Bekenntnis eines Bekehrten

Kein Zweifel, der Krimiautor Heinrich Steinfest ist großartig - sicher auch als Mensch

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Fangen wir mit dem Mäkeln an, damit das ein für allemal erledigt ist. Also, bei allem Respekt des Rezensenten, der ja nichts von dem können muss, was schon einem miserablen Romanschreiber zueigen sein sollte - und Heinrich Steinfest ist, obwohl er weit mehr als die gebotenen drei Bücher geschrieben und veröffentlicht hat, das genaue Gegenteil eines miserablen Romanautors -, auch dieses Buch hat eine Reihe von Mängel. Nur schade, dass mir nicht wirklich einer von ihnen einfällt. Das muss man sich einmal vorstellen! Da hat man das Buch eines Autors verrissen (nun, das war vorletztes Jahr), mit guten Argumenten versteht sich, und sich dabei für manch einen als extrem spaßresistent erwiesen - da gerät man beim nächsten Werk, das einem in die Fänge gerät, ins Schwärmen, Feixen, Schmökern, ins amüsierte Lesen. Peinlich. Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu, oder? Kann man so etwas zulassen? Keineswegs. Aber was bleibt einem?

Heinrich Steinfests Krimi "Die feine Nase der Lilli Steinfest" ist grandios. Das Buch ist großartig übertrieben, hat eigentlich nur durchgeknallte Ideen, die aber derart fein aufeinander abgestimmt sind, dass es Freude macht, ihnen zu folgen. Dabei ist Steinfest auch noch derart unhöflich seinen Figuren gegenüber, dass er sie um die Ecke bringt, sobald man beginnt, sich nicht nur an sie zu gewöhnen, sondern sie auch noch hinreichend sympathisch zu finden. Mit Vögeln hat's der Mann sowieso, dieses Mal sind's die ausgestorbenen Drontes oder Dodos, die einen der Helden antreiben und zu leichtsinnigen spitzen Schreien veranlassen. Auch mit exotischen Schauplätzen hat's Herr Steinfest, und die seien ihm gegönnt. Schließlich ist er sich nicht zu fein, die absurdesten Verschwörungstheorien mit nicht minder absurden realen Ereignissen zu kombinieren. Fungierte hier James Bond als Lehrherr? Die Filmplots sind jedenfalls von teilweiser absurder Komik. Und Frankreich mit eigenem Mars-Raumfahrtprogramm? Frankreich versenkt Greenpeace-Schiff? Wer würde es wagen zu entscheiden, was davon absurd und was davon reale Historie ist?

Alles fängt damit an (was schon gelogen ist, denn alles hat schon vorher angefangen), dass eines Tages ein blutroter Apfel durch eine Fensterscheibe des Heims des Zoologen Georg Stranskys und Familie fliegt. Der Apfel soll gegessen sein, wie nachts eine geheimnisvolle Telefonstimme Stransky mitteilt, ansonsten werde man dieses oder jenes Druckmittel anwenden. Stransky isst, und ist schon verschwunden, soll heißen, er wird zum achten Stein in einem sehr geheimnisvollen Spiel zwischen den Göttern (repräsentiert durch den Griechen Dr. Antigonis) und den Menschen (vertreten durch die mögliche Rumänin Etha Ness). Dieses Spiel besteht daraus, dass Antigonis zehn Personen auswählt, die in Athen zu Besuch sind, und mit einer Batmanfigur (eigentlich natürlich die Null-Serie eines Biohightech-Produkts - auch in solchen Sachen ist Steinfest gnadenlos) ausstattet. Zehn Jahre später verschwinden diese Männer und werden wenig später tot irgendwo auf der Welt aufgefunden, wie Lilli Steinbeck ihrem Vorgesetzten Hübner mitzuteilen weiß.

Die Athen-Fälle: Niemand weiß, was das Ganze soll, weshalb die Männer verschwinden und weshalb sie tot sind, wenn sie wieder auftauchen. Im Fall Stransky macht sich nun Lilli Steinbeck selbst auf die Suche, erst einmal nach Athen, später dann - in wilder Hatz auf Stranskys Fährte - irgendwo auf der Welt. Wie es sich gehört, mit allen Fahrzeugen, die es in globalen Thrillern einzusetzen gilt, und begleitet von einem denkwürdigen, übergewichtigen und fast bewegungsunfähigen griechischen Privatermittler, dem nicht einmal explodierende Hubschrauber etwas anhaben können. Was wohl seine wichtigste Funktion im Roman ist. Auf der wilden Verfolgungsjagd muss sich Steinbeck mit pfeffrigen Fischmäulern abgeben, die man ihr ins Maul stopfen möchte (merkwürdige Art der Sexualfolter), es wird eine Menge geschossen und es kommt eine Menge harmloses Federvieh um.

In dem Spiel zwischen "Menschen" und "Göttern" geht es mal wieder um so etwas wie Weltherrschaft, vielleicht aber auch nur ums Gewinnen. Die zehn Männer werden nach und nach irgendwo auf der Welt ausgesetzt. Die eine Seite (Menschen) muss sie möglichst alle umbringen (ist halt eine mörderische Art, der Mensch). Die andere Seite (Götter) muss versuchen, wenigstens einen durch-, das heißt: wieder nachhause zu bringen. Stransky ist eben nur No. 8. Steinbeck sucht ihn nicht nur als Polizistin, sondern auch im Auftrag des Dr. Antigonis.

Mit welchem Erfolg, das muss man einfach selbst nachlesen. Denn das Allerschönste ist das Ende. Sicher, die Konvention des Krimis fordert ein Ende mit Schrecken, aber eben auch ein Ende des Schreckens. Was aber, wenn es das nicht gibt, sondern nur eine Welt, die weiter existiert, als ob nichts wäre, und eine Lilli Steinbeck, die einen Millionär heiratet, der Violinen sammelt? Nichts wäre dann, außer ein Buch zu Ende.


Titelbild

Heinrich Steinfest: Die feine Nase der Lilli Steinbeck. Kriminalroman.
Piper Verlag, München 2007.
346 Seiten, 12,00 EUR.
ISBN-13: 9783492271370

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