Eso-Feminismus

Birgit Schmidt kritisiert die Juden- und Frauenfeindlichkeit im esoterischen Feminismus

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Kann Feminismus frauenfeindlich sein? Spontan würde man die Frage wohl verneinen. Doch wie stets kommt es auf Definitionen und Standpunkte an. So, wie die eine christliche Sekte erklären kann, das Konkurrenzunternehmen sei des Teufels, oder verschiedene kommunistische Fraktionen einander in Schauprozessen der Konterrevolution und des Antikommunismus schuldig befinden können, so kann auch ein Feminismus den anderen für frauenfeindlich erklären. Man muss auch nicht selbst feministisch sein, um Feministinnen und ihre Publikationen mit diesem Etikett versehen zu können. So erklärte die linke "Konkret" das feministische Konkurrenzblatt "EMMA" bei deren erstem Erscheinen vor über dreißig Jahren zur "Zeitschrift von Frauen gegen Frauen". Und man kann den Feminismus natürlich auch insgesamt als frauenfeindlich abstempeln. Unter Antifeministen hat das eine lange Tradition.

Ob Birgit Schmidt die Frauenfeindlichkeit des esoterischen Feminismus von einer feministischen Position aus geißelt oder nicht, wird allerdings nicht immer so ganz klar. Ihr Buch "Freundliche Frauen" bietet für beide Annahmen Anhaltspunkte. So engagiert sie sich einerseits in einem Frauenhaus, greift andererseits aber gelegentlich zu Wendungen, die den Feminismus überhaupt kritisieren. Ihr mit 130 Seiten recht schmales Bändchen hat die Autorin aus "ureigenstem Interesse" geschrieben. Denn es geht ihr "sehr gegen den Strich, von anderen Frauen und zunehmend auch von Männern dazu aufgefordert zu werden, mich in eine seit angeblich 3.000 Jahren existierende Opferecke zu begeben und bis zur Installierung des nächsten Matriarchats zu leiden". Merkwürdigerweise scheint ihr entgangen zu sein, dass der Opferfeminismus längst passé ist und von diskursanalytisch und poststrukturalistisch geschulten Feministinnen schon vor Jahrzehnten kritisiert wurde. Heute wird er von feministischer Seite weithin als Viktimismus abgelehnt.

Ist ansonsten allenthalben von der Akademisierung des Feminismus die Rede, sieht die Autorin vielmehr seine esoterische Variante "entschieden auf dem Vormarsch", denn sie stoße "überall auf Frauen, die sich als Wicca [Hexen R.L.] bezeichnen". Ohne weiteres räumt sie ein, dass ihr "Eindruck" einer "boom[enden]" "Große-Göttin-Szene", der sie neben den Hexen "die so genannten Ökofeministinnen, zahlreiche selbsterklärte Frauen- bzw. Matriarchatsforscherinnen und große Teile der feministischen Theologie" zurechnet, nur "subjektiv" ist. Dennoch ist sie sicher, dass sich der "esoterische bzw. esoterik-lastige Teil der Frauenbewegung" in den vergangenen zwanzig bis fünfundzwanzig Jahren "vergrößert, miteinander vernetzt und an gesellschaftlichem Einfluss gewonnen" hat.

Schmidts Quellenbasis bilden neben persönlichen Gesprächen und dem Internet, in dem sich natürlich zahlreiche verschwurbelte eso-feministische Webseiten finden lassen, deren menschenverachtende und gemeingefährliche Spintisierereien, haarsträubende Zitate und Sexismen sogar schwerlich von einem Otto Weininger oder Paul Julius Möbius überboten werden könnten. Des weiteren hat sie sich in den "Esoterikecken in einigen Berliner Stadtteilbibliotheken" umgesehen, was dazu führte, dass Schmidts gedruckte Quellen überwiegend gut zwanzig Jahre auf dem Buckel haben.

