Der Schleier der Frau ist die Ehre des Mannes

Maryam Taherifards ethnografische Feldstudie zur Sexualität von Frauen im Iran

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ende 2007 wird eine junge Ärztin gemeinsam mit ihrem Gefährten in einem Park angetroffen und sofort verhaftet, und zwar mit einer Begründung, die nur in einer islamistischen Theokratie wie dem Iran denkbar ist: Die beiden haben "keine religiös legitimierte Beziehung". Während der Mann umgehend wieder freigelassen wird, wird die Frau ins "Amt für moralische Sicherheit" verschleppt, dessen Name schon das Schlimmste befürchten lässt. Und richtig: Zwei Tage später ist sie tot. Angeblich hat sie sich in der Haft erhängt. Dem widerspricht allerdings, dass Nase und Ohren der Leiche blutverschmiert sind und ihre Beine eine bläuliche Färbung aufweisen. Amir Hassan Cheheltan zufolge, der in der "Süddeutschen Zeitung" vom 29.01.2008 über den Vorfall informierte, deuten die Verletzungen der Frau - laut einem ärztlichen Gutachten - darauf hin, dass sie zunächst vergewaltigt und dann durch Schläge auf den Kopf ermordet wurde.

Wie man sich leicht denken kann, handelte es sich bei der Toten nicht um die einzige Frau, die wegen ähnlicher Vorwürfe in iranischen Gefängnissen festgehalten wird. Cheheltan berichtet weiter, dass im Iran derzeit allein neun "Ehebrecherinnen" der Todesstrafe durch Steinigung entgegensehen. Unter ihnen auch Frauen, die von ihren Ehemännern anderen Männern "zur Verfügung gestellt" wurden. Sein Bericht wirft ein grelles Schlaglicht ins Zentrum der Sexualmoral im Iran des Jahres 28 nach der theokratischen Machtergreifung.

Dass diese durch Doppelmoral und Misogynie geprägt sind, zeigt nicht nur die Reaktion der Tugendwächter auf das Paar im Park, die für den Mann eine kurze Festnahme, für die Frau aber den Tod bedeutete, sondern auch ein nun unter dem Titel "Sittlichkeit und Sinnlichkeit" erschienenes Buch, das sich ganz auf die "weibliche Sexualität im Iran" konzentriert. Seine Autorin, Maryam Taherifard, ist geborene Iranerin und hat nach eigenem Bekenntnis den Islam "geerbt", ohne ihn allerdings zu "praktizieren". Vor einigen Jahren erhielt sie in Deutschland Asyl. Sie studierte und promovierte. In ihrer nun als Buch vorliegenden Dissertation untersucht sie anhand von Feldforschungen die Sexualität iranischer Frauen nicht nur im gegenwärtigen islamischen Gottesstaat, sondern über drei Generationen hinweg - also nahezu vom Beginn des 20. Jahrhunderts an, wobei sie jeweils Großmütter, Mütter und Töchter mehrer Familien befragte, um den historischen Wandeln über mehrere Gesellschafts- und Staatsformen hinweg erfassen zu können.

Drei Themenbereiche stehen im Zentrum der Interviews: wie die Frauen "Menarche und Menstruation" erlebten, wie sie sexuell aufgeklärt wurden und wie sie ihre Sexualität empfinden. Die Autorin stellt zunächst die Aussagen der weiblichen Angehörigen einer Familie gegenüber, "um die Übereinstimmungen und Unterschiede ihrer Einstellungen in Bezug auf die Menstruation und Sexualität herauszufinden". Sodann vergleicht sie die Haltungen der interviewten Frauen insgesamt, um den je unterschiedlichen Einfluss von Bildung, Religion und Gesellschaft auf die Entwicklung der weiblichen Sexualität der Frauen "herauszuarbeiten". Zuletzt beleuchtet sie die "Veränderungen der Einstellungen zur Sexualität der neuen Generation iranischer Mädchen und junger Frauen".

