Exekution gefällig?

Massimo Carlotto präsentiert mit seinem Roman "Arrivederci amore, ciao" einen bösen und nihilistischen Pulp-Krimi

Von Thomas BlumRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Blum

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Welt ist keine Puppenstube, das weiß man. Aber Herr Pellegrini geht mit einer ganz besonderen Abgeklärtheit und Gelassenheit an alle Dinge, die er mit der entsprechenden Gewaltanwendung zu handhaben gedenkt: "Der Genickschuss hat etwas Feierliches, wie ein Gerichtsurteil. Er ist Gerechtigkeit."

Jede Art Skrupel, moralische Bedenken, Mitgefühl oder gar Zuneigung für andere kennt er nicht. Mordpläne schmiedet er mit derselben Nonchalance und Ungerührtheit, mit der andere Kreuzworträtsel lösen: "Während ich an den Hummerschalen lutschte, überlegte ich, wie ich sie umbringen könnte." (Eine Frau, nicht die Hummerschalen.) Mittags überlegt er, wie wohl am besten der Aasgeruch zu vermeiden sei, den die geplante Leichengrube verströmen würde, abends nimmt er einen gepflegten Aperitif. Auch über seine Lieblingstechnik beim Töten, die des Genickschusses, spricht er, als belehre er einen über die Reinhaltung der Küchengeräte beim Kochen: "Bei so etwas ist die einfachste, schnellste und sauberste Lösung immer die beste. Die Kugel zerstört das Gehirn [...]. Der ganze Sabber, Blut, Knochensplitter und Hirnmasse, spritzt exakt auf der dem Einschuss gegenüberliegenden Seite hinaus."

Massimo Carlotto ist heute ein bekannter Krimiautor Italiens. Früher war er Mitglied der militanten linken Gruppe "Lotta Continua". Sein neuer Roman erzählt die Geschichte des einst linken, mittlerweile desillusionierten Terroristen Giorgo Pellegrini, der irgendwann beschlossen hat, dass ihm die "gerechte Sache" mittlerweile "scheißegal" sei. Stattdessen hat er sich in den Kopf gesetzt, reich zu werden.

Nachdem er seinen Genossen und ehemaligen Mitstreiter ohne jede Gefühlsregung mit einem Genickschuss hingerichtet hat, interessiert er sich vor allem für die Qualität des Ergebnisses: "Ein rotes Einschussloch. Perfekt. Die Kugel hatte beim Austritt aus der Stirn eine ausgefranste, klaffende Wunde hinterlassen."

Als er, nicht ohne seine ehemaligen Mitkämpfer an die Polizei verraten zu haben, aus dem Gefängnis entlassen wird, macht er sich eine im Grunde vernünftige Lebenseinstellung zu eigen: "Ich wollte mir eine Arbeit suchen, aber mir wurde klar, dass das kein gangbarer Weg war, sonst wäre ich für immer und ewig am Arsch gewesen." Er beginnt, in einem Nachtlokal zu arbeiten und seinen Chef zu betrügen: "Ein bisschen Fantasie und Initiative, Tatkraft und vor allem keine Angst, den Nächsten in den Arsch zu ficken. Besonders den Staat und seine Scheißsteuern." Als Pellegrini schließlich in dem korrupten Polizisten Anedda sein Alter Ego und einen idealen Partner für ein Verbrechen im großen Stil findet, freut er sich, jemanden getroffen zu haben, der ihm ähnlich ist: "Ich hatte das Gefühl, ihm über den Weg trauen zu können. Irgendwas hatte er an sich, was mich glauben machte, er sei innerlich verfault. Nicht nur korrupt. Verfault. Genau der richtige Verbündete."

Gemeinsam planen sie einen Überfall auf einen Geldtransport, der sie beide reich machen soll. Dazu bedienen sie sich einiger Outlaws und zweier Scharfschützen, die aus der Ferne die Wachleute erschießen sollen: "Die beiden Wachmänner würden umkippen wie die Ochsen beim Schlachter."

Der große Coup gelingt, doch alle an dem Raubüberfall Beteiligten werden natürlich in der Folge von Pellegrini und Anedda erschossen oder erschlagen, denn schließlich haben die beiden nicht die Absicht, die Beute mit den Anderen zu teilen. Eigentlich wollen sich alle gegenseitig abmurksen, doch die einzige Sorge unseres Helden bleibt die, dass "das Geld mit Blut befleckt [werden] oder eine Ladung Schrot abbekommen" könnte. Und das wäre ja wirklich schlimm.

Später wird Pellegrini ein "neues Leben" als Betreiber eines Luxusrestaurants und im "Kreditgeschäft" beginnen, und zwar mit Hilfe eines korrupten Anwalts, der ihm sein Geld wäscht und einen "ehrbaren Mann" aus ihm macht, in einer bürgerlichen Kleinstadt, in der Verbrechen, Politik und wohlhabendes Bürgertum eine Symbiose eingegangen sind und in der es nicht weniger verlogen zugeht als in der Welt, aus der Pellegrini kommt.

