherzähltes verlässt, sondern sich an die Stilparodie wagt, so in "Zweimal ein Samstag in Deutschland - unter besonderer Berücksichtigung von Rosamunde Pilcher einerseits und Sibylle Berg andererseits". Hier setzt Backes wirkungsvolle (und komische) Kontraste - hic Pilcher ("Ich werde geweckt vom fröhlichen Gezwitscher eines eifrigen Frühlingsboten. Ein Singvogel tiriliert und animiert mein linkes Augenlid dazu, sich langsam zu heben."), hic Berg ("Wache davon auf, dass ein pelziges Untier, das sich ausschließlich von Müll und Fäkalien ernährt, auf meiner Zunge Platz genommen hat.").

Und funkelnd fast - weil unpersönlicher und mit mehr humoristischer Fallhöhe - ist der Erlebnisbericht über einen Vernissagebesuch (mit "themengebundenem Essen"), bei der sich Erzähler und Freundesschar an einen sichtlich desinteressierten Jeff Koons heranmachen, um dessen Autogramm als Plattencover zu verwenden ("I play in a band and we recorded a cd and I've got a piece of paper and I thought you ...".) Daran scheitern sie aber ebenso wie an einer genausowenig unterschriftsbereiten Gloria von Thurn und Taxis.

Volker Backes will wohl auch gar nicht mehr, als (seine) Geschichtenn erzählen, kumpelig und manchmal auch etwas unbedarft. Na dann. Ist auch okay.


Titelbild

Volker Backes: Schnelle Biere. Glossen.
Verbrecher Verlag, Berlin 2006.
121 Seiten, 13,00 EUR.
ISBN-10: 3935843690

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