Achterbahnfahrten eines werdenden Vaters

John von Düffels neuer Roman "Beste Jahre"

Von Anton Philipp KnittelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Anton Philipp Knittel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Vaterbücher sind en vogue. Waren es in den 1970er- und 1980er-Jahren die Söhne, die in meist autobiografisch gefärbten Texten die Suchbilder ihrer Väter zusammenstellten, so sind in den letzten Jahren mehrere Vaterbücher entstanden, in denen Väter ihre Rolle und das Aufwachsen ihrer Kinder reflektieren. Klaus Modick, Burkhard Spinnen oder Dirk von Petersdorff lieferten interessante Beispiele.

Einen Schritt früher setzt John von Düffel (Jahrgang 1966), hoch gelobter Erzähler, Theater- und Hörspielautor, promovierter Philosoph und Dramaturg am Hamburger Thalia Theater, in seinem neuen Roman "Beste Jahre" an. Dabei wagt er sich an ein schwieriges Thema: Vaterwerden in Zeiten der "Reproduktionsmedizin", ein Prozess, der entgegen der alten Meinung Wilhelm Buschs heutzutage durchaus schwer sein kann. Zumindest für von Düffels Held, einen Schauspieler Anfang 40, der mit seiner Frau Lisa die selbstzufriedene Behaglichkeit aufgibt und in eine neue Wohnung zieht. Bis dahin hatte die "Truman-Show des Alltags" kein "Extra-Zimmer". Doch mit dem im Grundriss eingezeichneten Kinderzimmer beginnt der "Sog einer Veränderung". Der Kinderwunsch, bislang unter dem Projektnamen "Obsklappt" mal mehr und mal weniger konkret auf der Tagesordnung, wird nun drängender.

So findet sich das Paar, dessen biologische Uhr heftig tickt, schließlich im Zentrum für Kinderwunschbehandlung wieder, wo sie "ja und amen sagten zu den Achterbahnfahrten des Hormondopings, zu stechuhrartigem Geschlechtsverkehr mit pharmazeutischem Vorspiel, zu Sameneinschwemmungen von Medizinerhand und Befruchtungen im Glas."

John von Düffels Geschichte des schauspielernden Paares, das sich plötzlich ironisch zur "Avantgarde der Familienplanung" zählt und sich für eine "intracytoplasmatische Spermieninjektion" entscheidet, gerät nach einem Drittel allerdings in die Sackgasse eines ermüdenden Spiels mit der Komik eines durchaus gekonnt inszenierten "Karnevals der Klischees": "Hier hingen mehrere Passepartouts an den Wänden, vollgestopft mit Säuglingsfotos, Würmchen in den Bündeln und Strampelanzügen, einige mit affenartiger Behaarung, andere kahl und glatt wie nicht von dieser Welt - ein bunter, kreischender Strauß von Babys unterschiedlicher Größe und Grammzahl, mal in Wiegen oder brutkastenartigen Kinderbettchen, mal in den Armen ihrer erschöpften Mütter, deren bleiche Gesichter mit dem immergleichen Madonnen-Lächeln ihrem Nachwuchs zugewandt waren. Momente von Glück und Erfüllung, zweifellos, die dem nüchternen Betrachter jedoch einigermaßen grotesk erscheinen mußten, weil er diese innigsten Augenblicke nicht nur von außen, sondern noch dazu in Serie sah, ein und dasselbe Motiv in unendlicher Wiederholung und versehen mit einer bestellkatalogartigen Beschriftung: IVF-Kind, 3.143 Gramm, ICSI-Kind, 2.859 Gramm, und so weiter."

Doch vor dem Verharren in melancholisch-heiteren Slapsticks bewahrt die Geschichte neben der Figur des alten Griechischlehrers Dr. Moosheimer schließlich das alter ego aus alten Schultagen, nämlich HC, und vor allem Doreen, eine verflossene Liebe des Erzählers aus seiner Zeit am Stendaler Theater.

Weniger der Wechsel der Erzählerperspektive als vielmehr die Verschachtelung einer doppelten und doppelt verhinderten ménage à trois mit ihrem versöhnlichen Ausgang hält die Spannung bis zum Schluss.

So ist ein lesenswerter Roman entstanden, der der Gratwanderung zwischen "Erfüllung oder Verzweiflung" mit Ironie, Wortwitz und Humor entgegentritt.


Titelbild

John von Düffel: Beste Jahre. Roman.
DuMont Buchverlag, Köln 2007.
249 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783832180355

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