An guten Krimis haben wir genug andere

Ulrich Ritzel schreibt mit "Forellen-Quintett" einen schlechten

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Manche Autoren werden immer besser. Manche aber werden auch immer schlechter. Ulrich Ritzel ist leider solch ein trauriger Fall. Man erinnere sich nur an seine ersten Krimis, die im Libelle Verlag erschienen sind: witzige, gut geschriebene, anspielungsreiche, atmosphärische Romane, die uns in guter Sprache viel über Ulm und die Gegend um Ulm und Ulm herum sowie den Rest der Republik erzählten.

Dann wechselte Ritzel vom kleinen, engagierten Verleger zum großen Konzern. Und verabschiedete seine Hauptfigur, den alten Kommissar Berndorf, der immer so gerne Montaignes Essays las, nach Berlin. Übrig blieb die lesbische Kommissarin Tamar Wegenast und eine immer hilfloser werdende Sprache ohne jede Atmosphäre.

In seinem neuesten Krimi, "Forellenquintett", versucht Ritzel, eine große europäische Bewegung ins Schwäbische zu fokussieren: In Katowice muss ein junger Pianist eine große, gefüllte Plastiktüte loswerden, er geht in eine Kirche und entsorgt sie (mitsamt dem abgeschnittenen Kopf darin) in einem Beichtstuhl. Dann geht er zum Friseur, überquert die deutsch-polnische Grenze, schmuggelt dabei Drogen, wird in Berlin niedergeschlagen, wacht im Krankenhaus auf, weigert sich, zu reden, tut so, als verstünde er nichts und ließe einfach alles mit sich geschehen. Einmal spielt er auf einem Klavier, der Fall des klavierspielenden Autisten geht durch die Presse. Von einem Ehepaar wird er als der verlorene Sohn wieder aufgenommen, der vor siebzehn Jahren verschwunden ist, wahrscheinlich ertrunken. Er bewohnt das Jungenzimmer und findet dort Kassetten mit Klavieraufnahmen, unter anderem auch Schuberts Forellenquintett. Und dann wird Tamar Wegenast bedroht, und auch ihre Freundin aus Polen, die jetzt in London ist. Ein paar Verbrecher wollen ihr an die Lederjacke, eine alte Rache. Und dann wird es erst so richtig kompliziert, weil alles mitspielt, was ein heutiger "welthaltiger" deutscher Krimi so haben soll: einen internationalen Drogenschieberring, einen albanischen Mafiachef und ein paar Neonazis, die "natürlich" auch mit der Polizeispitze engste Beziehungen unterhalten. Es gibt anonyme Drohbriefe, eine weise Wahrsagerin, eine kleine Liebesgeschichte, wechselnde Beziehungen, unerwartete Allianzen, Schießereien, Suspendierungen, eine Geiselnahme, alte Dorfgeschichten und neue Lösungen.

So weit, so gut. Man könnte den Roman als Dutzendware durchwinken: etwas Politik, etwas Kriminalität, etwas Sex, politische Korrektheit, Minderheiten: das Übliche halt. Hätte nicht Ritzel einmal bewiesen, dass er es auch besser könnte (oder war das damals das Lektorat?). Würde er nicht jetzt zeigen, dass es ihm nicht mehr gelingt, all diese vielen Handlungsfäden auch stimmig miteinander zu verknüpfen, dass es ein ziemlich beliebiges Durcheinander ergibt, dass seine Personen flach und platt wirken. Allen voran Tamar Wegenast, die den Eindruck erweckt, als würde sich Ritzel mit seinem Roman für das nächste Tatort-Drehbuch mit Lena Odenthal bewerben und habe schon mal die Rohfassung erstellt. Man sieht nur noch in wenigen Szenen wirkliche Menschen vor sich, realistische Handlungen, lebendige Personen. Es gelingt Ritzel nicht mehr, eine leuchtende, schillernde Atmosphäre zu erschaffen, sein Roman hat keinen Charme mehr und keine Feinheiten, wirkt insgesamt sehr umständlich erzählt, gedrechselt und aufgesetzt, zusammengeschustert und ziemlich humorfrei.

Das schlimmste ist, dass auch seine Sprache, die einmal so facettenreich, witzig und genau war, schludrig geworden ist. Ständig schreibt er von einer Person als "v. Oerlinghoff" (mit dieser Abkürzung), einmal schaltet sich der Scheibenwischer von selber ein, weil es regnet (so was hat nicht einmal das James-Bond-007-Auto), einmal gibt es Post, "von einem Schreibcomputer" stammt die Schrift (wohl kaum von einem Rechen- oder Komponiercomputer, oder?). Manchmal versucht Ritzel die Spannung durch komplizierten Aufbau zu erhöhen, völlig unnötig und ennervierend. Immerhin zeigt er, dass er den Teilungsgenitiv beherrscht, denn "auf dem Couchtisch stand eine Zwei-Liter-Flasche Rotweins."

Nein, Ritzel hat keinen Krimi geschrieben, den man auf irgendeiner Bestenliste erwarten würde. Und doch, fürchtet man, wird er wieder draufkommen. Kritiker sind eben auch nur Menschen, und wenn sie mal einen "entdeckt" haben, dann lassen sie ihn nicht mehr los. Die anderen zucken zusammen, wenn sie so einen Satz wie den folgenden lesen, und wissen, was mit diesem Autor los ist: "An Problemen hatte sie genug andere."


Titelbild

Ulrich Ritzel: Forellen-Quintett. Roman.
btb Verlag, München 2007.
384 Seiten, 17,95 EUR.
ISBN-13: 9783442751822

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