Gute Mörder, schlechte Mörder

Deon Meyer spielt mit den Grautönen menschlicher Existenz auf

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Gelegentlich muss man Kolleginnen und Kollegen loben. Dass dieser Roman den Deutschen Krimipreis bekommen hat, ist gerecht. Deon Meyer argumentiert nicht nur differenziert, er benutzt nicht nur ein angemessenes Menschenbild, in dem alle Schattierungen moralischen Handelns und Fehlverhaltens aufgehoben sind, ohne von vorneherein verurteilt zu werden, er erzählt auch gekonnt.

Drei Figuren und mit ihnen drei Erzählstränge prägen seinen Roman. Das Ganze ist intelligent anlegt und erfüllt zugleich die wichtigste Regel des Krimigenres, nämlich kurzweilig zu sein. Zugleich gelingt es Meyer, die Konsequenzen und Verläufe der Normalisierung und Modernisierung Südafrikas in das private Leben seiner Protagonisten einzubetten, ohne dass sie an Lebendigkeit und Plausibilität verlieren. Das Private ist politisch, das Politische privat - und ohne eine Gesellschaft, die funktioniert, gibt es kein einigermaßen erfülltes Leben. Je weniger sie funktioniert, je weniger sie zu einer Art zivilen Normalität kommt, die zugleich offen und tolerant sein muss, desto furchtbarer wüten die Verhältnisse unter den Menschen. Also muss alles getan werden, damit eine zivile, eine zivilisierte Gesellschaft möglich wird. Und dazu gehört eben auch ein funktionierendes Rechtssystem, das zwar irren, Irrtümer aber auch immer korrigieren kann.

Erstaunlich und bemerkenswert, dass es gerade in letzte Zeit gehäuft Texte wie diesen gibt, in denen die Abkehr von jeder Lynchjustiz, und mag sie auch den Schuldigen treffen, so kundig und intelligent begründet wird.

Ort des Geschehens: Südafrika, Zeit: lange nach der Apartheid. Thobela, ein Killer, ein Freiheitskämpfer, der zeitweise seinen Lebensunterhalt als Leibwächter eines Drogenbarons gefristet hat, will sich aufs Land zurückziehen. Nachdem seine Frau gestorben ist, bleibt nur noch ihr Sohn (und sein Stiefsohn), für den es zu leben lohnt. Der zwölfjährige Junge wird aber das Opfer eines tödlichen Zufalls, erschossen bei einem Tankstellenüberfall. Die Täter werden zwar verhaftet, aber sie entkommen aus dem Gefängnis, wohl mit Hilfe bestochener Wächter. Das ist der Moment, in dem Thobela "rot" sieht. Der Schmerz über den Verlust des Sohnes schlägt um in den Wunsch, all die zu strafen, die sich an Kindern vergehen. Seine Waffe, mit der er strafen will, ist ein afrikanischer Kurzspeer, ein Assegai. Die Quelle seiner Informationen: Die Medien. Es dauert nur kurze Zeit, bis er zum "Artemis-Mörder" wird (weil man anfangs glaubt, es mit einer Frau zu tun zu haben), zu einem Gerechten, der die zu Unrecht entflohenen und verschonten Mörder und Gewalttäter straft. Die Öffentlichkeit applaudiert. Thobela sieht sich im Recht - bis er einsehen muss, dass er selbst Unschuldige getötet hat.

Benny Griessel wachte eines Morgens auf, und seine Frau wirft den Säufer aus dem Haus, der sie am Abend zuvor geschlagen hat. Er hat ein halbes Jahr Zeit, trocken zu werden. Dann wird sie es sich noch einmal überlegen. Griessel versucht es, zugleich ist er an einen der kniffligsten Fälle gesetzt, den es derzeit in Kapstadt gibt, den des Artemis- oder Assegai-Mörders. Es gibt keine Spuren, keine Hinweise, kein Motiv, das eindeutig zuzuordnen wäre. Nach und nach gelingt es Griessel, Thobela einzukreisen, und er stellt ihm eine Falle.

Aber wie immer geht alles schief. Wieder trifft es einen Unschuldigen, und am Ende ist Griessel sogar auf die Hilfe Thobelas angewiesen. Dass Griessel zur gleichen Zeit versucht, mit seiner Alkoholsucht und dem Entzug fertig zu werden, macht das Ganze für ihn nicht einfacher, seine Reaktionen freilich für die Leser plausibler. Die Kluft zwischen dem Durchschnittsmenschen Griessel und dem überaus erfolgreichen, also außergewöhnlichen Polizisten Griessel bleibt offen.

Schließlich die Prostituierte Christine van Rooyen, die zu einem Priester geht, um mit ihm darüber zu reden, was sie angerichtet hat - mit ihrem Leben, mit ihrer Tochter und mit dem Versuch, sich und ihre Tochter aus dem Zugriff eines in Südafrika wirkenden kolumbianischen Drogenbarons zu entziehen. Die Folge ist mindestens ein Blutbad, bei dem allerdings die Guten gewinnen und die Bösen verlieren, wie es sich gehört.

Ein Schwarzer auf Rachefeldzug, ein weißer Alkoholiker auf dem Entzug und eine weiße Edelprostituierte, die aussteigen will: Meyer versteht es, daraus ein hochinteressantes Spiel zu kreieren, die Handlungsstränge lange Zeit unverbunden nebeneinander zu führen, um sie am Ende doch zusammenzuschnüren. Dabei lässt er es sich durchaus offen, jede dieser Figuren weiterzuentwickeln und ihr weiteres Profil, so etwas wie ein echtes Leben zu verpassen. Man wird also auf Fortsetzungen gespannt sein können.


Titelbild

Deon Meyer: Der Atem des Jägers. Thriller.
Aus dem Englischen von Ulrich Hoffmann.
Rütten & Loening Verlag, Berlin 2007.
428 Seiten, 19,95 EUR.
ISBN-13: 9783352007460

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