Es ist eine moderne Heldengeschichte, die man hier liest, handelt es sich bei unserem Protagonisten, der auf seinem Weg zum Reichtum und in die angesehene Gesellschaft bedenkenlos eingeschlagene Schädel und jede Menge Blutspritzer an Zimmerwänden hinterlässt, doch gewissermaßen um eine Identifikationsfigur - wenn auch um eine der besonderen Art. Was uns an dieser angenehm skrupellosen Person imponiert, einem Killer, der um seines eigenen Vorteils willen seine Mutter bei lebendigem Leib an ein zähnefletschendes Raubtier verfüttern würde, ist seine geradezu erfrischende und bedingungslose Aufrichtigkeit im Erzählen, mit der er den Leser an seiner moralischen Verworfenheit teilhaben lässt: "Ich klopfte ihm freundschaftlich lächelnd auf die Schulter und freute mich schon darauf, ihn abzuknallen."

Frauen sind dazu da, verachtet, ausgenutzt, belogen, verkauft, geschlagen und vergewaltigt zu werden: "Sie war unerträglich. Es würde mir ein Vergnügen sein, sie abzuknallen." Sein Frauenbild ist darüber hinaus, sagen wir, eindimensional: "Sie war liebevoll, zuvorkommend und ging einem nicht auf die Eier. Und sie war fleißig im Haushalt. Ich war gern mit ihr zusammen. Sie stopfte die Löcher in meinem Leben."

Ein Kniff des Autors und seines freimütig die eigene Gewissenlosigkeit nach außen kehrenden Erzählers ist die Ich-Perspektive: Hier redet ein narzisstisches, egoistisches, verlogenes, gewalttätiges, von sich selbst und der eigenen Gemeinheit begeistertes, aber zugleich rührend ehrliches Arschloch. Und auf eine sonderbare Art gefällt einem das: Ist man selbst nicht auch so? Wenigstens ein kleines bisschen? Beißt man nicht selbst auch herzhaft in sein Schnitzel und denkt sich dabei: Ja, dieses geistlose Lebewesen wurde mit einem Bolzenschussgerät hingestreckt, aber das ist mir scheißegal, denn mir schmeckt's gerade!

Geredet wird gern von "Scheißdreck" und von "Ficks". Brechende Knochen "knacken wie ein trockener Ast", Geschosse dringen durch Körper "wie ein Messer durch ein Stück weiche Butter". Die lakonische, kalte Sprech- und Erzählweise, die Carlotto seinem Ich-Erzähler in den Mund legt, ist ähnlich wie beim Pulp-Stil Spillanes - knappe, aussagekräftige Schilderungen, die den Plot vorantreiben, hie und da eine kurze Dialogpassage - ein trockenes, schnelles Erzählen, das den Leser mit einer dichten, raschen Abfolge von Ereignissen in den Bann ziehen will.

Und doch kann der Roman auch als eine in die Form eines Pulp-Krimis gebrachte Parabel auf die Funktionsweise der kapitalistischen Gesellschaft verstanden werden: Wo die Hinterziehung von Geld, die Erniedrigung anderer, Korruption, Erpressung, Raub, Betrug, Menschenhandel und Verrat das alltägliche Geschäft sind, das von allen betrieben wird, ist die Frage danach, was kriminell ist, eine reine Definitionsfrage, die freilich von denen beantwortet wird, die im Besitz der Macht sind.

Die Polizei, das Gesetz, die Hüter der gesellschaftlichen Ordnung, das Bürgertum - sie alle bedienen sich derselben Mittel wie die, von denen behauptet wird, sie bedrohten dieses soziale Regelsystem: Mörder, Diebe, Gangster. Nur tun sie es geschickt unter Aufrechterhaltung der Fassade der bürgerlichen Ordnung, innerhalb der sie sich erfolgreich etabliert haben, während die anderen, die so genannten Verbrecher, in Ermangelung zur Verfügung stehender Alternativen unter Anwendung offener Gewalt versuchen, an genügend Kapital zu kommen, um innerhalb dieser Ordnung aufzusteigen und selbst zum Bürger zu werden.

Vielleicht kann ja jemand mal Martin Scorsese diesen "bösen und nihilistischen" (London Review of Books) modernen Groschenroman zuschicken.

Anmerkung der Redaktion: Dieser Text erschien bereits in der Jungle World Nr. 12 vom 21. März 2007. Wir danken dem Autor für die Publikationsgenehmigung.


Titelbild

Massimo Carlotto (Hg.): Arrivederci amore, mio.
Übersetzt aus dem Italienischen von Hinrich Schmidt-Henkel#.
Tropen Verlag, Köln 2007.
192 Seiten, 18,80 EUR.
ISBN-13: 9783932170942

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