Eine Reise nach Absurdistan

Heiko Wolz' wilde Fahrt durch eine Kindheit

Von Hans Peter RoentgenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Hans Peter Roentgen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Im Oktober besorgte Dad die Kanone. Ich hatte nach dem Vorfall mit dem Hummer fünf Tage im Krankenhaus gelegen, und Dad hätte mich am liebsten schon nach meiner Entlassung in die Todeskugel gesteckt, aber der Reporter der Times hatte ihn auf Anfang November vertröstet."

Vierzehn ist Jakob, der Sohn des Guiness McGhee, eines Mannes, der ständig Weltrekordversuche unternimmt und der Anwältin Rachel, die alles und jeden verklagen möchte. Dass in dem kleinen Vorort von Boston, in dem sie wohnen, Antilopen frei herumlaufen und ein Elefant sein Unwesen treibt, ist auf eine ihrer Aktionen zurückzuführen.

Auch sonst bietet das Leben so manche Überraschung. Dass Guiness, der begnadete Prothesenfußballspieler, seinem Sohn mit einem Schuss zwei Rippen bricht, zum Beispiel. Da darf man nicht zimperlich sein. Aber seinen eigenen Weg zu finden, wenn der eigene Vater einen übers Haus schießt, ist nun mal nicht einfach. Nur gut, dass dann doch noch der Elefant vorbeikommt...

Es ist ein wundervoll skurriles Buch, absurd und dennoch ernsthaft, vor allem aber: Fesselnd bis zur letzten Seite - Wolz bietet dem Leser auf einer Seite mehr Einfälle als manch anderer Autor in einem ganzen Buch. Dennoch sind seine Einfälle nie albern, seine Witze nicht platt, schenkelklopfenden Bruhaha-Humor sucht man vergeblich. Dafür leben die Figuren, und bei allem absurden Witz kommen sie dem Leser doch glaubwürdig vor.

Mit John Irving vergleicht ihn der Verlag. Solche Vergleiche wecken Misstrauen, weil jeder weiß, dass damit Verlage fragwürdige Bücher pushen wollen. Auch in diesem Fall ist der Vergleich sicher zu hochgegriffen, vor allem aber daneben, weil Wolz durchaus anders - und auch kürzer! - schreibt, aber gemeinsam mit dem berühmten Vorbild sind ihm seine Leidenschaft, die alltäglichen Katastrophen und die Fähigkeit, die Irrwitze der Mitmenschen nicht zu psychologisieren, sondern sie im wahrsten Sinne des Wortes Realität werden zu lassen.

Der junge Addita Verlag unterstreicht mit diesem Buch jedenfalls wirkungsvoll seinen Anspruch, frischen Wind in die deutsche Buchszene zu bringen. Man kann "Spinnerkind" nur wünschen, dass es möglichst viele wahrnehmen mögen, denn es lohnt sich. Wer sagt da noch, deutsche Autoren hätten keine Phantasie? Wolz lehrt uns das Gegenteil.


Titelbild

Heiko Wolz: Spinnerkind. Die wundersame Welt des jungen Jakob McGhee.
Addita Verlag, Tawern 2007.
176 Seiten, 8,90 EUR.
ISBN-13: 9783939481010

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