Unter Zeitungen verborgen ruht die Liebesglut

Axel Hacke recycelt Wörter auf seinem "Wortstoffhof"

Von Christina LangnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Christina Langner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Eines Tages begab es sich, dass der Schriftsteller und Journalist Axel Hacke "von malerisch operierten Brüsten, zwischen denen eine Seele baumelt" träumte. Wie kam es dazu?

Nun, Hacke hat es sich zur Aufgabe gemacht, Wörter auf seinem "Wortstoffhof" zu sammeln. Er betreibt dort so etwas wie Recycling mit Wörtern: Aus all dem Unbrauchbaren, Unsinnigen und Unverständlichen, das uns in schlecht übersetzten Speisekarten, kryptischen Gebrauchsanweisungen, im "Bahnsprech" der Deutschen Bahn oder aus Politikermündern ständig und überall entgegenströmt, versucht er noch etwas herauszuholen; das Verbrauchte vom Noch-Brauchbaren trennen. Ein löbliches Vorhaben und besonders für einen Schreibenden ist das Sortieren von Wörtern enorm wichtig. Man stelle sich nur einmal vor, man müsse "zum Beispiel 'Liebesglut' schreiben und kann es nicht, weil 'Liebesglut' unter Zeitungen verborgen liegt. Dann schreibt man statt 'Liebesglut' etwa 'Feuer der Zuneigung', aber das ist was anderes."

Das Ergebnis von Hackes Sammelaktion - viele Leser kennen ihn aus seiner "SZ"-Kolumne "Das Beste aus meinem Leben" - ist ein wunderbar kurioses Sprachgeschichten-Alphabet, das uns zeigt, welchen erstaunlichen Reichtum an Wörtern die deutsche Sprache besitzt. Deutschverwirrte und Sprachliebhaber und alle, die sich einfach nur prächtig amüsieren möchten, werden sich auf Hackes "Wortstoffhof" pudelwohl fühlen: Die klangliche Schönheit des Wortes "Alpenhauptkamm" etwa hat wohl zuvor noch niemand mit so viel Hingabe, ja Leidenschaft beschrieben; und nur ein wahrer Sprachliebhaber kann sich so herrlich am "Metaphernfluss" erfreuen, der aus dem Wörtchen "Mitte" entspringt. Besonders vergnüglich sind die verheerenden Ergebnisse wörtlicher Übersetzungen ins Deutsche, die Hacke in sein Sprachpanoptikum aufgenommen hat. So darf es doch verwundern, dass der Wirt eines Gasthauses auf Fuerteventura seine deutschen Gäste darauf aufmerksam macht, er trage mittwochs immer Vollbart.

In der Wortstoffsammlung von Hacke findet sich auch eine seltsame Bezeichnung, die er in einem Reiseprospekt eines portugiesischen Hotels entdeckt hat: Die Inhaber versuchen die deutschen Touristen mit Zimmern zu locken, die mit einem "Aufstellungsort des Seins" ausgestattet sind. Ebenso poetisch und rätselhaft mutet ein Service von British Airways an: Die Fluggesellschaft stellt ihren Passagieren doch tatsächlich einen kostenlosen "Beuteltropfen-Service" zur Verfügung.

Axel Hacke entknotet dieses ganze Sprachwirrwahr mit fabelhaft erheiternden Überlegungen. Obendrein lernen wir noch, dass es ja nicht - wie viele glauben - "er hat gewunken", sondern "er hat gewinkt" heißen muss. Hacke findet die falsche Variante gleichwohl "um einiges schöner" und bestärkt seine Leser, sich - um der Sprachschönheit willen - auch mal bewusst gegen die grammatische Richtigkeit zu entscheiden.


Titelbild

Axel Hacke: Wortstoffhof. Sprachgeschichten von Äh bis Zeitfenster.
Verlag Antje Kunstmann, München 2008.
224 Seiten, 16,90 EUR.
ISBN-13: 9783888975080

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch