Eloquent oder illoquent?

Zur Sprache in Martin Mosebachs Roman "Der Mond und das Mädchen"

Von Albert MuesRSS-Newsfeed neuer Artikel von Albert Mues

Wenn man im Tessin auf Wunsch des im Urlaub weilenden Eigentümers ein Haus hüten darf, hat man nach der täglichen Umsicht und dem Gießen der Blumen die Zeit für einen tieferen Blick in die Zeitung. Hier war es die "Frankfurter Allgemeine", und darin der ab 21. Juni in Fortsetzungen erschienene Vorabdruck des Romans "Der Mond und das Mädchen", den sie Martin Mosebach gönnte. Was aber konnte zuvor die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt bewogen haben, ihn in eben diesem Juni mit dem Büchner-Preis zu ehren? Dies fragte sich jener Hüter des Hauses, und er befand dann, nach drei Fortsetzungen, sich mehr den Blumen und dem Tessin als Mosebach zuzuwenden, allerdings nicht ohne zuvor an sonnigen Vormittagen zu sammeln, was die Akademie nicht dazu bewogen haben sollte.

Die folgende Aufstellung hält sich an den Text, wie er in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vorabgedruckt wurde (nur dort in neuer Rechtschreibung), und zwar an den Anfang und die ersten beiden Fortsetzungen. Das sind in der Buchausgabe (Carl Hanser, München) 2007 die Seiten 5 bis 20.

Der Titel des Romans ist eine alliterierende Anbiederung an "Der Tod und das Mädchen", an einen Titel, der künstlerisch dreimal tiefer gründet: im Gedicht von Matthias Claudius, in Franz Schuberts Vertonung dieses Gedichtes (D 531) und in Schuberts Streichquartett d-moll (D 810).

Der Roman setzt an (FAZ vom 21. 6.2007; im Buch S. 5-9): "Wer eine Wohnung sucht [...]. Der junge Mann, der auf dem Fahrrad durch die Straßen der ihm noch fremden Stadt Frankfurt fuhr, hatte ein paar Tage zuvor geheiratet und hielt Ausschau nach der ersten Wohnung [...]." Und jetzt, also nach ein paar Tagen (denn "Es war nicht zu machen, der Antritt der neuen Arbeitsstelle, der ersten nach der Universität, hatte sich nicht verschieben lassen [...].") resümiert der junge Mann auf oder mit dem Fahrrad schon: "Die ersten Wochen dieser Ehe [...]." Ein "paar Tage" werden wenige Zeilen tiefer und stets noch auf demselben Fahrrad zu "ersten Wochen". Unser junger Mann wird uns aus auktorialer Sicht realistisch bekannt gemacht, doch er selbst gerät unter den Sätzen seines Erzeugers offenbar relativistisch beschleunigt in die Zeitdilatation. Wir werden bald sehen, wie diese Sätze, in denen er doch zu einer Romanfigur belebt werden soll, ihm und also uns noch arg zu schaffen machen werden.

Während unser junger Mann also in Frankfurt suchend von Haus zu Haus radelt, versichert uns sein Autor, " [...] Kindlichkeit, Schmetterlingszartheit, Elfenleichtigkeit. Das waren nicht seine Gedanken," also dann die Mosebachs, "poetische Ausdrucksweise wollte er sich nicht zutrauen," aber offenbart Mosebach sich, "aber eine leise klingende, feingläserne Zerbrechlichkeit war es schon, was ihm vor schwebte," also nun doch nicht Mosebach, "ein zartes Glasgeklingel, Silbrigkeit in der Stimme und im Haar." Und wer kommt jetzt für dieses "und" auf, Martin Mosebach oder sein junger Mann? Einer der beiden stellt sich vor, zu hören leise klingende Zerbrechlichkeit, zartes Glasgeklingel, Silbrigkeit in der Stimme und im Haar. ("Das ,und' dazwischen ist ein langes Wort"; Büchner, Dantons Tod.)

