Grab - Kult - Memoria

Über Erinnerung im Zeichen des Todes

Von Heidi-Melanie MaierRSS-Newsfeed neuer Artikel von Heidi-Melanie Maier

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der vorliegende Band ist die Dokumentation der zweiten Tagung des REQUIEM-Projektes, die 2006 in Berlin stattfand. REQUIEM ist eine Kooperation zwischen dem Lehrstuhl für Allgemeine und Schweizer Geschichte der Neuzeit der Universität de Fribourg und dem Kunstgeschichtlichen Seminar der Humboldt-Universität in Berlin. Die Ziele des Forschungsprojektes ergeben sich aus seiner bipolaren, historisch-kunsthistorischen Ausrichtung. Einerseits geht es um die Erstellung einer Datenbank zu den erhaltenen Grabmonumenten der Päpste und Kardinäle, die in der Frühen Neuzeit, also im Zeitraum zwischen 1417 und 1799, in Rom und seiner näheren Umgebung beigesetzt wurden. Zugleich wird daran gearbeitet, eine Datenbank zu den Kardinälen der Frühen Neuzeit, ihren Karriereverläufen, familiären und geschäftlichen Verbindungen aufzubauen.

Der Fokus dieser zweiten Tagung war weniger romzentriert und so beinhaltet er neue Perspektiven zur europäischen Grabmalsforschung: "Die mit einer solchen thematischen Erweiterung unvermeidlich einhergehende Gefahr des allzu weit gesetzten Rahmens wurde bewusst in Kauf genommen, um zu neuen Erkenntnissen über das zu gelangen, was mit den Begriffen ,Erinnerungskultur' und ,kollektives Gedächtnis' nur ungenau beschrieben wird und doch - nach zunehmend verbreiteter Ansicht - ein zentrales Element der modernen Kulturgeschichte darstellt."

Dabei bietet der einleitende kurze Text von Volker Reinhardt eine Orientierung, welche theoretische Fundierung und Zielrichtung REQUIEM sich gibt. Grabmäler und ähnliches werden hinsichtlich ihrer identitätsstiftenden Funktion - für Gegenwart und Zukunft - untersucht. Dabei ist es erfrischend zu lesen, dass sich die historische und kunsthistorische Forschung die wirtschaftlichen und strategischen Aspekte solcher Aktivitäten vergegenwärtigt: "Funktionalisten aller Sparten und Länder vereinigt euch - und weist die Erfolgsorientiertheit derjenigen nach, die Geld in Werke der Memoria, d.h. in Erinnerung konstituierende Texte, Bauten oder Bildzeugnisse, investieren." Dabei wird auch die Frage nach einer im christlichen Kulturkreis fragwürdigen Legitimation von Selbsterinnerungsstiftung gestellt: "Gottes Gedächtnis [bedurfte] keiner Auffrischung im Marmor". Jedoch widerlegen die vorgestellten Beiträge dieses Diktum, das doch mehr von einer Haltung geprägt ist, die da heißt: Wir sind so stolz auf unsere Demut.

Fünfzehn weiterführende Texte stellen Legitimationsstrategien und Wirkungsabsichten sowie Beispiele für Grablegen und ihre politische Instrumentalisierung vor. Der Band bietet für den zu Identitätskonstruktion Forschenden eine interessante Ausweitung der Perspektive. Unmittelbar interessant ist er in erster Linie für die genannten Zielgruppen der Historiker und Kunsthistoriker. Aber auch für den zeit- und religionsgeschichtlich Interessierten findet sich manches Bonmot. So steht am Ende des einleitenden Textes, wie auch des gesamten Bandes, die überzeugende Erkenntnis zur Funktion von Grabmälern: "Das ist ein weiterer eindrucksvoller Beleg dafür, dass der christliches Kulturkreis gerade dadurch innovativ ist, dass er gegen seine eigenen Basisregeln verstößt."


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Carolin Behrmann / Arne Karsten / Philipp Zitzlsperger (Hg.): Grab - Kult - Memoria. Studien zur gesellschaftlichen Funktion von Erinnerung.
Böhlau Verlag, Köln 2007.
351 Seiten, 42,90 EUR.
ISBN-13: 9783412215064

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