Fotoalbum für Wehrsport-Fans

Nils Fabiansson hat Schauplätze von Ernst Jüngers Kriegstagebuch "In Stahlgewittern" aufgesucht

Von Jan SüselbeckRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jan Süselbeck

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es musste ja so kommen. Pünktlich zum 10. Todestag Ernst Jüngers am 17. Februar 2008 ist ein "Begleitbuch" zu seinem wohl bekanntesten Text "In Stahlgewittern" erschienen. Es stammt allerdings von keinem Literaturwissenschaftler, sondern von einem studierten schwedischen Archäologen, der in seinem Band biografische und topografische Materialien zu Jüngers Werk versammelt und viele farbige Abbildungen beziehungsweise Reproduktionen aus den Tagebüchern des Schriftstellers - teils zum ersten mal - veröffentlicht hat.

Nils Fabiansson heißt der Stockholmer, der sich laut Autor-Informationen im Anhang des Bands im Internet als populärwissenschaftlicher "Reiseführer"-Historiker für "alle an der West-Front Interessierten" einen Namen gemacht hat und derzeit als redaktioneller Mitarbeiter der "Historischen Zeitschrift" des schwedischen Historikerverbands firmiert.

Wenn sich detailverliebte Militärfreaks dazu berufen fühlen, bei der Aufarbeitung solcher Literatur wie der Ernst Jüngers mitzuhelfen, indem sie emsig Originalschauplätze fiktionalisierter Szenen aufzufinden und zu dokumentieren versuchen, läuten bei jedem klar denkenden Menschen die Alarmglocken. Werden doch solche Untersuchungen in der Regel aus einer unreflektierten und vollkommen unkritischen Begeisterung heraus verfasst. Sie dienen in leicht durchschaubarer Weise der Befriedigung der niederen Gelüste blinden Fantums oder auch eines voyeuristischen Biografismus' - nicht aber der Beantwortung philologischer, historischer oder gar ideologiekritischer Fragestellungen.

Das Ganze lässt sich zum Beispiel auch gut in den Hobbyforscher-Randzonen der Arno-Schmidt-Gemeinde beobachten, wo sich eifrige Rentner und lokalpatriotische Dorfpublizisten gerne um das Andenken ihres favorisierten Autors verdient zu machen versuchen, indem sie die genaue Lage irgendwelcher Häuser bestimmen, die in einem seiner Romane vorkommen.

Schmidt, den Jünger bekanntlich außerordentlich schätzte, ist aber wenigstens kein Schriftsteller, der bis zuletzt stolz darauf war, für ein uniformiertes und hirntot gedrilltes nationales Kollektiv Menschen umgebracht zu haben. Dass sich Jünger nie ausdrücklich von seiner fragwürdigen Rolle im Ersten Weltkrieg und im "Dritten Reich" distanzierte und bis zuletzt ein durchgeknallter Militarist mit pseudoaristokratischem Elite-Dünkel blieb, macht es umso wichtiger, genau zu beachten, aus welchem Umfeld Wortmeldungen zu seinem - unabhängig davon selbstverständlich untersuchenswerten - Werk stammen.

So nimmt es sich in Fabianssons Fall nicht eben beruhigend aus, dass sein Band eingangs als Teil einer "Jahresgabe des Freundeskreises der Brüder Ernst und Friedrich Jünger e.V." bezeichnet wird. Der Autor selbst bedankt sich im Anhang seiner Studie "für die Bereitschaft, mein Manuskript zu veröffentlichen [...]. Es freut mich ganz besonders, dass diese Arbeit in jenem Haus erscheint, das Jüngers erster Verlag war und der nahezu ein Jahrhundert lang zu seinen Verlagen zählte." Damit nicht genug. Geht es in dem Verlagsprogramm doch neben der "Deutschen Verwaltungspraxis" um allerlei Militaria. Unter anderem bietet man bei E.S. Mittler & Sohn Hans Franks interessantes Buch "Die deutschen Schnellboote im Einsatz - Von den Anfängen bis 1945" an, worüber es auf der Website des Verlags heißt: "Auf zahlreichen farbigen Kartenskizzen verdeutlicht der Autor, Vizeadmiral a.D. mit umfassender Truppenerfahrung in der Schnellbootwaffe, ausgewählte Operationen auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen, vom Nordkap bis zum Mittelmeer, vom Kanal über die Ostsee bis ins Schwarze Meer. Fotos von den Schnellbooten auf Feindfahrt, im Hafen und bei Wartungsarbeiten geben einen Eindruck vom Alltagsleben der Besatzungen und zeigen technische Details."

Entsprechend distanzlos mutet auch Fabianssons Dokumentation der "Stahlgewitter"-Schauplätze an. Da findet sich direkt unter einem geradezu nekrophilen, makaberen Foto eines geöffneten Massengrabs deutscher Soldaten, auf dem die weit aufgerissenen Kiefer der offenbar unter großen Schmerzen krepierten Rekruten auffallen, eine Fotografie eines idyllisch grünen Felds, die von überall her stammen könnte. Daneben ist jedoch unter anderem die lakonische Bemerkung zu lesen: "Jünger erschoß hier einen jungen britischen Soldaten".

Einmal abgesehen von der Fragwürdigkeit des geistigen Mehrwerts derartiger, nur schwer überprüfbarer Informationen fällt auf, dass dem Autor die fatale Wirkung seines illustrativen Arrangements vor lauter detektivischer Schauplatz-Euphorie offenbar gar nicht mehr bewusst ist. Und wenn doch, so frappiert die vollkommene Übernahme der 'kalten' soldatischen Blicks auf Leichenhaufen und die staunenswerte Selbstverständlichkeit, mit der hier mörderische Taten Jüngers biografisch zugeordnet werden, ohne dass sie noch in irgend einer Weise problematisiert würden.

Auch Jüngers bizarre Eigenart, fetischartige Objekte wie einen durchschossenen Stahlhelm in seinem Wilflinger Haus zu horten, wird hier nicht weiter hinterfragt, sondern abermals fotografisch belegt und kommentarlos mit der entsprechenden Stelle aus den "Stahlgewittern" parallelisiert: "Er hatte einen Schuß ins Auge bekommen. Das Geschoss hatte beim Austritt die Schläfe durchbohrt und den Rand seines Stahlhelms zerschmettert, den ich als Trophäe an mich nahm."

Die Zielgruppe derartiger Veröffentlichungen dürfte klar sein: Maximal handelt es sich um konservative Redakteure von der Sorte Lorenz Jägers - Leuten also, die ganze Bücher schreiben, in denen sie sich darüber betrübt zeigen, dass die Hakenkreuze im Begriff seien, endgültig aus der Symbolwelt Europas zu verschwinden. Möglicherweise wäre aber selbst einer wie Jäger noch zu klug, um sich solche Fotoalben für geistige Wehrsporthelden anzutun. Vielleicht wird das Buch ja wenigstens noch in der "Jungen Freiheit" gelobt.


Titelbild

Nils Fabiansson: Das Begleitbuch zu Ernst Jünger: In Stahlgewittern.
Verlag E. S. Mittler & Sohn, Hamburg 2008.
158 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783813208887

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