"Dabei war sie gar nicht viel jünger als er, aber aufgewachsen und behütet [...]." Aber, aber! Nach diesen Zeilen ist sie (Ina, seine junge Frau) also entweder "aufgewachsen und behütet" oder "nicht viel jünger als er". Wie hilft man ihr aus diesem aut - aut?

"[...] der eigentlichen Hochzeit waren mindestens drei Hochzeitsreisen vorangegangen." Wieso "eigentlichen"? Gemeint ist der "tatsächlichen", der "wirklichen". Ist "eigentlichen" nicht eigentlich nur flotte Wortwahl? "Schnell fertig ist die Jugend ... ."

"Immer musste sie [Inas Mutter] jemanden aus der eigenen Sphäre dabeihaben, um vom fremden Milieu ...". Wieso "Sphäre" und "Milieu"? Variatio delectat? Beide Worte meinen doch hier dasselbe, denn sie stehen durch die ihnen zugesellten, gleichsam antiparallelen Adjektive - "eigene" und "fremde" - auf derselben Ebene.

"... nicht zu leicht vereinnahmt zu werden ...". Was soll dieses "zu"? Man achte einmal genau auf dieses sinnverkehrende kleine Wort! Vereinnahmt werden will die Mutter nach Wortwahl des Autors schon, wenngleich nicht "zu leicht". Sonst müsste es heißen: "musste sie jemanden ... dabeihaben, um vom fremden Milieu nicht leicht vereinnahmt zu werden." (Besser wäre allerdings: "von fremdem Milieu", es ist doch schillernd, sie kennt es ja gar nicht, ohne bestimmten Artikel bleibt es der eigenen Sphäre fremd; durch das "vom" bleiben "Sphäre" und "Milieu" entgegen der Wortwahl ebenfalls wieder gleichsinnig.) Da weiß sie um ihre Schwäche. Durch dieses "zu" gerät die Figur nun in einen bedauernswerten Konflikt mit ihrem literarischen Erfinder: Nach seiner Wortwahl wird sie sich vereinnahmen lassen wollen müssen, doch ihrem eigenen Willen folgend nimmt sie ihre Tochter ausdrücklich gegen die Gefahr dieser Vereinnahmung mit.

"Er war immer froh, wenn das Mädchen etwas Angenehmes erlebte." Was bringt dieses "immer"? Es fügt dem "froh" nichts hinzu: "Er war froh, wenn das Mädchen ..." sagt dasselbe. Der Autor traut seiner Wortwahl nicht und will sie deshalb künstlich, aber kraftlos verstärken.

"Ob er in diesen ersten Tagen am neuen Ort den Beistand seiner soeben erst geheirateten Frau [...]." Ausgedrückt werden soll "seiner soeben erst angetrauten Frau". Wollte in der hier stehenden Wendung leise angedeutet die Frau nur als passives Objekt einer Heirat gemeint sein, dann vernichten "seiner" (gut wäre nur "einer"), aber auch "soeben" und "erst" einen solchen intendierten Eindruck. In der im Roman stehenden Version enthüllt sich der Autor, dem die Frau ein Akkusativ-Objekt des Heiratens ist.

"[...] wie sie [...] den Friseur, der sich stets aufs Neue schüchtern näherte, dreimal aufs Neue wegschickte, obwohl sie ihn bestellt hatte." Was hätte der Satz gewonnen, wäre er so formuliert worden: "wie sie [...] den Friseur, der sich stets schüchtern aufs Neue näherte, dreimal wegschickte, obwohl sie ihn bestellt hatte." Der gebeutelte Friseur nähert sich - obwohl abgewiesen - aufs Neue und ist nicht aufs Neue schüchtern, und er wird dreimal wieder weggeschickt, aber nicht aufs Neue, weil das Neue schon darin liegt, dass er mutig wiederkehrt.