Von den nahezu 50 im Jahre 2003 interviewten Frauen waren sämtliche Großmütter (im Alter von 67 bis 82 Jahren) Analphabetinnen, die Mütter (45 bis 55 Jahre) meist Abiturientinnen und die Töchter (15 bis 26 Jahre) Studentinnen. Zwar hat die Autorin darauf geachtet, sowohl Familien aus einer iranischen Metropole - in diesem Fall Teheran - einer Kleinstadt und aus der nomadischen Landbevölkerung zu befragen. Repräsentativ dürften die Interviews dennoch kaum ausfallen, handelt es sich bei den Frauen der zweiten und dritten Generation doch fast ausnahmslos um Intellektuelle. Hinzu kommt, dass alleine die Bereitschaft, sich über das nicht nur im Iran tabuisierte Thema der Sexualität befragen zu lassen, schon ein - wenn auch unvermeidliches - Auswahlkriterium bildet. Darüber hinaus benennt die Autorin selbst einige in den Interviews nicht zu füllende "Leerstellen". Die Frauen waren weder bereit, über "sexuelle Gewalt" und "sexuelle[n] Missbrauch (in der Familie)" zu sprechen, noch über "Homosexualität". Ungeachtet all dessen gewähren die Interviews tiefere und detailliertere Einblicke in das Sexualitätserleben und das Sittlichkeitsempfinden iranischer Frauen als dies deutschsprachige Forschungen bislang erlaubt haben.

Ziel der Arbeit ist es, "Defizite in der Sexualerziehung im Iran und ihre Folgen bewusst [zu] machen und dadurch [zu] verringern", "reale Möglichkeiten" aufzuzeigen, "wie sich die Entfaltung eines Mädchens auf dem Weg zur Frau erfüllen könnte", sowie künftige sexualpädagogische Konzepte im Iran vorzubereiten. So erörtert die Autorin abschließend die "Chancen für eine sexuelle Aufklärung im Iran aus westlichen Perspektiven". Doch ist ihre Haltung zu der Frage, inwiefern sich Iranerinnen (und Iraner) am 'westlichen' Verhältnis zur Sexualität (das so einheitlich gar nicht ist) orientieren sollen oder können, durchaus nicht eindeutig. Einerseits erklärt Taherifard zwar, dass "gesellschaftliche Entwicklungen in Europa, Debatten und Formen des Umgangs mit der Sexualität [...] die Folie [bilden], zu der ich die Befunde aus meiner Feldforschung im Iran in Beziehung setzen will", doch sollen sie "keinesfalls als Maßstab zur Beurteilung der Situation in einem historisch, kulturell, religiös und sozial ganz anders geprägten Land dienen". Wenig später gilt ihr die "historische, gesellschaftliche, politische, religiöse und soziale Situation im Iran" als "Folie" vor der "Lebenssituation und Erfahrungen" der interviewten Frauen interpretiert werden sollen. Nun lehnt sie es noch deutlicher ab, deren Sexualität "an einem vermeintlich westlichen Vorbild" zu "messen".

Bevor Taherifard ihre empirischen Befunde mitteilt und auswertet, legt sie ihr methodisches Vorgehen offen und zeichnet in einem historischen Überblick die "Emanzipationsbewegungen" europäischer (namentlich deutscher) Frauen im 20. Jahrhundert nach. Ein Kapitel, das man getrost überblättern kann. Ist einem die Geschichte der deutschen Frauenbewegung auch nur in groben Zügen einigermaßen geläufig, wird man nichts Neues erfahren, sondern sich nur über die zahlreichen Ungenauigkeiten, Verkürzungen, Fehler und Missverständnisse ärgern; ist einem das Thema hingegen fremd, kann man nicht zwischen zutreffenden Aussagen und den nicht eben seltenen Fehlinformationen unterscheiden, läuft also Gefahr, letzteren aufzusitzen. Zu den Schnitzern zählt etwa, dass die Autorin "griechische Philosophie" und "römische Gesetze" den "Glaubensrichtungen" zuschlägt, Rosa Luxemburg als "Frauenrechtlerin" führt und jenseits aller jüngeren biologischen und kulturwissenschaftlichen Erkenntnisse konstatiert, ein Mensch sei "entweder weiblich oder männlich". Und dass es über Gender Mainstreaming "nur wenig ausführliche Literatur" gebe, kann man allenfalls behaupten, wenn man nicht recherchiert hat. Die Deutsche Nationalbibliothek etwa listet rund zweihundert Publikationen auf, die den Begriff im Titel führen. Bedenklicher als derlei ist jedoch, dass die Autorin ihren Streifzug durch den europäischen Feminismus mit einem lobenden Hinweis auf das berüchtigte "Müttermanifest der BRD von 1985" beschließt. Nachdem in den "westlichen Ländern fast alles an Emanzipation erreicht" worden sei, stelle sich in dem Manifest "das Weibliche, das Mütterliche, das Bewahrende gegen die Angleichung an eine Männerwelt, die zerstörerisch wirken könne", und zeige so, "dass Uraltes, ähnlich dem Matriarchat wieder neu entstehen könnte".

