An das Salatbeet hat er nicht gedacht

Bart Moeyaert schreibt drei kurze Geschichten über das Muthaben

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Tom seufzt. Er hat noch viel Arbeit: "Die Grube ist noch nicht mal knietief. Sie muss viel tiefer werden. So tief, wie ein Kind hoch ist. Dann ist es erst eine richtige Grube." Seine Mutter steht derweil am Gartenzaun und unterhält sich mit der Nachbarin. "Es bewegt sich schon", sagt diese und hält sich den dicken, schwangeren Bauch. "Meins bewegt sich pausenlos", sagt die Mutter und deutet auf Tom, der weitergräbt. Sie hat es nicht einfach mit Tom, der ständig etwas tut und läuft und sich bewegt. Ein aktives Kind. Wie Kinder eben sind.

Aber die Mutter seufzt: "Ich bin's leid mit dem Jungen." Und dann merkt sie auf einmal, wo Tom gräbt: in ihrem schönen Salatbeet. "An das Salatbeet hat er nicht gedacht. Mit großen Augen schaut er sich um. Es sind nur noch zwei Salatköpfe übrig. Der Rest ist Grube und Berg." Die Mutter ist entsetzt: ",Ich bin es leid', sagt sie. ,Nie tust du das, was du tun sollst. Ich will dich nicht mehr sehen. Du bist das lästigste Kind der Welt.'" Und dann sagt sie kein Wort mehr, sondern zeigt auf die Straße: "So viel Stille von Mama tut weh." Also verschwindet er.

Der flämische Jugendbuchautor Bart Moeyaert hat ein kleines Buch für Erstleser geschrieben, mit drei Geschichten von Kindern, die Mut haben, Mut haben müssen. So wie der kleine Tom, der im Garten spielt, aber dabei nicht aufgepasst hat. Also verschwindet er, geht in den Wald und gräbt dort. Bis plötzlich ein Buch aus einem Baum fällt. Oder die kleine Rosie, die einen Brief findet, auf dem steht: "An mein Herz". Natürlich will sie ihn in den Briefkasten werfen, aber dann wird sie doch neugierig: Was steht denn da drin? Und als sie versucht, ihn über Wasserdampf zu öffnen, verläuft die Schrift. Und dann kommt ihre Mutter dazu, sieht es und wird wütend. Oder Marta, Sam und Do, die auf dem Schulhof von einem älteren Mädchen immer verhauen werden, von Mona, einem wahren "Schulhoftier". Ganz ohne Grund, immer wieder. Und die Lehrer wollen es nicht merken.

Ganz normale Geschichten sind es, ohne Prinzessinnen, Feen oder Seeräuber. Geschichten, die jedem Kind passieren können: ein bisschen zu viel Neugier, ein bisschen zu wenig Achtsamkeit, eine böse Mitschülerin. Aber man muss sich wehren, man muss nicht verbohrt sein, man muss Verantwortung übernehmen für sich und die anderen und sogar für den Unsinn, den man macht oder der einem passiert. Sehr gefühlvoll und mit sparsam sachlichen Worten erzählt Moeyaert von den kleinen Leiden kleiner Leute, und da unterscheiden sie sich so gar nicht von Erwachsenen. Denn auch die sind ja manchmal etwas zu neugierig, etwas zu unaufmerksam, etwas zu ängstlich. Und freuen sich, wenn sie entdecken, wie glücklich einer ist, wenn man ihm den langersehnten Liebesbrief bringt, oder dass man mit einem guten Einfall auch das böseste "Schulhoftier" bändigen kann und es sich dann doch als ganz normales Mädchen herausstellt.


Titelbild

Bart Moeyaert: Mut für 3. Geschichten zum ersten Lesen.
Übersetzt aus dem Niederländischen von Mirjam Pressler.
Carl Hanser Verlag, München 2008.
72 Seiten, 9,90 EUR.
ISBN-13: 9783446208964

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