Apokalyptische Funksprüche

Eine kleine Presseschau zum Werk Dietmar Daths

Von Jan SüselbeckRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jan Süselbeck

Das Pressedossier zu Dietmar Dath wird immer dicker. Seit den 1990er-Jahren hatte der Autor bereits zahlreiche Romane im Verbrecher Verlag publiziert. Doch auch bei Suhrkamp sind innerhalb von drei Jahren drei Bücher erschienen: "Die salzweißen Augen" (2005), "Dirac" (2006) und zuletzt "Waffenwetter" (2007).

In der österreichischen Zeitung "Volltext" heißt es im November 2006: "In seinen Romanen, Essays und Sachbüchern zeigt sich Dath als ein universell neugieriger Autor, der sich mit einer erstaunlichen Breite von Phänomenen beschäftigt: Linke Theorie, Kunst, Physik, Science-Fiction, Fernsehserien, Heavy Metal, Ufos - in Daths Texten findet zusammen, was in den Köpfen real existierender Zeitgenossen ohnehin längst nebeneinander wohnt."

So oder ähnlich konfus hören sich die meisten Aufzählungen an, die in der Presse in den letzten Jahren formuliert wurden, wenn der Name Dath zur Debatte stand. Hier zum Vergleich nur ein weiteres Beispiel aus der "Süddeutschen Zeitung" vom 4. November 2005, das wiederum auszugsweise auf eine Selbstauskunft Daths rekurriert: "Beängstigend produktiv ist Dietmar Dath in den vergangenen Jahren gewesen, hat in dichter Frequenz Bücher über Mathematik und Computer, Prosatexte und dickleibige Romane veröffentlicht, die kein Thema ausließen, vor allem nicht 'Pädophilie, Hillary Clinton, Wölfe, Molekulargenetik, die Nato, die Schulden der Dritten Welt, süddeutsche Provinznester, Schnee, Nazis, Islamismus, Ehebruch, Videokunst, Poststrukturalismus'".

Hier wird die Themenbreite von Daths beinahe tausendseitigem Werwolfsroman "Für immer in Honig" (2005) aufgefächert, der zuerst im selbst gegründeten Implex Verlag erschien und demnächst im Verbrecher Verlag neu aufgelegt wird. Dem Feuilleton der "Welt" entnehmen wir im Erscheinungsjahr dieses voluminösen Konvoluts, dass der "dunkle Lord des FAZ-Feuilletons" in "Für immer in Honig" eigenen Angaben nach nicht weniger geschrieben habe als alles, "was zu sämtlichen Dingen zu sagen war". Wegen dieses veritablen "Metaversums" als eigener "Welt aus Papier" vergleicht FAZ-Autor Oliver Jungen den "literarischen Amokläufer" Dath in seiner Rezension des aktuellen Romans "Waffenwetter" sogar mit Alfred Döblin (10. Oktober 2007).

In "Volltext" gab es 2006 ein Interview mit dem Autor, in dem er gefragt wird, seit wann er schreibe. Die Antwort lautet: "Seit fünfundzwanzig Jahren; langsam geht's." Und dann wird der Workaholic auch noch mit der Feststellung konfrontiert: "FAZ-Redakteur, Spex-Herausgeber - das sind aufreibende Full-Time-Jobs. Trotzdem ist Dein literarischer Output gewaltig." Darauf Dath: "Schwere Anstrengungen sind etwas Fabelhaftes, wir Geistesmenschen sollten nicht den ganzen Spaß den Extremsportidioten überlassen."

Das Stichwort "Geistesmensch" sagt 'naturgemäß' schon lange niemand mehr, ohne sich zu verraten. Und gerade im Suhrkamp-Kosmos kommt der Selbstbeschreibung eine besondere Relevanz zu. Deutet sie doch untrüglich auf die Lektüre Thomas Bernhards hin. Und tatsächlich nennt Dath folgende "Science-Fiction"- und "Horror-Autoren", die ihn beeinflusst haben: "Carl Amery, Arno Schmidt, Wolfgang Jeschke, William Voltz. Horror: Thomas Bernhard". Andererseits bekennt sich Dath gegenüber "Volltext" aber auch zu "Batman, den Schlümpfen und den Simpsons", "weil die Schnittmenge dieser Weltbetrachtungsweisen so ziemlich mein Hirn ergibt". Überhaupt gilt hier wohl Daths Ausspruch, der bereits zu einem geflügelten Wort geworden ist: "Man kann sich die Arschlöcher, die einem Beachtenswertes zufunken, nicht immer aussuchen."

Und was funkt uns Dath selbst zu? In "Volltext" bekennt er 2006: "Falls ich vor der FAZ-Zeit noch kein entschlossener Feind des bestehenden Systems war - jetzt bin ich's." Und im selben Jahr sagt der Autor, der heute seinen Redakteursdienst bei der "Zeitung für Deutschland" bereits quittiert hat, den "Nürnberger Nachrichten" auf die Frage, ob er mit der "kommunistischen Ideologie der Gleichheit" konform gehe: "Ich sympathisiere mit allen Bemühungen, eine Gesellschaftsordnung zu erreichen, in der vermeidbares Elend, unnötige Dummheit und Hässlichkeit vermieden werden. Sterben müssen wir trotzdem irgendwann. Wenn Sie meinen, welche Empfindungen ich mit Namen wie Marx oder Lenin verbinde, so lautet die unverblümte Antwort: überaus angenehme und für meine Arbeit nützliche."

Was das Sterben betrifft, so verstört Dath nicht zuletzt mit einer beunruhigenden Prophezeihung. Sagt er doch den voraussichtlichen Weltuntergang für den 22. Dezember 2012 voraus: "An diesem Tag beginnt entweder eine Invasion nichtmenschlicher Intelligenzen, oder die Zeit hört auf. Das weiß ich aus dem Kalender der Mayas." "Kann der Weltuntergang noch verhindert werden?", fragt darauf "Volltext" etwas bang. Antwort: "Wahrscheinlich nicht. Er könnte aber früher eintreten als erwartet."