Ihre Kritik am Eso-Feminismus richtet sich zum einen gegen die "AnhängerInnen des Differenzgedankens", denen sie sehr zu Recht "die Ausgestaltung eines reaktionären Frauenbildes, das die Biologie zum unentrinnbaren Schicksal der Frau erklärt", vorwirft, und zum anderen gegen Feministinnen, die sich "in die von ihnen idealisierten Epochen matriarchalischer Verhältnisse" zurücksehnen, in die sie "hineinprojizieren", dass diese genauso gewesen seien, "wie sie sie sich wünschen". Namentlich konzentriert die Autorin ihre Kritik auf Judith Jannberg, Claudia von Werlhof und "die berühmte Matriarchatsforscherin" Heide Göttner-Abendroth, von deren zahlreichen einschlägigen Werken sie allerdings nur ein einziges randständiges aus dem Jahre 1988 heranzieht. Sein Titel: "Für die Musen". Zu den "Randbereichen der Szene" rechnet die Autorin "ökologisch ausgerichtete AnhängerInnen der Gaia-These von James Lovelock, der davon ausgeht, dass die Erde ein lebendes und fühlendes Wesen ist", "Reichisten", "AnhängerInnen von Silvio Gesell" sowie "große Teile der Tierrechtsbewegung".

Neben der Frauen- gilt ihre zweite nicht minder wichtige Kritik der im Eso-Feminismus verbreiteten Judenfeindlichkeit. Denn es sollen mal wieder die Juden Schuld sein. Diesmal am Ende der seligen Epoche des Matriarchats. Erst als der "abstrakt-männliche Monotheismus" des jüdischen Glaubens sich gegenüber dem "weiblich-fröhliche[n] Polytheismus" durchgesetzt habe, sei "das patriarchale Übel in die Welt gekommen", wie Schmidt zufolge viele Anhängerinnen der Großen-Göttin-Szene meinen. Eine selbstverständlich haltlose Schuldzuweisung.

Schmidts Belege für den zentralen und schwerwiegenden Vorwurf des Antisemitismus fallen mal mehr, mal weniger überzeugend aus. Richtig ist sicherlich, dass die Behauptung, die Menschheit habe "vor Installierung des einen, männlichen, also patriarchalischen Gottes Jahwe in paradiesischen, weil matriarchalischen Zuständen gelebt", "mehr mit Wunschdenken, Träumen und Projektion als mit wissenschaftlicher und vernünftiger Diskussion zu tun" hat. Auch ist es unsinnig, "dem Judentum" vorzuwerfen, es habe "die Abstraktion erfunden". Weder ist das unstrittig, noch wäre es kritikwürdig. Dieses "Zurückscheuen vor der Abstraktion", führt Schmidt aus, werde von der Großen-Göttin-Szene "offensiv verteidigt", die "Denken, Theorieaneignung und -arbeit, Intellektualität und Abstraktion" als "dezidiert männlich und somit nicht als den Frauen gemäß" ablehnten. "Mitunter" seien selbst Wissenschaftlerinnen dieser Sichtweise "nicht abgeneigt", erklärt die Autorin und wundert sich darüber, "dass die Thesen der Großen-Göttin-Szene mit ihren juden- und frauenfeindlichen Implikationen in Universitäten gelehrt werden." Zu nennen weiß sie allerdings nur eine einzige: Claudia von Werlhof. Wobei sie zum Beleg aber nicht etwa aus Lehrveranstaltungen Werlhofs zitiert, sondern aus irgendwelchen Texten, die auf esoterischen und anderen Sekten-Websites veröffentlicht sind. In der inzwischen auch an deutschen Universitäten doch immerhin recht verbreiteten feministischen Frauen- und Geschlechterforschung wie auch in den Gender Studies sind solch abstruse Positionen hingegen nicht einmal von marginaler Bedeutung.

Wenig überzeugend ist auch, die Engführung von Hexenverfolgung und Holocaust in die Nähe des Antisemitismus zu rücken. So zitiert Schmidt die US-Amerikanische Jüdin und Wicca Starhawk mit den Worten "Von der Hexenverbrennung bis zum Holocaust ist das Leid der Vergangenheit hier [in Deutschland R.L.] stark und greifbar gegenwärtig" und kommentiert: "Einen Unterschied zwischen dem einen Ereignis und dem anderen vermag sie nicht zu erkennen; ihr Zugang zu beiden ist allein die Emotion und die Halluzination." Dass Starhawk vielleicht deshalb beides in einem Atemzug nennt, weil sie sich als jüdische Hexe versteht, zieht die Autorin nicht in Betracht, obwohl sie Starhawk noch im gleichen Absatz mit der Bemerkung zitiert: "Für mich als Hexe und Jüdin war das Unterrichten in Deutschland ein oft schmerzvoller, herausfordernder, jedoch letzten Endes bereichernder Prozess."

Wenn die Globalisierung wie von Claudia von Werlhof als "bisher letzte rabiateste Periode des Patriarchats" verstanden werde, "für dessen Installierung die Große-Göttin-Szene zuvor dem Judentum die Verantwortung zugeschoben hat", sei die logische Schlussfolgerung zwangsläufig, dass das Judentum für die Globalisierung verantwortlich ist. Abgesehen davon, dass Schmidt kurz darauf wohl nicht zu unrecht die "für die Hexenszene so typische Unlogik" anprangert, die demzufolge diese 'logische Schlussfolgerung' ja gar nicht ziehen dürfte, sieht sie sich genötigt, darauf hinzuweisen, dass "keine/r der hier erwähnten [...] diese Behauptung in dieser Eindeutigkeit öffentlich vertreten" hat. Doch handele es sich eben um den "logischen Schluss einer ideologischen Kausalkette, zu der jede gelangen muss, die in der matriarchalen und/oder hexischen Literatur herumliest." Diese "Kausalkette" führe nun dazu, dass sich "zahlreiche Frauen aus der Große-Göttin-Szene im Rahmen der so genannten Antiglobalisierungsbewegung" engagieren, die somit Gefahr laufe, "deren antijudaistische Momente aufzunehmen und zu reproduzieren".

Zwar weisen "die kritisierten feministischen Theologinnen, Frauen- bzw. Matriarchatsforscherinnen und Neuhexen" den Vorwurf des Antijudaismus "empört" zurück, wie Schmidt durchaus bemerkt. Doch kann sie an anderer Stelle sehr wohl auf "personelle Verquickungen von Frauenbewegung und Heidenszene mit völkischen und rechten Gruppierungen" verweisen. Die aber gleich auf die Frauenbewegung als ganze zu übertragen, ist typisch für Schmidts oft ungenaues Argumentationsverfahren, für das nur ein Beispiel angeführt sein soll: Die Ideologie und die zentralen Botschaften der Großen-Göttin-Szene seien "bereits in der Mitte der Gesellschaft angekommen" angekommen, klagt die Autorin und macht keine Geringere als Alice Schwarzer dafür "mitverantwortlich".

Denn in einem 2006 erschienen "EMMA"-Heft zum Schwerpunkt Tierrechte durften Gast-Autorinnen und auch einzelne feste Mitarbeiterinnen einige haarsträubende Parallelisierungen zwischen dem Leiden, das Menschen Tieren zufügen, und dem Holocaust ziehen. Dass Andreas Eckert im gleichen Heft erklärt, die "Wiederbelebung des Mythos vom Matriarchat" sei "nicht geeignet, Antworten auf dringliche Fragen der Gegenwart zu bekommen", wird von Schmidt zwar an anderer Stelle erwähnt, aber nur um seinen "Optimismus" zu bezweifeln, nicht aber die eigene These von Schwarzers 'Mitverantwortung' für die vermeintliche Verbreitung der Großen-Göttin-Szene zu relativieren.

Zweifellos ist es notwendig und verdienstvoll, vor frauen- und judenfeindliche Tendenzen im esoterischen Feminismus zu warnen. Umso bedauerlicher sind jedoch die Schwächen des vorliegenden Buches, seine unklare Struktur, die oft schludrige Argumentation, die miserable Quellenbasis und die zahlreichen Redundanzen.


Titelbild

Birgit Schmidt: Freundliche Frauen. Eine Kritik an der Juden- und Frauenfeindlichkeit des esoterischen Feminismus.
Alibri Verlag, Aschaffenburg 2007.
132 Seiten, 12,00 EUR.
ISBN-13: 9783865690203

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