Die überirdische Banalität

Barbara Honigmann wohnt eine Weile in New York und schreibt in "Das überirdische Licht" über ihre Erlebnisse

Von Lennart LaberenzRSS-Newsfeed neuer Artikel von Lennart Laberenz

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wenn man lange Zeit in einem anderen Sprachraum verbringt, kann es vorkommen, dass - ein schnelles Gespräch vorausgesetzt - sich plötzlich Worte aus der anderen in die eigene Sprache mischen. Dann gibt es aber auch Menschen, die mischen gerne und ganz ungezwungen Anglizismen in ihr fließendes Deutsch und warten beinahe drängend auf die Fragen nach dem Ursprung dieser Verwirrung. Sie sagen dann, dass sie eine australische Mutter haben (allerdings in München groß geworden sind und in Berlin studieren), oder sie erzählen sofort vom letzten Urlaub. Das klingt dann zumeist sehr dumm und das Gespräch nimmt sogleich eine rasche Wendung zu Vielfliegerboni, dem Komfort der Business-Klasse, nächsten Reisezielen und ganz aufregenden Erinnerungen an ungeplante Zwischenstopps in, vielleicht, Malaysia.

Die in der DDR aufgewachsene, mittlerweile in Straßburg lebende, jüdische Schriftstellerin Barbara Honigmann hat auf Einladung des Deutschen Literaturfonds zehn Wochen in New York verbracht und nun erscheint ein Band, der ihre Zeit in New York protokolliert - um es einmal so zu nennen. Es ist nicht ganz einfach festzustellen, was für einen Zweck das trotz der geräumigen Abstände zwischen den Druckzeilen mit knapper Not 160 Seiten umfassende Bändchen im Auge hat. Barbara Honigmann erzählt uns zumeist die Vorgänge des Alltagslebens, sie trifft diese und jene Person, wird krank und wieder gesund, jemand muss ihr dafür ein Hühnchen holen, auf dessen Verpackung der Koscher-Stempel prangt. Zwischendurch denkt sie an ihren Vater und ihre Familie.

Vielleicht ist das Buch ein Experiment, in dem zunächst einmal auf jeder Seite mindestens ein englisches Wort kursiv geschrieben auftaucht (dabei bekennt die Autorin freimütig, dass ihr Englisch kaum für die Fahrkartenautomaten an der Penn Station reicht) um im Verlauf der Abenteuer der Barbara Honigmann in New York nicht mehr kursiv geschrieben werden zu müssen. Oder ganz anders, wir wissen es nicht. Auf jeden Fall aber verschmäht die Autorin mit ihrem Mann nach dem Kiddusch, dem traditionellen Shabbes-Buffet also, das Essen, dass sie, "just in case, vorbereitet haben", gehen direkt zur "Siesta" über, um sich nachher "mit dem Lift ins basement" zu begeben, dort zu Waschen und "in der Library meine E-Mails" zu lesen.

New York ist dabei zusammengeschnurrt auf ein paar Empfänge, einige Eindrücke aus dem East Village und andere belanglose Bemerkungen. Irgendwer zeigt Barbara Honigmann immer gerne "das neighbourhood" und völlig absurd wird es, wenn sie in einer haltlosen Mixtur aus Deutsch und Englisch vermutet, dass der Schriftsteller E.L. Doctorow gerade im gleichen Gebäude "sein Sandwich (isst), oder er telefoniert, oder watcht television oder schreibt an seinem neuen Roman."

Uns wird nichts erzählt, was neu, überraschend oder hintergründig ist, wir hören nichts oder wenig von den drängenden Veränderungen der Stadt, der Gentrifizierung, oder der überbordenden Durchkommerzialisierung. Ja, wir erfahren kaum etwas über die Autorin, über die Art der Zusammenkünfte, ihre Beobachtungen sind dürr, die Beschreibungen dürftig, Spannungsbögen nicht zu erkennen. "Das überirdische Licht" wirkt wie eine Serie leicht aufgehübschter Tagebucheintragungen, eine Reihe von Vorgängen einer älteren Dame, die einigermaßen betulich und mit dem guten Willen des Literaturfonds ausgestattet ein paar Wochen durch New York läuft und nun den Daheimgebliebenen noch etwas erzählen möchte.


Titelbild

Barbara Honigmann: Das überirdische Licht. Rückkehr nach New York.
Carl Hanser Verlag, München 2008.
156 Seiten, 14,90 EUR.
ISBN-13: 9783446230859

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