Gestohlene Lebenszeit

John Dunnings Roman "Das Geheimnis des Buchhändlers" verläppert eine spannende Geschichte

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das hört sich ja spannend an: Das Geheimnis des Buchhändlers. Aber leider: So ein großes Geheimnis ist das auch wieder nicht. Und vor allem ist es nicht das Geheimnis des Buchhändlers, sondern das der alten Dame. Oder Richard Burtons. Und es ist auch gar kein Buchhändler, sondern ein Antiquar. Aber das kommt eben davon, wenn man einen möglichst reißerisch-"geheimnisvollen" Titel für sein Buch haben will, statt das hübsche "The Bookman's Promise" zu übersetzen. Dann geht alles ein bisschen schief.

Schief geht das ganze Buch. Dabei hat es doch ein paar spannende und passende Zutaten. Die Suche nach verschollenen Texten, nach seltenen Manuskripten - das ist doch immer eine passende archäologisch-detektivische Sache. Wenn dann der Autor noch eine ganz aufregende, enigmatische und abenteuerliche Gestalt ist wie der Forscher, Spion und Übersetzer Richard Burton, der Indien, Afrika und Amerika bereiste und die Märchen aus 1001 Nacht übersetzte - dann kann es so richtig reizvoll werden. Leider jedoch nicht so bei John Dunning.

Der Autor macht aus den aufregenden Details, den vielen interessanten Geschichten aus Historie und Gegenwart einen dicken Krimi, der halbwegs spannend anfängt und sich dann immer weiter und schwerer verläppert. Cliff Janeway war früher einmal Polizist und ist jetzt Antiquar in Denver. Zufällig hat er sich für viel Geld ein paar Erstausgaben von Richard Burton gekauft und wurde im Radio interviewt. Eine alte Frau erscheint, meint, das Buch gehöre eigentlich ihr, sei ihr aber vor fast achtzig Jahren gestohlen worden. Sie gibt sich als Nachfahrin eines amerikanischen Freundes von Burton aus, dem die Erstausgaben gewidmet waren und der mit ihm durch Amerika gereist ist, und erzählt Janeway etwas von einer gestohlenen wertvollen Bibliothek und einem Notizbuch Burtons.

Aber dann wird es grausig verwickelt und abstrus unglaubwürdig. Janeway trifft lauter böse Antiquare und Schläger, denen er von Anfang an misstraut, sowie einige Menschen, denen er ebenso vertraut. Unter anderem eine Frau, die die alte Frau, die natürlich am Anfang des Romans gleich wieder stirbt, nachdem sie ein paar Vermutungen und Hinweise zum Besten gegeben hat, unter Hypnose befragt hat. Und selbstverständlich erzählt die alte Frau aus ihrer frühen Kindheit und gibt weitere Hinweise, alles druckreif. Und natürlich werden die beiden, die sich auf die Suche nach der Hinterlassenschaft von Burtons geheimnisvollem Freund machen, bedroht und überfallen, das Haus der Dame wird abgefackelt, eine junge Frau wird ermordet und ihr verdächtigter Mann flieht - und Richard Burton soll unter anderem den amerikanischen Bürgerkrieg ausgelöst haben.

Und last but not least verliebt sich Janeway in die Anwältin Erin, natürlich klärt sich zum Schluss alles auf, selbst die Liebenden kommen zusammen, und einer der Guten war eigentlich ein Böser, und außerdem übersteht Janeway alle Gefahren bravourös, zum Teil mit Hilfe eines Mafioso. Aber das darf ja schon mal sein.

Das ist alles nicht einmal weiter schlimm. Furchtbar ist nur, dass der dicke Thriller konventionell gemacht ist, dass die Personenzeichnung arg holzschnittartig ist, dass die Trancegeschichte völlig überzogen und damit unglaubwürdig daherkommt, dass auch der Tod der jungen Frau, der doch so erschütternd gewesen ist (auch für den Helden) nach ein paar Seiten und dann fast für immer vergessen wird: Dürfte wohl nicht so wichtig gewesen sein. Dass die Dialoge oft ziemlich gewollt erscheinen, manchmal triefend vor Kitsch und Pathos, nervt ebenfalls. Kurz gesagt: Dass John Dunning weder einen Plot konstruieren kann noch Personen lebendig werden lässt noch auch die interessanten historischen Details - diejenigen über Richard Burton, der eine der schillerndsten Personen des 19. Jahrhunderts war - auch nur ansatzweise zu würdigen oder nachzuerzählen weiß.

Fazit: Kein großes Geheimnis, aber viel gestohlene Lebenszeit.


Titelbild

John Dunning: Das Geheimnis des Buchhändlers. Roman.
Übersetzt aus dem Englischen von Thomas Haufschild.
Rütten & Loening Verlag, Berlin 2007.
438 Seiten, 22,90 EUR.
ISBN-13: 9783352007446

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