"Der verzweifelte Mann musste [...] beständig die Termine der anderen Damen ..." Diese "Damen" waren zuvor gar nicht da, also welcher?, doch wohl "der anderen Kundinnen" oder "anderer Damen". Durch den bestimmten Artikel soll - ein wenig schnell und schlicht - assoziiert werden, dass die Schwiegermutter eben in Damenkreisen verkehrt. "... umlegen, ohne dass er von ihr mehr als einen blanken Blick [...] erhielt." Diese blankblitzenden, nichtssagenden Alliterationen! Dieser - blanke, als "leer" beabsichtigte - Blick wird auch nicht voller, wenn man ihm noch das zitierend gibt, was ihm die obige Auslassung "ohne die Spur auch nur gespielten Bedauerns" abzog.

"Beim Abendessen war ihr Haarhelm dann makellos, als hätte sie den Nachmittag unter der Haube verbracht. Wirkliche Kälte ..." unter der Haube ist es doch warm! "... hat etwas mit vollständiger Gerechtigkeit gemeinsam." Das ist die Quintessenz, glatt und absatzlos als Weltweisheit des Autors angeschlossen. Und wäre er nicht weiser geblieben, hätte er geschrieben: "Vollständige Gerechtigkeit hat etwas mit wirklicher Kälte gemeinsam"? Erst Zeilen später lässt er auch den Schwiegersohn an dieser Weltweisheit teilnehmen, wenn der erkennt: ",sie nimmt andere Menschen nicht wahr'".

Von dieser Erkenntnis getrieben finden wir ihn in den Straßen Frankfurts, "durch die er jetzt nach dem Büro mit dem Fahrrad fuhr." Er kommt zum Glück da nicht an, da er, anders als sein Autor, diesem "nach" nachfühlt, dass man und er es hier nur zeitlich verstehen soll, so, wie sein sprachungewandter Autor es haben will: nach dem Büro(schluss) jetzt auf der Suche nach einer Mietwohnung. Und er fährt jetzt "mit", anfangs fuhr er noch "auf" dem Fahrrad, und später durchzieht er "mit" seinem Fahrrad das Viertel.

Seine Krawatte "hatte er in die Rocktasche gesteckt, denn wenn man den gekühlten Glasturm verließ, in dem sein Büro lag, prallte man gegen die Hitze wie gegen eine Wand." Dieses ins Allgemeine dieser Situation und der Zeit - es ist Juni - gekehrte "man" verlangt dann allerdings auch Präsens: "wenn man den Glasturm verlässt, in dem das Büro lag [oder auch hier "liegt", wenn denn schon ein Büro in einem Turm "liegen" muss], prallt man gegen die Hitze." Warum nicht gleich so, so stöhnt man, wenn einen Absatz tiefer die Zeit richtig getroffen wird? "Eine gewisse Schwere, eine gleichsam wattige Substanzhaftigkeit, gehört geradezu zur Stadtluft." So präsentisch gehört es sich. Nehmen wir den Satz "wenn man den gekühlten Glasturm verließ, in dem sein Büro lag, prallte man gegen die Hitze wie gegen eine Wand" noch einmal auf. Es kann ja auch gemeint sein, unser junger Mann erinnere sich hier an den Schock, der ihn und einen jeden im Sommer traf, wann immer er und ein jeder den Glasturm verließ, und drücke dies verallgemeinernd durch "man" aus. Übergehen wir, dass auch hier dem Satz das Präsens besser steht, denn es ist ja noch derselbe Sommer, dann sollte aber sein Schöpfer das Possessivpronomen in "sein Büro" durch "auch sein Büro" abschwächen oder besser noch durch den bestimmten Artikel ersetzen: "das Büro", denn auch das Büro untersteht dem "man". Das wäre eleganter, anderenfalls bleibt der Satz ein Zwitter, preiswert, jedoch nicht preiswürdig.

