Gute Unterhaltung

Robert B. Parkers Held kann beinahe alles: plaudern, sich prügeln und auch Fälle aufklären

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Er ist offensichtlich ein später Nachkomme jener hartgesottenen Burschen, die die Krimis der vierziger und fünfziger Jahre bevölkerten. Robert B. Parkers "private eye" Spenser, der auch schon eine veritable Fernsehkarriere hinter sich gebracht hat, kann so ziemlich alles, was ein echter Kerl in diesem harten, sehr harten Business braucht. Ein heller Kopf ist er, mit allen Wassern gewaschen ist er, harte Fäuste hat er (möchte man nicht gegenfallen), ein sehr zugewandter und sensibler Gefährte seiner Freundin ist er (was ihn definitiv von seinen Vorgängern unterscheidet), einen kühlen Kopf behält immer und überall, cool ist er sowieso, und ein intelligenter, gewandter, lockerer und witziger Gesprächspartner ist er auch noch. So einer wird und muss natürlich auf die ganz großen Untaten in dieser Welt losgelassen werden, um sie aus derselben zu schaffen. Wenn nicht ihn loslassen, wen sonst?

Dabei fängt alles ganz harmlos an. Ein millionenschwerer Banker (gibt es auch arme Banker?) in den besten Jahren (also zu alt) wird erschossen aufgefunden, die junge blonde Witwe (Marke blondes Gift, aber unerhört dumm) will beim Fernsehschaun nichts gemerkt haben, dabei hat sie nachweislich seit Jugendjahren einen semikriminellen Lover, der als einigermaßen unbeherrscht gilt. Klarer Fall: junge Frau, alter, reicher Mann, junger, aber armer Mann - in dieser Trias ist das Szenario wenig originell: Es geht ums Erbe, dass die beiden jungen Leute künftig gemeinsam verprassen wollen, sobald der alte Knacker endlich beiseite geräumt ist.

Nur dass das mal wieder irgendjemandem zu einfach ist. Also heuert die Verteidigerin der blonden Witwe unseren Spenser an, der auf den folgenden 223 Seiten nichts Besseres zu tun hat, als herumzufahren, Leute zu befragen, diversen Mordanschlägen zu entgehen und dabei den einen oder anderen selbst um die Ecke zu bringen (nicht gern, aber selbstverständlich, gehört zum Beruf). Da sich Spenser Attacken nicht gerne gefallen lässt, schlägt er selbst mit Hilfe seines Adlatus Hawk zurück, der ein nicht minder harter Bursche ist und zudem als Verfolger nahezu unsichtbar.

Spätestens seit dem es diese Begehrlichkeiten nach dem Leben Spensers gibt, ist klar, dass hinter dem Tod der Bankers mehr steckt als simple mörderische Erbschleicherei. Der zwielichtige neue Anteilseigner in der Bank des Verblichenen, der sich jeder Befragung zu entziehen versucht, der Tod der PR-Managerin der Bank, die ein bisschen nur zu viel geplaudert hat - alles das weist darauf hin, dass wir es wieder einmal mit den verbrecherischen Seiten des guten alten Kapitalismus zu tun haben werden. Wie genau, das sei der eigenen, wahrscheinlich kurzweiligen Lektüre vorbehalten.

Aber zwei kommentierende Exkurse seien bei dieser Gelegenheit gestattet: Zum einen: Ja, natürlich, die Ehe (alter Mann, junge Frau) ist eine Scheinehe, und wieder einmal ist es die Homosexualität des Mannes, die es zu verbergen gilt und die ihn erpressbar macht. Warum so etwas erst auf dem Zenit einer Karriere (viel Geld = Zenit) problematisch wird, kann vernachlässigt werden. Hier fordert wohl die Inszenierung ihren Tribut. Aber merkwürdig ist das schon, zumal die Homosexualität von armen Männern offensichtlich unproblematisch und nicht vorhanden zu sein scheint (oder arm = hetero, wenn das nichts zu heißen hat). Machen also nur homosexuelle Männer Karriere und werden zu Mordopfern? Oder macht der Kapitalismus seine Macher zu Homosexuellen (opferseitig) und - um damit das nächste Lieblingsverbrechen der Reichen und Mächtigen in Spiel zu bringen - Kinderschändern (täterseitig)? Eine merkwürdige Reihe ist das. Warum auch immer, beides ist zumindest sehr modern im zeitgenössischen Missetatsroman, und es fragt sich, wieso die Schreiber auf diese immerselben Motivationen kommen.

Zum anderen: Was ist eigentlich mit den wirklichen Morden und Massakern, die der Kapitalismus und seine Akteure anrichten? Da können anscheinend Kriege um Rohstoffe angezettelt werden und ganze Bevölkerungen vertrieben werden, da wird die gesamte Welt auf den Kopf gestellt und umgelegt - es stört niemanden, solange nicht der gute alte Mord aus Habgier dazwischen kommt.

Nehmen wir doch die britischen Hedge-Fonds-Manager, die Millionen verdienen und einen kleineren Steuersatz haben als ihre Putzfrauen. Das regt Politiker und die Massenblätter auf, aber für einen Krimi reicht es nicht. Denn wo ist da das Verbrechen? Das fragt man sich, um gelegentlich auf den wunderschönen Brecht-Satz zurückzukommen: Was ist das Ausrauben einer Bank gegen die Gründung einer Bank? Aber wer beschwert sich - auf die eine oder andere Weise werden wir alle vom System bezahlt. Und jenseits von Geschmacklosigkeiten dieser Art geht es an dieser Stelle ja insbesondere um gute oder schlechte Krimis, auch in Sachen Kapitalismus.


Titelbild

Robert B. Parker: Die blonde Witwe. Roman.
Übersetzt aus dem Englischen von Emanuel Bergmann und Tanja Mushenko.
Pendragon Verlag, Bielefeld 2006.
224 Seiten, 9,90 EUR.
ISBN-10: 3865320376
ISBN-13: 9783865320377

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