Katalog des real Absurden

Mit "QQ" ist 2007 eine neue Sammlung von 22 Titanic-Kolumnen Max Goldts erschienen

Von Felix KötherRSS-Newsfeed neuer Artikel von Felix Köther

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Liest man den Titel von Max Goldts aktuellem Buch "QQ" - abkürzend für "quiet quality": "stille Güte" -, so verspürt man eine gewisse Erleichterung, sogar Dankbarkeit. Der Autor selbst spricht also von stiller Qualität - wenn das keine Steilvorlage ist. Dann vollzieht der Rezensent den nächsten logischen Schritt, dreht das Buch um und liest sich den Buchrückentext durch - was er freilich niemals zugeben würde, gegenüber Mitmenschen gibt er beständig an, bei den Rezensionsexemplaren der Unbefangenheit halber sofort den Schutzumschlag abzureißen und zu verfeuern.

Der Klappentext stammt von Daniel Kehlmann, und der schreibt also: "Dass Max Goldts Werk sehr komisch ist, weiß ja nun jeder gute Mensch zwischen Passau und Flensburg. Dass es aber, liest man es genau, zum am feinsten Gearbeiteten gehört, was unsere Literatur zu bieten hat, dass es wahre Wunder an Eleganz und Poesie enthält und dass sich hinter seinen trügerischen Gedankenfluchten die genaueste Komposition und eine blendend helle moralische Intelligenz verbergen, entgeht noch immer vielen". Von wegen "quiet". Aber: Kehlmann hat recht. Lediglich die "wahre[n] Wunder" an "Poesie" kann man lange suchen. Da hat Kehlmann, Gott sei Dank, übertrieben, denn Goldt wäre auch nicht Goldt und keineswegs so unterhaltsam, würde er gleich mit wahren Wundern auftrumpfen, und Eleganz liegt bekanntlich im Auge des Betrachters. Immerhin: Es gibt eine spezifisch-eigene Goldt'sche Eleganz, und die ist "very sophisticated", wie man im angelsächsischen Sprachraum sagen würde. Die neue, aktuelle Sammlung von Kolumnen, die ursprünglich in der Satirezeitschrift "Titanic" erschienenen sind, mit gelegentlicher Überarbeitung zusammengestellt, "QQ" also, ist grundsolide Satire, sehr komisch, in bester Tradition, vor allem in Goldts eigener.

Aber der Autor schafft sehr viel mehr. Er schöpft aus - und das folgende Wort steht ungeachtet seines eigenen Ausspruches "Fuck Alltagsbeobachtungen! [...] Ich kann gar keinen Alltag beobachten, weil ich in einer glitzernden Traumwelt gefangengehalten werde" - Alltagsbeobachtungen, er katalogisiert, archiviert und kommentiert erneut das real, alltäglich Absurde, eigentlich widersprüchliches Bekanntes, Erscheinungen der Alltagskultur, bewertet sie und ihren Wandel, fügt Kindheits-, Jugend- und Masturbationserinnerungen hinzu. Das alles in, wie gesagt, bester eigener Tradition und mit feuilletonistischem Handwerk und sprachspielerischer Eloquenz. "Quiet quality" steht bei Goldt auch für eine bessere, subtilere, leisere Alltags- und Sprachästhetik, für die er, mal engagierter, mal indirekter plädiert.

Der Kolumnist geht mit seinem Material liebevoll um, so dass manches Plädoyer für eine "stille Güte" oft umschlägt in die scheinbare Akzeptanz mancher Marotten und an sich irrationaler Erscheinungen, die so eher kultiviert werden als wirklich bekämpft. So wie eine funktionierende Pointe oft eine - bewusste oder unbewusste, notgedrungene oder freiwillige - Akzeptanz eines Widerspruchs bedeutet.

Wie gewohnt wird auch die Kunst der Abschweifung kultiviert. Oft ist es Goldts mäandernder Assoziationsfluss, der die Basis des Komischen darstellt. Er benötigt prinzipiell keine übermäßige Schärfe, keine große Polemik, keinen Tabu-Bruch und keine Zoten, um seine Komik entstehen zu lassen. In naiver Leser-Erwartung einer Schlusspointe könnte das Motto mancher Kolumne bei Goldt nicht selten das der englischen Komiker-Truppe "Monty Python" sein, die als Überleitung zwischen Sketchen den Satz "and now to something completely different" prägte.

Zwar ist Goldt natürlich keineswegs der erste Satiriker, der alltäglich Absurdes und Anektdotisches zusammenträgt und verdichtet, aber gerade in seinem Stil erreicht er eine Qualität, ebenso wie "Monty Python" keineswegs die Erfinder des von ihnen so gepflegten schwarzen Humors waren, ihn jedoch auf die Spitze trieben. "Der Weg ist das Ziel", das wäre so eine schöne Phrase, dank derer man von Goldt wohl mit der Teflonpfanne erschlagen werden würde.

Ein weiterer Unterschied zu "Monty Python" wäre dann wohl auch, neben der natürlich nicht gerade nebensächlichen Verschiedenheit von Genre und Medium, dass die Engländer darauf verzichteten, ihre kreativen Ergebnisse derart mehrfach zu vermarkten, wie Goldt es immer wieder gerne tut (siehe dazu auch literaturkritik.de Nr. 1 2006, "Auch Bücher mögen Face-Liftings").

Der kritische Schriftsteller hasst (auch) sprachliche Abgründe. Thematisiert Goldt in "Dem Elend probesitzen" etwa Eigenheiten eines Pauschalurlaubs auf Malta, wobei der Aufenthalt in billigen Hotels als Testsimulation eines sozialen Abstiegs vorgeschlagen wird, räsoniert er im Text "Hannah Arendt hat recht" nicht mehr über pauschalem Urlaub, sondern über "Phrasengerümpel" und den "hässlichsten Satz der deutschen Sprache".

In "Nein zum Masermontag" plädiert Goldt gegen die Einführung des "Doppel- bis Dreifachfeiertages" "Masern", der etwa im Frühherbst liegen und eine regelmäßigere Verteilung größerer Feiertage im Jahr herstellen könnte. Allerdings, dank Auf-Sippe-Machen und Heimatfilmen wohl in unvermeidlichen Feiertagsermüdungserscheinungen enden würde. Nicht ausschließen will und kann er dagegen, dass - dank hypothetischer Veränderungen der Fauna aufgrund der Erderwärmung - in der Zukunft Pelikane zum Pilze sammeln abgerichtet werden und die von ihnen gefundene Pilze erst durch das "Schnabelsackaroma" zum Luxusgut werden - ähnlich wie Kopi Luwak der teuerste Kaffee der Welt ist, da sein besonderes Aroma eben daher rührt, dass die Bohnen, ohne verdaut zu werden, durch den Darm einer Schleichkatze "mit dem wie in trunkenem Zustand ausgedacht klingendem Namen Paradoxurus hermaphroditus" wandern und, wieder ausgeschieden, schließlich eingesammelt werden.

Hier ein kurzer assoziativer Rückgriff auf die "Monty Python"-Truppe, deren Gründungsmitglied John Cleese den Geschmack des Kopi Luwak wie folgt beschrieb: "Erdig, modrig, mild, sirupgleich, gehaltvoll und mit Untertönen von Dschungel und Schokolade". So ähnlich stellt man es sich wohl auch vor.


Titelbild

Max Goldt: QQ.
Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2007.
156 Seiten, 17,90 EUR.
ISBN-13: 9783871345814

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