"[...] durch das hintere Fenster sah es grün herein."(FAZ vom 22. 6. 2007; im Buch S. 10-15) "hinein"!, denn dieses "es" grünt doch außerhalb des Fensters. Unser Radler steht ja ebenfalls außerhalb, und zwar diesseits jener durch die beiden Fensterfronten gebildeten Wohnung, in die "es" hineinsieht.

"Nein, niemals ein Erdgeschoss, dachte er dann, Ina fürchtete sich und hätte in einer Parterrewohnung nie bei offenem Fenster geschlafen." Was ist "fürchtete"? Es kann nur ein Imperfekt sein. Das ist hier aber falsch. Der Nebensatz ist von "dachte er dann" abhängig, und ihm kann nur folgen ein Indikativ Präsens oder ein Futur, also "Ina fürchtet sich, sie schläft nicht bei offenem Fenster" (auch " ... und würde nicht ... schlafen", nicht aber "hätte ... nie ... geschlafen", das vergangene Situationen erwägt), oder "wird sich fürchten ...", oder aber ein Konjunktiv, wie er ja dann endlich im zweiten Teil des Nebensatzes unglücklich mit "hätte" folgt. Der Autor meint, auch "fürchtete" wäre konjunktivisch verstehbar. Nein, es ist und bleibt imperfektisch und der Satz auch, nur ein "würde sich fürchten" hätte hier perfekten Sitz. Gleich danach, immer noch abhängig von "dachte er dann", steht wieder Imperfekt, ein "konnte": "Aber man konnte ja auch in den ersten Stock ziehen [...]." Nein, man "kann ja auch ... " oder "man könnte ja auch in den ersten Stock ziehen". Hatte der Autor gemeint, sein "konnte" könnte eine Konjunktivform sein? Kann er nicht nacherleben, wie seine Romangestalt sich zur Zukunft stellt, in feststellender Aussicht oder Möglichkeiten erwägend? Erst einige Zeilen tiefer fällt es ihm dann auf, denn hier "setzte" Ina nicht Terracotta-Töpfe, sondern "würde sie wohl [...] setzen." Würde er kennen, wie der zweite Konjunktiv gebildet wird, und wüsste er, dass die schwach konjugierten Verben ihn nur mit Behelf eines "würde" eindeutig bilden können, so wären seine Sätze hier literarisch aber würdevoller gelungen. Er hat's nicht mit seinem richtigen Gebrauch. Wir werden noch weiterhin - nun ja - schmerzhaft darauf stoßen.

"In der Wärme des Sommerabends atmeten die starren Häuser und wurden zu großen Klangkörpern, wie von Musikinstrumenten, die leise hallen [...]." Was bewirkt dieses verwaiste "von"? Nichts! Es kann doch nur so belebt werden: "Klangkörpern wie die von Musikinstrumenten". Mit "atmeten" und "wurden zu Klangkörpern" wird über die Häuser schon metaphorisch gesprochen. Das "wie" kann demnach nur vergleichend und den "Klangkörpern"sie erläuternd beigesellt werden, oder sie werden selbst bildlich überhöht: "wurden zu Klangkörpern, zu Musikinstrumenten, die ...".

"Ihm war, als stünden alle [...] Wohnungen zu seiner Verfügung [...]." Wie wäre es mit: "Ihm war, als stünden ihm alle ... Wohnungen zur Verfügung"? Durch das Zusammenrücken von ,ihm' und ,alle' werden es genau die Wohnungen, die er gerade, aktuell vor sich sieht.

"[...] als spielten die Leute, die in ihnen die Fenster öffneten und die Rollläden hinaufzogen," macht man das nicht umgekehrt? "ihm bloß vor, wie es sich darin lebte, bis er sich für eine von ihnen entschieden hatte." Eleganter wäre "wie es sich darin lebt", und es hätte "hätte" heißen müssen, denn auch sein Entscheiden hat unser Wohnungsuchender in seiner ausmalenden Vorstellung von jenen Leuten abhängig gemacht, die - irreal - ihm das Rolllädenhinaufziehen und Fensteröffnen solange vorspielen, "bis" ihm war, dass er sich entschieden hätte.

