Oma Fina voll auf Droge

Jutta Stina Strauss lässt alte Augen wieder glänzen

Von Frank HertelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Frank Hertel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Oh, wie ist das Alter grau und trist. Und es gibt so viele ältere Menschen in Deutschland. Kann man die denn nicht ein bisschen aufheitern? Das Fernsehen und die Renten sind ja eher mau. Man kann. Gib einer 84jährigen Oma, nennen wir sie Oma Ziggan oder Oma Fina, eine Mischung aus Amphetamin und Ecstasy, und - Wow - schon tanzt die Mutter. Die beiden Best-Ager räumen ihren Garten auf, attackieren wehrlose Beton-Rehe mit gezielten Tritten, und stellen sich zu guter letzt ein Pferd vors Haus, pardon, ein Pony. Kann passieren, wenn man drauf ist.

Ein Drogenkrimi mit alten Omas? Im Saarland? Mit einem Kommissar Guzzo? Huh, klingt witzig. Nicht so aseptisch wie CSI. Nicht amerikanisch, clean, hart, brutal. Eher provinziell, schunkelnd, schmunzelnd, augenzwinkernd. Und, ja, das ist hier auch zu finden: das saarländische Idiom. Inspektor Palü lässt grüßen. Heinz Becker auch. Erstaunlich nur, dass eine geborene Schwedin so urdeutsch parlieren lassen kann.

Jutta Stina Strauss hat in ihrem Debüt-Roman viel Anstrengung walten lassen, um gut zu sein, um wirklich Spaß zu machen. Man merkt dem Krimi diese Mühen etwas an. Das Wort Metaphernbad schwingt dem Leser schnell und bedrohlich im Kopf herum. Einmal wird es richtig krass: "Die beiden schlurften so mutlos von dannen, als habe man ihnen soeben das Rückgrat gebrochen." Autsch, da muss man sich zurücklehnen, bis der Schmerz nachlässt. Aber man drückt ein Auge zu. Ist ja nicht jeder ein Hape Kerkeling.

Wenn man eine Oma ist, dann hat man Enkel. Mit dem Enkel von Oma Josefine hat es etwas auf sich. Er ist Schwerverbrecher. Nun gut. Er haut hin und wieder seinem Nächsten ins Gesicht und hat Pickel, weil er sich nicht gesund ernährt, wenig schläft und dauernd zugedröhnt ist mit dem Amphetaminkram. Es gibt eine Leiche, das war mal eine junge Frau. Und es gibt Svea. Die lebt noch und isst gerne Pralinen. Da wird ganz genau beschrieben, was für eine Sorte, ob rosa Crème- oder Mokkafüllung. Svea ist die emanzipierte Frau von Guzzo. Emanzipiert, weil sie nicht kocht oder wenn, schlecht, weil sie anstatt eines Kindes einen Hund hat und statt Langeweile einen Job. Nein, drei Jobs: Uni-Dozentin, Dolmetscherin und Buchhändlerin. Hey, Moment mal. Die Autorin macht ja genau das selbe! Steht auf dem Klappentext. Typischer Fall von ,altem Ego'.

Und Guzzo? Wie macht er sich, der neue Kommissar in seiner ersten Folge? Na ja, so richtig warm mag man mit ihm nicht werden. Wirklich sonntagabendtauglich als Figur für den gescheit(ert)en deutschen Leser ist er noch nicht. Keine Laster. Viel zu brav. Säuft nicht. Ist nicht fett. Keine Depressionen. Keine Spleens. Steht ein bisschen auf Frau Beasly, seine Sekretärin. Aber nur Blicke, nichts für den Beichtstuhl. Dem Mann könnte man noch ein paar Macken verpassen. Nur mit Fehlern sind die Leute sympathisch.

Ein echter Treffer dagegen ist die Mutter von Svea, also Guzzos Schwiegermutter. Die kommt aus Schweden und spricht Deutsch, wie eine Schwedin, die schlecht deutsch spricht. Das hat was. Das fetzt. Überhaupt scheint Frau Strauss ein gutes Ohr für Mundarten zu haben. Oft dringt das breite Saarländisch wunderbar aus den Zeilen. Pfälzisch ist auch dabei und Westfälisch - ein schöner Rundgang durch den deutschen Münderwald. Was verwundert ist nur, dass die alten Omas, immerhin schon Mitte 80, ziemlich jung sprechen. "Verdammt" heißt es da oft, und von "Stalkern" ist die Rede. Aber Drogen belasten bekanntlich das Sprachzentrum. Wer sich wie 20 fühlt, spricht auch wie 20.

Der vereidigte Moralkeulenschwinger muss natürlich bemängeln, dass viel zu wenig Blut fließt, ähm, dass natürlich die Drogenproblematik zu wenig entschlossen dramatisiert wird. Man hat direkt Lust, sich auch mal die Nase zu pudern. Aber erstens spielt der Plot im kuscheligen Saarland und zweitens hat man sich das Buch eben wegen des schneidigen Titels besorgt. Schade nur, dass der Kosakenkaffee eine so untergeordnete Rolle spielt. Es handelt sich um einen Likör, den die beiden Omas drei, vier Mal hervorholen, um zu feiern. Richtig blau werden sie nicht. Ihre Räusche bleiben so harmlos wie das ganze Buch.


Titelbild

Jutta Stina Strauss: Koks und Kosakenkaffee. Krimi.
Conte-Verlag, Saarbrücken 2007.
286 Seiten, 13,90 EUR.
ISBN-13: 9783936950540

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