Dem entspricht ein nicht weniger bedenklicher Essentialismus im Abschnitt zur "[w]eibliche[n] Sexualität im Blick der Forschung", in dem die Autorin die längst als unzulänglich nachgewiesenen Theorien von Giligan und Chodorow heranzieht, um ihre biologistischen Aussagen zur Geschlechterdifferenz zu stützen. An anderer Stelle erklärt sie gar, "[d]ie Erfahrung der Menstruation, 'die blutige Träne'" sei für die "meisten" Frauen "mit überwältigenden Gefühlsschwankungen gekoppelt, die tief greifende Spuren im Körperbild und der Identitätsbildung hinterlassen" und klagt, dass "[n]ur wenige Frauen" eine "relativ gesunde Beziehung zur Regelblutung aufbauen" könnten. Ihre Westentaschenpsychologie, der zufolge "Frauen, die ihre Menstruation nicht als etwas Natürliches empfinden und keine positive Haltung dazu aufbauen können", nicht nur sich selbst verachten, sondern "häufig in eine Abhängigkeit" geraten, "[w]eil sie keine Selbstwertbejahende Lebenseinstellung entwickeln können" und darum, "von fremder Bestätigung und Anerkennung von der Außenwelt abhängig" sind, verbindet sie mit der Hoffnung auf ein "neue[s] selbstbewusste[s] Verständnisses von Menstruation": "Frauen beginnen ihre Menstruation zu achten und zu feiern. Sie gehen schöpferisch damit um und entwickeln ihre eigenen Rituale". Aus Gabriele Prölls Buch "Meine Tage. Quelle weiblicher Kraft und Intuition" könnten Frauen erfahren, "wie sie mit ihrer Monatsblutung positiv und feierlich umgehen können", freut sich Taherifard. Zudem erschweren nicht selten schlampige Formulierungen die Lektüre. Geradezu kurios nimmt sich die Feststellung aus, Barbara Friebertshäuser sei der "Ansicht, dass die Tabuisierung der Menstruation hier in Deutschland heute noch stattfindet, auch wenn nicht darüber geredet wird."

Bleibt nur zu hoffen, dass Taherifards Ausführungen zur Sexualität und Sittlichkeit iranischer Frauen verlässlicher sind. Überprüfen lässt sich das für den Rezensenten nicht. Überhaupt dürfte der diesbezügliche Kenntnisstand hierzulande gegen Null tendieren. Aber gerade darum wäre es wichtig, wenn ihre Arbeit weitere Untersuchungen initiieren würde, an anderen Ergebnissen sich dann auch die des vorliegenden Werkes verifizieren ließen.

Den Ergebnissen ihrer Feldforschungen stellt die Autorin einen Abriss der Geschichte von Frauen auf dem Gebiet des heutigen Irans voran, den sie mit einigen bekannten Spekulationen über ein dem Patriarchat vorgängiges Matriarchat und die in der Jungsteinzeit einsetzende Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern beginnt. Nur dass diese Spekulationen unter Berufung auf verschiedene Matriarchatsforscherinnen als gesichertes Wissen auftreten. Dann gelangt sie über die "Stellung der Frau im vorislamischen Iran", die "Zeit der Sassaniden", die Abbassidenherrscher, die Periode der "türkischen Herrschaft" und der Quajaren zur "Frauenbewegung in der Zeit der iranischen Verfassungsbewegung" um 1906. Da beginnt es interessanter zu werden. Nach zwei weiteren kurzen Abschnitten über den Iran unter Reza Schah Pahlawi und dessen Sohn wendet sie sich etwas ausführlicher der Situation der Iranerinnen nach der "Revolution von 1979" zu.