"Ohne sich zu fragen, was er eigentlich suchte [...]." Nein, "suche" oder "sucht"; denn er hält ja, wenn er sich fragt, sein ,nach etwas zu fragen' nicht für unwirklich.

"Unter diesem Baum [einer riesigen Kastanie] zu spielen und aufzuwachsen, in der Gegenwart seiner friedlichen Größe - konnte ein solches Jugenderlebnis nicht vor einer Kindheit im Hochgebirge bestehen?" Danach wäre eine Kindheit in besonderem Umfeld ein Jugenderlebnis. Ein Erlebnis bezieht sich jedoch auf ein einmaliges, zeitlich begrenztes, abgeschlossenes Ereignis.

"Sie genügte ihm, und sie hatte ihm vielfach versichert, dass auch er ihr genüge, sie brauche niemanden sonst, wolle niemanden sonst sehen und betrachte es als einen besonderen Glücksumstand ihrer Ehe, aus dem gesellschaftlichen Betrieb zuhause endgültig herausgezogen zu sein." Also wer oder was jetzt? War sie beteiligt an diesem ihren Glücksumstand, hatte sie ihn vollbracht, nämlich "hinausgezogen" oder schlicht "ausgezogen zu sein", oder dankt sie es ihm, nämlich von ihm "herausgezogen worden zu sein"? Bei Mosebach muss man hineinlesen, was man herauslesen soll.

"In diesem ganzen Viertel, das er mit seinem Fahrrad durchzog, hatte er bis jetzt noch überhaupt keine scheußliche Straße gefunden [...]." Was soll das "überhaupt" an dieser Stelle? Ist sein Streifen durch die Straßen zeitlich bestimmt - dies lassen nahelegen "hatte", "bis jetzt" und "noch" -, dann sollte sich das verstärkende "über Haupt" (das wir dem Viehhandel verdanken), nämlich "über Alles," auf die bisherige Zeit beziehen: "er hatte bis jetzt überhaupt noch keine ...", oder aber, wenn es um die Ansicht der Straße ginge, dann "hatte er bis jetzt noch keine überhaupt scheußliche Straße gefunden". Soll es sich verstärkend auf "keine" wenden, dann hat das "noch" zu entfallen: "hatte er bis jetzt überhaupt keine scheußliche Straße gefunden". So soll es gemeint sein, denn er findet sich - immerhin eine gemeinsame Wohnung für Inas und seine Zukunft suchend - im stillen Protest, fragt es sich doch "[...] woraus bestand schließlich die von seiner Schwiegermutter so drohend und abschätzig beschworene ,scheußliche' Stadt?" Das ist sie doch gar nicht! - so seine gegenwärtige Ansicht.

"[...] dachte nicht an jenen blanken und undurchdringlichen Blick, den sie auf jeden warf, der ihr widersprach." Mag man auch - alliterierend blinzelnd - blanke Blicke werfen, nicht jedoch undurchdringliche. Einem undurchdringlichen Blick begegnet man, man sieht ihn, aber kann ihn nicht sehend machen.

