Ohrenwärmer als Körperdiskurs

Ein junger Hase gestaltet sich selbst

Von Fabian KettnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Fabian Kettner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Dem Hasen Bastian ist langweilig, also beschließt er, ein Bild zu malen. Er setzt sich vor einen nicht allzu großen Spiegel und zeichnet sein Porträt ab. Als er fertig ist, merkt er: etwas fehlt. Aber was? Etwas, das ihn häufig stört, aber trotzdem unbedacht bleibt, seine langen Hasenohren.

Die Ohren sind ein Problem. Sie werden schnell kalt, sie passen weder auf den Spiegel noch auf ein Bild und sie stören beim Versteckenspielen. Als Bastian sein Porträt beendet hat, sitzt er vor dem Spiegel und fragt sich: bin wirklich ich es, der nicht passt - oder passt der Spiegel nicht? Wenn sie nicht auf den Spiegel passen, dann, so beschließt er, "zeichne ich die Ohren eben, wie ich sie spüre."

Erna Kuiks Hasengeschichte kann man als Parabel über Probleme mit dem eigenen Aussehen und dem eigenen Körper verstehen. Wenn dies der Fall sein sollte, dann hat sie erstaunlich - und dies umso erfreulicher - dünn aufgetragen und die Bezüge nur angedeutet.

Bastian ergänzt seine Ohren nachträglich. Wenn er sie nach Gefühl auf Papier zeichnet, dann macht er sich seinen Körper erst bewusst. Wenn er die Zeichnung ausschneidet und dann ans Porträt anklebt, dann ergänzt er ganz bewusst das, was bisher nur störte. Er gestaltet die zu ergänzenden Ohren auch in verschiedenen Farben und Formen und schließlich sogar in Stoff als Ohrenhüte, die er auch an seine Freunde verschenkt.


Titelbild

Erna Kuik: Zwei lange, lange Ohren.
Orell Füssli Verlag, Zürich 2008.
32 Seiten, 13,90 EUR.
ISBN-13: 9783715205533

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