Todeslager

Der fünfte Band der "Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager" stellt die Lagerorte Hinzert, Auschwitz und Neuengamme vor

Von H.-Georg LützenkirchenRSS-Newsfeed neuer Artikel von H.-Georg Lützenkirchen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Im fünften Band der "Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager" widmen sich die Herausgeber Wolfgang Benz und Barbara Distel den Lagern im saarländischen Hinzert, Auschwitz und Neuengamme. Ein wenig mag verwundern, dass der monströse Name Auschwitz so beiläufig hier erscheint. Aber die Beibehaltung des chronologischen Prinzips, das die Lager nach dem Jahr ihrer Einrichtung vorstellt, macht deutlich, dass Auschwitz zunächst einmal nicht mehr als ein Lager in der Reihe der vielen Lager des Regimes war. Das macht die fürchterliche Normalität der Lager umso deutlicher. Alle Lager dienten der Erniedrigung und rücksichtslosen Ausbeutung der dort inhaftierten Menschen. In dieser Logik ist der Schritt von der systematischen "Vernichtung durch Arbeit" bis zur planmäßigen Ermordung tausender Menschen nur ein kleiner.

Auch in diesem fünften Band können sich die Herausgeber wieder auf "die kollegiale Mitwirkung der Mitarbeiter der Gedenkstätten" verlassen. Den Beitrag über das SS-Sonderlager/KZ Hinzert verfassten die Leiterin der dortigen Dokumentations- und Gedenkstätte, Beate Welter und Uwe Bader von der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz, den Beitrag über das Lager Neuengamme und seiner 83 Nebenlager übernahm der Leiter der Gedenkstätte Neuengamme, Detlef Garbe. Am Beitrag über Auschwitz wirkten viele AutorInnen mit. Die Herausgeber erläutern diese Vorgehensweise mit der "Möglichkeit, den größten KZ-Komplex und seinen Besonderheiten durch die Perspektive mehrerer Autorinnen und Autoren gerecht zu werden". Die AutorInnen können sich dabei auf eine "ausdifferenzierte Forschungsliteratur stützen [...], wie sie für andere Konzentrationslager noch nicht vorliegt." Sie basiert auf den Arbeiten der Historiker und Archivare der Gedenkstätte Auschwitz, "die seit Jahr und Tag die Geschichte dieses Lagers erforschen und die Ergebnisse dokumentieren," wie die Herausgeber anerkennend bemerken.

Das "SS-Sonderlager Hinzert" war 1938 als Barackenlager für Arbeiter des Westwalls errichtet worden. Doch schon bald veränderte sich der Charakter des Lagers: es diente als "Polizeihaftlager" der "Erziehung" straffällig gewordener Arbeiter und solcher "Volksgenossen", so in einem SS-Bericht, die "als Gewohnheitstrinker und notorische Faulenzer anzusprechen sind." Zwangsarbeitsmaßnahmen gehörten zum ,Erziehungsprogramm' für die "Zöglinge" im Lager. Seit 1941 "war Hinzert die zentrale Haftstätte für luxemburgische Gegner der deutschen Besatzungsmacht und Angehörige der Luxemburger Résistance." Auch politische Gefangene aus anderen besetzten Ländern wurden nach Hinzert verschafft, von wo viele von ihnen später auf andere Lager umverteilt wurden. So genannte "E-Polen" kamen nach Hinzert um dort eine Überprüfung ihrer "Eindeutschungsfähigkeit", wofür das E stand, vorzunehmen. Insgesamt wurden zwischen September 1939 und März 1945 mindestens 13.600 Männer in das Lager Hinzert eingewiesen.

Der Lagerkomplex in Auschwitz wurde 1940 auf einem ehemaligen Militärareal errichtet. Das Stammlager (Auschwitz I) diente zunächst der Inhaftierung polnischer Häftlinge. Hinzu kam 1941 der Komplex Birkenau (Auschwitz II), wo Juden aus ganz Europa, aber auch Sinti und Roma nach der Selektion in den Gaskammern ermordet wurden. Ebenfalls 1941 wurde Auschwitz III im nahgelegenen Monowitz als Industriekomplex der I.G. Farben errichtet. Das gesamte Gebiet um das Stammlager und Birkenau, mit den dort liegenden Ortschaften, deren Bewohner vertrieben wurden, war als "SS-Interessengebiet" ein eigener Amtsbezirk, der der zivilen Verwaltung entzogen war. Zum Lagerkomplex Auschwitz gehörten 47 Außenlager. Sie dienten insbesondere den Interessen von Rüstungsbetrieben.

Auch bei der Gründung des KZs Neuengamme spielten wirtschaftliche Erwartungen ein Rolle. Die Stadt Hamburg versprach sich von diesem Lager nicht nur eine ,Entlastung' des mitten in der Stadt gelegenen KZs Fuhlsbüttel, sondern erwartete von diesem Lager auch unmittelbare wirtschaftliche Vorteile. Insbesondere zur Baustoffbeschaffung und in der Rüstungsindustrie wurden die Häftlinge des "Arbeitslagers" eingesetzt. Über den Charakter dieses wirtschaftlichen Einsatzes bestand von Beginn an kein Zweifel: er beruhte auf rücksichtsloser Ausbeutung der Häftlinge. Neuengamme wurde eine weiteres Beispiel für die gezielte "Vernichtung durch Arbeit". Die menschenverachtende Ausbeutung der Häftlinge endete in Neuengamme schließlich mit der chaotischen Auflösung des Lagers im Frühjahr 1945.

Zwei besondere Ereignisse verbinden sich mit der KZ-Auflösung. Aufgrund eines Abkommens mit dem schwedischen Roten Kreuz, dass Himmler als Vorleistung für eine gesonderte Waffenstillstandsvereinbarung mit den Briten geplant hatte, wurde in den letzten Wochen vor Kriegsende in Neuengamme ein "Skandinavierlager" eingerichtet. Von hier aus "konnten am 20. April über 4000 dänische und norwegische Gefangene mit ca. 120 Bussen und anderen Fahrzeugen Neuengamme verlassen und der Freiheit entgegenfahren."

Ein anderes tragisches Schicksal erwartete die übrigen Häftlinge des Stammlagers, das am gleichen Tag geräumt wurde. Fast 10.000 Häftlinge wurden von der SS nach Lübeck getrieben und dort auf zwei Frachtschiffe und die "Cap Arcona" verfrachtet. Auf den Schiffen herrschten aufgrund der Überfüllung und fehlender Nahrung unbeschreibliche Zustände, als am 3. Mai 1945 britische Jagdbomber die von ihnen als Truppentransporter ausgemachten Schiffe angriffen und versenkten. 6.600 Häftlinge verbrannten wenige Stunden vor ihrer Rettung auf den Schiffen, ertranken oder wurden bei Rettungsversuchen erschossen. "Der Untergang der KZ-Häftlingsschiffe [...] die Todesmärsche und die fürchterlichen Zustände in den Sterbelagern Bergen-Belsen, Sandbostel und Wöbbelin, all dies zeigt, das Ende des KZ Neuengamme war ein Inferno."


Titelbild

Wolfgang Benz / Barbara Distel (Hg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 5. Hinzert, Auschwitz, Neuengamme.
Verlag C.H.Beck, München 2007.
592 Seiten, 59,90 EUR.
ISBN-13: 9783406529658

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