"Das Viertel gefiel dem jungen Mann so gut, dass die Beschaffenheit einer möglichen Wohnung schon beinahe gleichgültig war, wenn sie nur in dieser Gegend lag." "schon beinahe" - muss das sein? So sein? Die Gedankenabfolge, jedenfalls die des jungen Mannes, ist doch die: "Mir gefällt's hier so gut - wie die Wohnung aussehen wird, das ist nicht so wichtig." Und deswegen steht das "schon" an falscher Stelle: "Das Viertel gefiel dem jungen Mann schon so gut, dass die Beschaffenheit einer möglichen Wohnung beinahe gleichgültig war, wenn sie nur in dieser Gegend lag." Dies legt das Gewicht darauf, dass er sich schon für die Umgebung entschieden hatte. "[...] dass die Beschaffenheit einer möglichen Wohnung beinahe schon gleichgültig war [...]" betont seine Gleichgültigkeit gegenüber der Wohnungsqualität und daneben auch, dass er der Umgebung den Wert zumisst. "schon" steht in unseren Beispielen temporal zu "so gut" oder zu "gleichgültig", im Original aber falsch zu "beinahe". Man ersetze "schon" durch "bereits", "fast", "nahezu", und man wird feststellen, dass auch dem jungen Mann ein solcher Satz über ihn nicht bereits beinahe gleichgültig sein kann. Das "schon" drückt den zeitlich abgeschlossenen inneren Prozess des Mannes aus ("schon so gut" oder "schon gleichgültig"), das "beinahe" schränkt die Gleichgültigkeit ein ("fast gleichgültig"). Ein "schon fast" zeugt nicht von guter Hand.

"Eine tote Luft stand in den Räumen, [...] jetzt war es wie bei einem Menschen mit widrigem Geruch, der durch ein Bad eine Weile zurückgedrängt werden mag," der Mensch oder der Geruch? "der einem aber in dieser Höchstpersönlichkeit die Lust", den Satz zu Ende zu zitieren, raubt. Man könnte ja bescheiden anbieten, "jetzt war es wie eines Menschen widriger Geruch, der durch ein Bad eine Weile zurückgedrängt werden mag", aber nicht zurückdrängen lässt sich dessen Höchstpersönlichkeit, und diese kann auch durch Mosebach höchstpersönlich nicht so angestrengt ernst und ironielos substantiviert werden.

"Auch ein Mann, der über einen etwas begabteren Blick auf Räume und die in ihnen ruhenden Möglichkeiten verfügt hätte, ein Mensch mit einem Minimum dekorativer Phantasie, wäre bei diesem Angebot an die Grenzen seines Vorstellungsvermögens geführt worden." (FAZ vom 23. 6. 2007; im Buch S. 16-20) Der Mann muss also möglich sein, denn er kann an die Grenzen seines Vorstellungsvermögens geführt werden. Wieso dann der Irrealis "verfügt hätte"? So wird ein Satz daraus: "Auch ein Mann, der über einen etwas begabteren Blick verfügt, wäre ... ." Und dann diese "dekorative Phantasie". Eine Fantasie kann stark, schwach, müde, bunt, blühend, bunt blühend sein, aber dekorativ? Falsch ist das zwar nicht, aber unerlebt, hingeworfen, schnell fertig mit dem Wort.

"Die einzige große, geradezu prachtvolle Wohnung, die geheimnisvollerweise bezahlbar gewesen wäre - hatte sie etwa Kakerlaken? -," "bezahlbar war" wäre hier die richtige consecutio modorum gewesen, "schnappte ihm ein Rechtsanwaltsehepaar vor der Nase weg", denn dieses Rechtsanwaltsehepaar schildert doch das Präsentische und das Reale der Situation. Was jedoch "geheimnisvollerweise bezahlbar" ist, wird keiner consecutio adverbialis folgen und werden auch Kakerlaken nicht verstehen. Auch der folgende Satz klärt das nicht auf. Er macht aber deutlich, dass Mosebach sich zwar in Konventionen, nicht aber in den beiden möglichen Konjunktiven auskennt, denn "der Hauswirt ließ durchblicken, dass ihm verheiratete Mieter am liebsten wären [...]", "wenn es die denn gäbe" wäre ein solcher Irrealis fortzusetzen. Aber es gibt sie ja, etwa eben jenes Rechtsanwaltspaar, das sicherlich "Der Mond und das Mädchen" - respektvoll erschüttert - lesen wird. Es wäre ihm gewiss nicht oder höchstens geheimnisvollerweise aufgefallen, dass seinem neuen Hauswirt "verheiratete Mieter am liebsten seien" oder "sind." Und auch unserem Mosebach ist der Zugang zu Konjunktiven ein Geheimnis, denn auch das Verb in seinem Satz, der hier folgt, ist so, wie es jetzt steht, wieder missraten: "Sie war heiter und freute sich auf ihre Rückkehr und die Wohnung, als gebe es sie schon." Möge sie, diese Ina, Gott darum bitten, er gebe ihrem Autor auch Sätze, in denen sie leben kann (und nicht "könnte", wie Mosebach schriebe und sie stante auctore ihr nicht gönnt). Und es geht so weiter: Allein durch ein "wären" wäre der Satz "[...] dessen Anzüge ihn so starr und knapp umschlossen, als seien sie aus biegsamem Leichtmetall zusammengeschmiedet" grammatikalisch fest geschmiedet.

"[...] dass die Sarkasmen seiner Schwiegermutter an Ina abperlten, ohne richtig wahrgenommen zu sein [...]." Ja, von wem denn? Von der Schwiegermutter, von Ina, von der Welt? Sicherlich von der Jury der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, die seit Juni 2007 Mosebachs "stilistische Pracht" wahrnimmt, sie ihm am 27. Oktober preisverleihend bestätigt hat und daher auch vernimmt, wen ihr neuer Büchner-Preisträger hier meint. Aber - sie wisse dann auch, dass Mosebach Literatur nur meint! "Vorüber! Ach vorüber! ..." Diese Entscheidung kann doch nicht richtig sein, denkt sich der Leser, weil auch das "richtig" im zitierten Satz nicht richtig ist. Darf es wenigstens hier noch ein bisschen richtiger zugehen: "überhaupt"?

"[...] jede Beschäftigung nur als Übergang, nur als Sprungstein für eine ganze andere zu begreifen [...]." "Sprungstein"? Variatio ... ? "Sprungbrett" - gibt es schon! "Schlussstein" - gibt es auch schon! Ergo "Sprungstein"! - Was wollt ihr denn?

Nehmen wir an, Ina und der junge Mann läsen diesen Satz: "An diesem Tag war ihr Liebesverhältnis in ein neues Stadium getreten." Sie wären ganz sicher aus dem Stadium ihres Verhältnisses getreten und hätten sich für den Rest ihrer Zukunft dieser Literatur verweigert.

Unser Autor liebt "mit": "mit Salzsäure", "mit seinem Sportrad", hier wechselt er auch zu "auf", "mit den fließenden Linien", "mit unbewegter Miene", "mit widrigem Geruch", "mit ihren Dachgeschossen" ...

"An diesem Sommerabend rückten die Taunus-Berge näher, bläulich und mit den fließenden Linien eines gelassenen Ein- und Ausatmens." Mosebach schreibt "mit", aber er meint "in", sonst passt auch das "bläulich" nicht und die Wendung wird bleu mourant. Und da er seinen Bildern nicht traut, stellt er dem "fließenden" ein "Ein- und Ausatmen" bei, das zwar einer anderen Bildwelt entstammt, aber das Fließen eindrücklich machen soll. Um des Sprachrhythmus' willen und da auch, wie er vermeint, dieses sein "Ein- und Ausatmen" allein nicht trägt (dabei wäre es bildhaft genug), muss es ein "gelassenes" sein, als könnte auch ein heftiges vom Leser erwogen werden.

Iam satis!

Nur noch ein letztes Beispiel: "Es war, als gleite er auf einer Schiene voran." "Ihm war, als gleite er auf einer Schiene voran ...", "Es war ihm, als gleite er auf einer Schiene voran ..." - so formuliert glaubt man der Stimmung unseres Radlers und er der seinen. "Es war, ..." - das, dieses "Es", ist der Stand des Beobachters, der von seiner Figur sagt, es ginge ihr so. "Es war, als gleite er auf einer Schiene voran."? Tatsächlich schien ihm, als glitte er auf den Sätzen Mosebachs aus.

Nicht doch, "bin Freund ... sollst sanft in meinen Armen schlafen!"