Down in Texas

In James Crumleys Krimi "Land der Lügen" kann es ganz schön verwirrend werden

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Guten müssen nicht immer die Guten sein, sie können auch schon einmal ein wenig am besseren Leben geschnuppert haben und an dem Stoff, den es dafür braucht: Geld. Milton Chester Milodragovitch III. ist so jemand. Der Sechzigjährige hat bei einem großen Deal eine Menge (Drogen-)Geld beiseite geschafft, das er nun nach und nach waschen muss. Dafür benutzt er eine Bar, die im Schnitt nicht ganz so viel abwirft, wie der offizielle Umsatz suggeriert. Nichts für ungeduldige Zeitgenossen, diese Art der Geldwäscherei, und wahrscheinlich ist das auch der Grund dafür, dass am Ende dann doch die meisten (Krimi)Geldwäscher auffliegen. Milodragovitch, kurz Milo genannt, ist zwar gleichfalls ungeduldig, aber er hat ein einigermaßen taugliches Ablenkungsmittel gefunden: Er arbeitet wieder als Privatdetektiv. Das hört sich für einen so alten Kerl zwar ein bisschen so an wie Ferrari-Fahren - also unbedingt unnötig. Andererseits, wer wollte ihm seine diesbezügliche Vergnügungssucht anlasten, solange er andere Leute damit in Frieden lässt. Nun lebt aber gerade der Krimi davon, dass sich Privatdetektive in anderer Leute Leben einmischen und dabei eine Menge einstecken und austeilen, wild um sich ballern und die Wahl zwischen einem erfüllten Sexleben (Mandantin, später aber tot), einer heroischen Enthaltsamkeit (Mandantin, später trotzdem tot) oder einem schwierigen Beziehungsleben haben (geschieden und alkoholabhängig oder zerstritten und auch alkoholabhängig). Man kann also vieles haben, aber nicht das: seine Ruhe und das Abenteuer des private eye (möglichst hard boiled). Unser Milo nun ist auf der Suche nach Carol Jean, die ihrem Joe Warren entlaufen ist und ihrem Lover nicht wirklich zurückgebracht werden will, zumal er anscheinend kein Billard spielt (das einzige, was sie wirklich interessiert). Carol Jean stürzt sich dennoch in Milos Arme, der ihr dicht auf den Fersen ist, allerdings in erster Linie, weil sie auf der Flucht vor einem riesigen Schwarzen ist (zwei Meter groß und fast 200 Kilo schwer), der gerade das "Over the Line" betreten hat. Enos Walker (den Namen erfahren wir später) wird kurze Zeit später mit Milo an der Bar sitzen und Whisky trinken und Milo wird dabei zuschauen, wie Enos sich ins Büro des Geschäftsführers der Bar aufmacht, um ihn zu erschießen, weil ihm "dieser Scheiß-Duval" (wer auch immer das ist) eine Menge Zaster schuldet. Walker verschwindet, und die Geschichte beginnt. Sie beginnt zum Beispiel damit, dass Milo im Adressbuch des Verblichenen nach "Duval" sucht, sich den Namen auf einem größeren Briefchen Kokain notiert, um gelegentlich ein bisschen vom Inhalt zur Ermunterung einzusetzen. Es geht damit weiter, dass die Polizei Fragen nach dem Verbleib eines Großteils des Kokains stellt, das wohl in Longs (so der Name des Toten) Büro zu finden gewesen sein müsste. Und man kann mit gutem Recht annehmen, dass von nun auch andere Interessenten sich diesen Fragen anschließen werden. Milo zwischen Polizei und Drogenmafia? Allein gegen den Rest der Welt? In jedem Fall wird mit dieser Konstellation eine rasante Handlung in Gang gesetzt, bei der es am Ende schwer fällt, den Überblick über die verschiedenen Parteien und vor allem Frontverläufe zu behalten. Unser Mittelsmann bezieht dabei eine Menge Prügel - und das ist für einen Sechzigjährigen schwer wegzustecken. Das Alter macht sich doch bemerkbar, auch wenn der Erzähler Milo anfangs denken lässt, dass er doch gar nicht so alt sei. Die Knochen sind am Ende ganz schön mürbe. Milo jedenfalls lässt sich, je länger es dauert und je schlimmer es wird, um so weniger von der Suche nach Enos Walker abhalten, der anscheinend der Schlüssel ist, mit dem die ganze verworrene Situation aufzulösen wäre. Aber auch daraus wird schließlich nichts. Am Ende bleibt eigentlich kaum mehr als ein großer Scherbenhaufen (samt Beziehungsschaden) und ein Milton Chester Milodragovitch III., der nie wieder einen Fuß nach Texas setzen will. Anscheinend ist man ihm mächtig auf den Geist gegangen, und die Gerechtigkeit hat auch nicht gesiegt. "Wie üblich, müssen die Unschuldigen leiden, und das Böse und die Gier gedeihen jenseits aller Vorstellungskraft", heißt es in der Auflösung. So sei es in der Welt der Romane auch in Zukunft, damit noch viele Kriminalromane entstehen mögen, die es dann zu lesen gibt.


Titelbild

James Crumley: Land der Lügen.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Katrin Mrugalla.
Shayol Verlag, Berlin 2007.
344 Seiten, 14,90 EUR.
ISBN-13: 9783926126627

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