Meditation über den Verlust Teil Zwei

Kluuns zweiter Roman "Ohne Sie"

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Seit dem Erscheinen von Kluuns Roman "Mitten ins Gesicht" (2005), der sich differenziert mit dem Verlust eines Lebenspartners in einer Beziehung auseinandersetzt, konnte man auf den Nachfolger gespannt sein. Kann das thematische Niveau des Erstlings im Nachfolgeroman gehalten werden? Kluun, im wirklichen Leben Raymond van de Klundert, setzt in seinem neuen Roman "Ohne Sie" mit der Hauptfigur Stijn die Geschichte aus "Mitten ins Gesicht" fort. Einige Gemeinsamkeiten, die die Romanfigur mit ihrem Schöpfer teilen muss, bilden den Ausgangspunkt für die Figurenkonstellation des Romans. Stijns Frau Carmen stirbt an Krebs. Die Handlung setzt in den letzten Tagen vor ihrem Tod ein und rekapituliert den Inhalt von "Mitten ins Gesicht" auf den ersten Seiten. Alle Freunde nehmen von ihr Abschied. Die Beerdigung folgt. Stijn, der schon die zwei Jahre vor dem Tod seiner Frau mit der Versorgung und Erziehung der gemeinsamen Tochter Luna beschäftigt war, sieht sich vor einem neuen Problemkomplex stehen: Was ist der Sinn seines Lebens? Wie schafft er es, seine Tochter zu erziehen und wie verarbeitet er den Verlust seiner Frau?

"Ohne Sie" ist in drei Abschnitte unterteilt: "Stijn", "Stijn & Luna und Roos" und "Stijn & Luna". Diese stehen für die drei Entwicklungsstufen der Handlung. Stijn kompensiert anfangs seine Verzweiflung durch Sex und Drogen und holt sich anschließend Rat bei einer spirituellen Therapeutin, die ihm zu einer Reise zusammen mit seiner Tochter rät. Diese Reise wird zu einer Fahrt zu sich selbst und bringt ihn seiner dreijährigen Tochter Luna näher. Die Vorhersage der Therapeutin, Luna werde ihm seine verlorene Liebesfähigkeit wiedergeben, erfüllt sich letztendlich und soll den Fortschritt in seinen Beziehungen markieren. Erfreulich, das Stijn so lernbereit ist. Schön, wenn man es als Autor nur mit einer Romanfigur zu tun hat.

Die Handlung des Romans ist auf die Zielvorgabe des Buches ausgerichtet: die Rettung der Liebe. Dies mag sich vielleicht banal und letztendlich dann auch etwas zu einfach und flach anhören, aber viel mehr gibt Kluuns Roman auch nicht her. Trotzdem bieten die knapp 300 Seiten eine unterhaltende Lektüre mit ordentlich konturierten und lebendigen Personen, sympathischen Charakteren und einem guten Rhythmus des Handlungsverlaufs. Langweilig wird es dem Leser auf keiner Seite, und bestechende Details in der Gestaltung vermitteln die Nähe der Beschreibungen an der Erfahrungswelt des Autors, die einen wesentlichen Aspekt der Qualität des Textes ausmachen. Zum Ende von "Ohne Sie", nach einer fast dreimonatigen Reise durch Thailand und Italien, telefoniert Stijn mit seiner - vermeintlich ehemaligen - Geliebten Roos. Er möchte sie zu sich und seiner Tochter Luna einladen, um gemeinsam Weihnachten in Australien zu feiern. Auf die Frage, warum er sich bei Roos meldet, stottert er ins Telefon: "Weil ich herausgefunden habe, dass ich äh..." - "Dass du was...?" - "Dass ich dich liebe". Das mag zwar etwas kitschig sein, aber charmant ist es allemal!


Titelbild

Kluun: Ohne sie.
Übersetzt aus dem Niederländischen von Kristina Kreuzer.
Scherz Verlag, Frankfurt a. M. 2007.
301 Seiten, 14,90 EUR.
ISBN-13: 9783502101017

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