Hier erinnert die Autorin daran, dass das Regime in den ersten Jahren seiner Herrschaft nach einer Demonstration zwölf Mädchen im Alter von sechzehn und achtzehn Jahren zum Tode verurteilt und hingerichtet hat. Ayatollah Mohammad Gilani, der als Richter fungierte, erklärte in einem Interview dazu, auch ein neun-jähriges Mädchen sei nach islamischem Recht bereits vollmündig, und weiter: "Für uns gibt es keinen Unterschied zwischen einem neunjährigen Mädchen und einem 40jährigen Mann." Das gilt natürlich nur, wenn es darum geht, jemanden hinzurichten, zu steinigen oder auszupeitschen. Aber nicht einmal das stimmt. Bekanntlich werden Frauen bei Steinigungen bis zum Hals eingegraben, Männer hingegen nur bis zur Hüfte. Ein nicht ganz unbedeutender Unterschied, wenn man bedenkt, dass Verurteilte, die sich selbst frei graben können, von der Strafe verschont bleiben. Auch gelten Zeugnisse von Frauen vor Gericht ungleich weniger als diejenigen von Männer. Die Beispiele der Frauenfeindlichkeit der iranischen Rechtsauffassung und -sprechung ließen sich endlos fortsetzen.

Und auch die Ungleichheit von Männern und Frauen im Alltag ist allgemein bekannt. Dennoch wartet die Autorin in diesem Abschnitt mit einigen erschreckenden Fakten auf, die den meisten Lesenden neu sein dürften. Etwa, dass bis 1987 1.500 Frauen hingerichtet wurden, weil sie sich gegen die Theokratie gewandt hatten. Vor den Hinrichtungen wurden sie vergewaltigt, da sie - wie die Autorin erklärt - andernfalls "nach islamischer Vorstellung als Jungfrauen den Eingang ins Paradies finden könnten". Allerdings stellt sich die Frage, ob das nicht vielleicht nur eine Hilfskonstruktion der islamtreuen Mörder ist, um Frauen straflos vergewaltigen zu können.

Ansonsten ist sexueller Verkehr ausschließlich in der Ehe zulässig, so dass Jugendlichen in "Ratgebern" empfohlen wird, "ihre sexuellen Bedürfnisse mit sportlichen Aktivitäten, Diät und Medikamenten [zu] schwächen". Diese werden aber überhaupt nur Männern zugestanden. Denn neben ihrem "wichtigsten Zweck", für Nachkommen zu sorgen, ist die "Sexualität in der Ehe" auch "für ein zufriedenes Sexualleben, Befriedigung, 'Ausspannung und Erholung' des Mannes gedacht. Von der Frau ist nicht die Rede." Trotz züchtiger Ratgeber und Ehe - inklusive der sogenannten 'Zeitehe' - gibt es im Iran nicht weniger als 300.000 Prostituierte, wie Taherfard zufolge selbst offizielle iranische Stellen einräumen. Wie sie weiter ausführt, haben sich "Drogenabhängigkeit, Prostitution, Frauenhandel, Selbstmord in schrecklichster Art wie Selbstverbrennung und gravierende physische und psychische Problem" seit beginn der islamischen Theokratie "stärker und schneller verbreitet".

Weithin unbekannt dürfte hierzulande auch sein, dass während der 1980er-Jahre das ganze Land mit Plakaten zugekleistert wurde, die Frauen mit Parolen zum Tragen des Schleiers anhielten, die da lauteten: "Meine Schwester, Dein Hijab ist meine 'Ehre'", "Schwester, hilf mir, das deine Hijablosigkeit mich nicht mit Sünde besudelt" oder "Hijablosigkeit ist Verwestlichung und Verwestlichung ist Hurerei". Ungeachtet dieser Propaganda tragen heute "höchstens zwanzig bis dreißig Prozent der Iranerinnen das Kopftuch freiwillig", wie die Autorin unter Berufung auf Annemaria Memarian schreibt.

