"Anforderungen an die Drucklegung"

Der Briefwechsel zwischen Kurt Wolff und Karl Kraus zeigt die Probleme mit einem peniblen Autor

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Nein, es sollte wohl nicht klappen. Dreimal versuchte Karl Kraus, seine Bücher und die epochale Zeitschrift "Die Fackel" auch in Deutschland zu verlegen, dreimal gab er viel Geld für Werbung, Plakate und "Bureau-Kosten" aus, dreimal scheiterte er. Im Herbst 1908 hatte er es mit Mitarbeitern der satirischen Zeitschrift "Simplicissimus" probiert. Im Sommer 1909 war er Herwarth Walden begegnet, dem Berliner Musiker, Publizisten und Ehemann von Else Lasker-Schüler, der "keine Gelegenheit vorübergehen lassen" wollte, für Kraus in Deutschland einzutreten, weil er ihn "definitiv für den besten deutschen Schriftsteller" hielt. Zwei Jahre lang gab es immerhin eine Berliner Ausgabe der "Fackel". 1911 trennte sich Kraus von Walden - aber nicht, ohne ihm noch bei der Etablierung der Zeitschrift "Der Sturm" zu helfen, unter anderem, indem er Walden seine Mitarbeiter überließ: Seit 1912 schrieb Kraus die "Fackel" allein.

Am 20. Dezember 1912 wandte sich Kurt Wolff, der den Rowohlt Verlag übernommen hatte, an Karl Kraus: "Schon lange Zeit trage ich mich mit der Absicht, an Sie mit einer Bitte heranzutreten, von der ich garnicht weiss, ob sie Ihnen nicht ungelegen oder uninteressant erscheint. Aber mein starkes Gefühl für Ihre Produktion lässt es mich wünschen, dass Sie meiner Bitte, sich prinzipiell zu der Frage eines Verlagskontrakts zwischen Ihnen und meiner Firma zu äussern, nicht abgeneigt sein mögen." Und er fügt noch hinzu, gewarnt von Kraus selbst, der sich schon damals öffentlich über Druckfehler geärgert hat: "Ich darf noch hinzufügen, dass ich über Ihre Anforderungen an die Drucklegung informiert zu sein glaube und Sie versichern, dass mein Verlag es sich immer zur Aufgabe gemacht hat, sich keine Mühe verdriessen zu lassen, den Intentionen eines Autors bis ins Letzte nachzukommen."

Das Erstaunliche geschah: Es kam zu einer komplizierten, aber warmherzigen Bekanntschaft. Kompliziert, weil Wolff es nicht schaffte, Kraus' "Anforderungen an die Drucklegung" wirklich zu genügen. Kompliziert aber auch, weil er Bücher von Autoren publizierte, die Kraus nicht angenehm waren. Wie etwa Wolffs wichtigsten Autor, Franz Werfel, der den Kontakt zu Kraus hergestellt hatte. Zunächst ein großer Verehrer, der in der "Fackel" auch publizieren durfte, machte er sich in Kraus' Augen persönlich unmöglich, als er über Sidonie von Nadherny Tratsch erzählte und das dann sogar noch in einem Buch wiederholte, das im Verlag von Kurt Wolff erschien.

Friedrich Pfäfflin, ehemaliger Leiter des Marbacher Museums und einer der rührigsten Kraus-Forscher, hat jetzt die Korrespondenz zwischen Kraus und Wolff gesammelt und sie mit Schreiben von anderen ergänzt, die mit dieser Geschäftsbeziehung zu tun hatten oder denen Einzelheiten mitgeteilt wurden. Leider gibt es kaum Briefe von Kraus selbst, ohne dass der Herausgeber diesen Mangel erläutert. Sowieso ist der eigentliche Briefwechsel mehr ein Telegrammwechsel, denn es war doch häufig sehr eilig, was sich Autor und Verleger zu schreiben hatten. Es ging fast immer um den Druck und die Korrekturen. Und da ging so vieles schief, dass man es Kraus nicht verdenken kann, dass er nach einiger Zeit lieber wieder auf seine zuverlässige Hausdruckerei in Wien zurückgriff: Einmal wurde vom Setzer sogar ein Buchtitel in "Sprüche und Wiedersprüche" verfälscht. Und manches vom Verlag sogar schon ausgeliefert, fehlerhaft, wie es war.

Beendet wurde die Beziehung zwischen den beiden mit einem Brief von Kurt Wolff, in dem dieser noch einmal bittet, ihn besuchen zu dürfen, auch wenn er ihm schon auf die Nerven gegangen war: "Diesen Nerven hart zugesetzt zu haben, ist mir überaus schmerzlich". Er wurde "nicht empfangen und hat keine Antwort bekommen, da es keine persönliche Angelegenheit mehr ist", schreibt Kraus. Da war und blieb er rigoros.

Das Buch zeigt Kraus in allen Facetten: Seine Höflichkeit und freundliche Zugewandheit, die Wolff in seinen Erinnerungen hervorhebt, aber auch seine Forderungen nach größtmöglicher Präzision und hoher Moral. Das meiste erfährt man aus den überaus kundigen Kommentaren, die Briefe selbst bleiben doch zu sehr an der druck- und vertriebstechnischen Oberfläche. Und so wird der Band kaum andere als die Kraus-Spezialisten interessieren.


Titelbild

Friedrich Pfäfflin (Hg.): Zwischen Jüngstem Tag und Weltgericht. Karl Kraus und Kurt Wolff. Briefwechsel 1912-1921.
Wallstein Verlag, Göttingen 2007.
336 Seiten, 24,00 EUR.
ISBN-13: 9783835302259

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch