Was nicht gesagt wurde

Paula Fox lässt die 1940er-Jahre in New Orleans auferstehen

Von Hans Peter RoentgenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Hans Peter Roentgen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Im Vorfrühling des Jahres 1941, dreizehn Jahre nachdem er von zu Hause fortgegangen war, starb mein Vater, Lincoln Bynum, weit weg von meiner Mutter und mir in einem kleinen Küstenort in Nordkalifornien. Das Staunen meiner Mutter über diese Nachricht war groß, und mir kam zum erstenmal zu Bewusstsein, dass sie all diese Jahre geglaubt hatte, er werde am Ende doch noch zurückkehren."

Helen wächst in Poughkeepsie mit ihrer Mutter auf. Sie vermieten Sommerhäuser an Touristen. Doch jetzt, nach dem Tod des Vaters, schickt die Mutter ihre Tochter nach New Orleans. Angeblich, um die Schwester Lulu zu überreden, ebenfalls nach Poughkeepsie zu ziehen. Doch Lulu hat nicht die geringste Lust, aus dem Quarter, dem Bohème-Viertel New Orleans in die Provinz des Staates New York zu ziehen. Helen findet in New Orleans eine Stelle, ein Zimmer bei einem Künstlerehepaar und erlebt voll Staunen die ihr fremde Welt der Bohème des Südens: mit Lulu, die säuft, ihrem Freund Lem, der sie magisch anzieht und Nina, die ihre beste Freundin wird. Nicht zu vergessen Claude, der aus bester Südstaaten-Familie kommt und schwul ist. Doch darüber redet man nicht, nicht mal in der Bohème kann das damals direkt angesprochen werden. Überhaupt gibt es auch dort vieles, was besser unausgesprochen bleibt. Selbst der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs scheint sich hinter den Kulissen abzuspielen.

Paula Fox ist eine Meisterin der Beschreibung und der Andeutung - kann die alltäglichsten Szenen schildern und lässt gleichzeitig ahnen, was dahinter schwelt. Auch in diesem Buch zeigt sie ihre Meisterschaft. Sie zieht die Leser in den Roman hinein, nicht wie in einen Pageturner, den man nicht mehr aus der Hand legen kann, eher wie in ein Stilleben, das bei jedem Betrachten immer neue Aspekte und unerwartete Einblicke zeigt. Fox schreibt Bücher, die langsam gelesen werden wollen.

Allerdings stehen in diesem Band auch viele Szenen, in denen ihre sonst so sichere Hand für Beschreibungen versagt. Da liest man plötzlich Metaphern, die nur hingeschrieben scheinen, um den Leser zu blenden, Beschreibungen, die so gar nichts zur Stimmung beitragen, l'art pour l'art, höchst ungewöhnlich für die sonst so geniale Autorin.

Auch der Schluss, der in den 1960er-Jahren spielt, misslingt ihr zur Farce. So hinterlässt der Roman zwiespältige Gefühle. Wer Paula Fox kennen lernen möchte - und das lohnt sich unbedingt! -, sollte wohl besser mit einem anderen Roman von ihr beginnen, vielleicht "Luisa" oder dem Essayband "Der kälteste Winter".


Titelbild

Paula Fox: Der Gott der Alpträume.
Übersetzt aus dem Englischen von Susanne Röckel.
Verlag C.H.Beck, München 2007.
287 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783406556142

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