Von Hlubocepy nach Australien und zurück

Eduard Bass erzählt in "Klapperzahns Wunderelf" eine Fußballgeschichte nicht nur für kleine und große Jungen

Von Volker StrebelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Volker Strebel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Geschichte beginnt ganz in der Tradition eines arglosen Märchens: "Es war einmal ein armer Häusler, der hieß Klapperzahn und hatte elf Söhne. In seiner Armut wußte er nicht, was er mit ihnen anfangen sollte. Deshalb machte er aus ihnen eine Fußballmannschaft".

Jedes Kind in der Tschechischen Republik kennt die sich anschließende Geschichte der erstmals 1922 in Prag erschienenen Erzählung von den Klapperzähnen, die durch ihren zielstrebigen Vater nach allen Regeln der Fußballkunst getrimmt werden. Über drei Jahre absolvieren die elf Jungen ein gewaltiges Pensum. Nach dieser Vorbereitung organisiert sich der alte Klapperzahn in Prag eine Bestätigung vom Mittelböhmischen Fußballverband, so dass die "Klapperzahn-Elf" in die dritte Klasse aufgenommen wird. Das erste Spiel um die Meisterschaft gegen Hlubocepy endet Neununddreißig zu Null für die Klapperzahn-Elf. Ein unaufhaltsamer Aufstieg nimmt seinen Lauf: nach der zweiten Klasse folgt die landesweite Meisterschaft der ersten Klasse. Die planmäßig durchtrainierte Mannschaft der elf Brüder eilt fortan in Europa von Erfolg zu Erfolg, und selbst der Traum von der Weltmeisterschaft wird wahr.

Die Welt wird von den Klapperzähnen als Herausforderung angenommen, nicht als Feind. Dem böhmischen Topos der Idylle, eingekapselt zwischen Kultur und Natur, wird hier eine neue Weltläufigkeit, die sich aber nicht im Mondänen verliert, hinzugefügt. Der alte Klapperzahn spricht den englischen König somit auch untertänigst mit "Eure anglische Majestät, Herr König" an und den Häuptling jener Wilden, deren Gefangene die Klapperzähne werden, nachdem ihr Schiff gekentert ist, begrüßt der Alte mit "Eure menschenfresserische Majestät, Herr König".

Es ist überhaupt der alte Klapperzahn, dessen liebenswert verschrobene Persönlichkeit am ausführlichsten charakterisiert wird. Für seine Frau und auch die elf Söhne bleibt wenig Raum, sie treten als Mannschaft mit ausgeprägtem Familiensinn auf und darin verbirgt sich ihr Geheimnis: "die Überlegenheit an Seele und Gefühl, die unbedingte und uneigennützige Hingabe, in der einer dem anderen beistand, die wahre, echte Brüderlichkeit". Und wenn sich neue Hindernisse in den Weg stellen, gibt es ja den knorrigen Alten mit seiner ewigen Pfeifenschmaucherei, dem immer noch gerade rechtzeitig eine pfiffige Lösung einfällt.

Die erste Niederlage kommt für alle völlig überraschend und unvorbereitet - sie findet auch nicht auf dem Spielfeld statt. Der sommersprossige Junge, der den Klapperzähnen überlegen ist, würde in der heutigen Fußballwelt ständig seinen Sieg davontragen. Aber die Zeiten haben sich geändert!

Eduard Bass (1888-1946) wurde unter dem Namen Eduard Schmidt geboren. Seine deutschböhmische Herkunft bildete für ihn kein Hindernis, sich ausdrücklich zur Demokratie der ersten tschechoslowakischen Republik zu bekennen. Er war in den Prager 1910er- und 20er-Jahren vor allem als Kabarettist, Sänger und Rezitator tätig, tat sich aber auch als engagierter Journalist hervor. Seine Romanchronik "Zirkus Humberto" aber auch manche seiner Chansonverse sind in der Tschechischen Republik heute noch bekannt und populär. Seine deutsche Abstammung hatte ihn nicht gehindert, als tschechischer Schriftsteller große Erfolge zu erleben. Auch in "Klapperzahns Wunderelf" finden sich Anspielungen eines bescheidenen, aber selbstbewussten Stolzes auf die neue, erst 1919 gegründete Tschechoslowakische Republik. Der Sportreporter in Australien beschreibt "die phänomenale Mannschaft der Klapperzähne im weißen Dress mit jener seltsamen Trikolore der Tschechoslowaken auf der linken Brustseite".

Die liebevolle Gestaltung dieses Büchleins kann sich sehen lassen: neben Zeichnungen von Josef Capek, der im letzten Kriegsjahr 1945 im KZ Bergen-Belsen ums Leben kam, hebt sich die Umschlaggestaltung von Walter Trier (1890-1951) hervor. Ein Nachwort und kundige Anmerkungen von Stefan Zwicker, sowie ein kenntnisreicher Kommentar von Christoph Haacker geben Auskunft über das Schicksal eines tschechischen Erfolgsbuches. Haacker skizziert an Beispielen das Scheitern der bisherigen Übersetzungen ins Deutsche. Die deutsche Erstausgabe erschien 1935 in Wien und Leipzig, eine Nachkriegsausgabe 1958 in Ostberlin.

Die vorliegende neue und erstmals vollständige Übersetzung bürgt für eine lustige Fußballgeschichte voll hintergründigem Humor.


Kein Bild

Eduard Bass: Klapperzahns Wunderelf.
Illustriert von Josef Capek, herausgegeben und mit einem Nachwort von Stefan Zwicker.
Übersetzt aus dem dem Tschechischen von Thomas Herbert Mandl, Daniela Pusch und Christoph Haacker.
Arco Verlag, Wuppertal 2007.
170 Seiten, 16,00 EUR.
ISBN-13: 9783938375143

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch