Zarte Elfen und abstruse Maschinen

Endlich als Buch: "Das Leben der Hochgräfin Gritta von Rattenzuhausbeiuns" von Bettine und Gisela von Arnim

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Grittas Vater, der Graf von Rattenzuhausbeiuns, ist ein etwas skurriler Mensch. Schon etwas älter, ohne Frau, ein wenig hilflos im Umgang mit der ungebärdigen Tochter. Was ihn wirklich interessiert, das sind seine Erfindungen. Gerne bastelt er in seinem Labor, und als er hört, dass der König sich eine Thron-Rettungsmaschine wünscht, macht er sich ans Werk. Jeder, der ins Labor kommt, muss sich auf das Gerät setzen und es ausprobieren. Und jeder, sei es Gritta oder der alte Diener Müffert, wird in die Luft geschossen, manchmal sogar gleichzeitig. Und so sitzen sie dann manchmal oben auf einem Mauervorsprung und kommen nicht wieder herunter und erzählen sich Geschichten.

Aber dann kommt die junge Prinzessin Anna Bollena Maria Nesselkrautia, verzaubert Grittas Vater, der sie heiratet, und es kommt, wie es in einem Märchen kommen muss, die böse Stiefmutter verbannt das Kind in ein Kloster. Aber, und auch das ist in einem Märchen so, Gritta bricht aus und nimmt gleich eine ganze Gruppe von Mädchen mit, die dort auch unglücklich sind. Sie entwischen in den Wald und leben miteinander, die erste Mädchenbande der Literaturgeschichte: Margareta, Kamilla, Wildebeere, Veronika, Maieli, Petrina, Reseda, Lieschen, Elfried und Anna. Sie kochen und jagen und treffen dann schließlich noch den Königssohn, ein putziges, verträumtes Jüngelchen: "Ich bin zuweilen sehr dumm", sagt er einmal, "aber das ist mir angewöhnt. Ich finde die Abendsonnenbeleuchtung viel schöner als allen Lampenglanz".

Dieses hübsche, verträumte, phantasievolle und ganz nebenbei auch kritische Märchen hat der Manesse-Verlag jetzt ausgegraben. Geschrieben haben es Bettine und Gisela von Arnim, Mutter und jüngste Tochter einer der berühmtesten Romantikerfamilien. Es ist eine skurrile kleine Geschichte, so richtig was für den Strand oder den knackenden Winterkamin, voller abstruser und doch wieder glaubhafter Einfälle, mit sprechenden Ratten, flatternden Geistern, bezaubernden Naturschilderungen, zarten Elfen und abstrusen Maschinen, die am Schluss auch den bösen Gouverneur Pekavus in die Lüfte schleudern, der erst die Prinzessin selbst heiraten, sie dann entführen wollte, sich als Abt verkleidete, um durch eine finstere Intrige das Vermögen des Grafen einzustreichen und sich am Schluss noch als rechtmäßigen König ausgab.

Es ist ein übermütiges Buch voller Abschweifungen, neckischer Einfälle und ironischer Nebenbeibemerkungen. 1925 waren Teile davon im Nachlass der Familie Grimm und sechzig Jahre später der Rest im Nachlass von Gisela von Arnim entdeckt worden, als Druckbögen und Korrekturfahnen mit handschriftlichen Korrekturen. In der DDR wurde 1984 ein Märchenfilm danach gedreht, jetzt erscheint es endlich auch als Buch. Eine sehr entspannende Lektüre.


Titelbild

Bettina von Arnim / Gisela Arnim: Das Leben der Gräfin Rattenzuhausbeiuns.
Manesse Verlag, München 2008.
304 Seiten, 17,90 EUR.
ISBN-13: 9783717521587

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