Erst in der zweiten Hälfte ihres Buches wendet Taherifard sich unter dem Titel "Sexualitätserleben von Großmüttern, Müttern und Töchter" ihrer eigentlichen Forschungsarbeit zu, den Interviews und deren Auswertung. Dabei stellt sie sowohl generationenspezifische Unterschiede wie auch Gemeinsamkeiten im Sexual(er)leben der befragten Frauen fest. Den Angehörigen der Großmüttergeneration verbot es eine "tief verinnerlichte 'Schamhaftigkeit'" sich als Jugendliche mit ihren Müttern über "sexuelle Angelegenheiten" zu beraten. Fraglos schien seinerzeit jedoch, dass "[d]ie sexuelle Befriedigung durch einen Mann nur eine 'schlechte Frau' wichtig nimmt." Dabei gebaren diese Frauen schon "[s]ehr früh" Kinder, die gelegentlich "fast zur 'Ersatzpuppe[n]'" für sie wurden. "[D]en Wert 'eine Frau zu sein'", konnten sie nur als Mutter erreichen. Ungeachtet all dessen "spürt" Taherifard bei den Befragungen der Großmütter "einen rebellischen, jedoch blinden, nicht orientierten, hilflosen Versuch ohne Vorbild, das eigene Leid nicht als gottgegeben zu akzeptieren".

An die Stelle der von den Großmüttern auf die mittlere Generation übertragenen "Schamgefühle", ihres Ehrverständnisses und ihres Respekts vor den frauenfeindlichen Traditionen hätten der Autorin zufolge langsam "Befreiungsgefühle" und eine "Änderung in der Lebenseinstellung der Frauen" treten können, wenn "die Reformen" der Regierungen von Reza Schah und seinem Sohn nicht in den Jahren nach dem theokratisch-islamischen Umsturz von 1979 zunichte gemacht worden wären. So sei es auch den Müttern verwehrt geblieben, "ihren eigenen Wert als Person und Frau zu erkennen, zu genießen und innerlich zu vertiefen." Immerhin wünschten sich diese Frauen der mittleren Generation "insgeheim", "dass ihre Töchter all das erleben würden, was sie selbst nur in Ansätzen hatten erleben dürfen". Doch entgegen diesem geheimen Wunsch, seien sie gezwungen, ihre Töchter zu lehren, "dass die Freiheit in der Beziehung zwar schön und gut ist, jedoch beschränkt sein muss, weil die Gesellschaft und die Gesetze das nicht tolerieren und akzeptieren können." Abgesehen davon sind die Frauen noch immer überzeugt, dass Mädchen, die vorehelichen Sexualverkehr haben, "'verdorben' und 'schlecht'" sind. Die Frauen der Mütter-Generation, resümiert die Autorin, "lebten grundsätzlich in einer Welt voller Gegensätze".

Taherifards Befragung der Töchter ergab, dass auch sie unter einem Schamgefühl leiden, das ihnen "den Genuss und die Freude an der Liebe" erschwert. Anders als noch ihre Mütter und Großmütter kann die neue Generation zwar "in der Familie mehr Freiheiten genießen", muss sich allerdings "nach außen hin" der Gesellschaft anpassen. Die einstmals verinnerlichten Vorschriften werden zu einem guten Teil also nicht länger als Werte gesehen, sondern nur noch wegen des äußeren Zwanges befolgt.

Abschließend empfiehlt Taherifard als "[s]exualpädagogische Perspektiven", "dass die Eltern von kompetenten Pädagogen aufgeklärt und vorbereitet werden, ihren Kindern selbst in dieser Hinsicht zu helfen". Dies nimmt sich ein wenig merkwürdig aus, stellen sich doch gleich mehrere Fragen. Etwa: Wo sollen die kompetenten PädagogInnen herkommen, und worauf gründet sich die Hoffnung, dass das Regime eine freiere Sexualpädagogik zulassen würde?

Wäre man angehalten, das Buch in einem Fazit mit nur zwei Worten zu bewerten, lautete es: Bedingt empfehlenswert.


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Maryam Taherifard: Sittlichkeit und Sinnlichkeit. Weibliche Sexualität im Iran.
Ulrike Helmer Verlag, Königstein im Taunus 2007.
380 Seiten, 39,90 EUR.
ISBN-13: 9783897412453

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