Sie Memme, Sie geistloser Brüller!

Werner Koflers grandiose Schimpftirade "Manker"

Von Roland KroemerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Roland Kroemer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ein Mensch, der die Fassung verliert und ausfällig wird, ist peinlich. Man sollte möglichst schnell das Weite suchen. Es sei denn, dieser Mensch ist Schriftsteller, zumal noch Werner Kofler, der seine Schimpftiraden direkt in die Schreibmaschine hämmert - und als Buch veröffentlicht. Dann kann so ein Wutausbruch etwas höchst Vergnügliches sein.

"Wie stehe ich denn da, ob als Geschädigter, ob als Verfasser des Hörspiels, wenn Sie immer wieder überfallsartig HILFE schreien, Sie Memme, Sie geistloser Brüller!" Der Mann, der sich hier echauffiert, ist sauer, keine Frage. Grund genug hat er, glaubt er doch, sein kürzlich im Rundfunk gesendetes Hörspiel sei durch die katastrophale Interpretation des Sprechers ruiniert worden: "Sie schreien, wie wenn das Hörspiel den Hörspielpreis der Gehörlosen und nicht den der Kriegsblinden gewinnen sollte! Aber ich werde Ihnen schon helfen." Wie eine Furie sitzt der Autor am Kassettenrecorder und kommentiert das Gehörte. Er keift, er brüllt, er flucht. Lacht spöttisch auf und zergeht in Sarkasmus. Meckert und nörgelt, als könnte er sein Hörspiel auf diese Weise noch retten. An fast jedem Satz hat er etwas auszusetzen: Einmal ist es die falsche Betonung, dann wieder eine nicht beachtete Pause. Einmal wird zu leise, ein anderes Mal zu laut gesprochen. Nichts kann ihn zufriedenstellen. Sein Haß auf den Sprecher, der so gar nichts verstanden hat, wächst von Minute auf Minute: "Sie werden mich noch als Nervler in die Nervenheilstätte bringen, wenn das so weitergeht. Und es hört nicht auf, es hört nicht auf in diesem verfluchten Hörspiel."

Drücken wir für einen Moment auf die Stoptaste und gönnen dem Mann eine Pause. Der Wiener Autor Werner Kofler, im Laufe der letzten 30 Jahre mit zahlreichen Preisen und Stipendien bedacht, machte hierzulande vor allem mit seinen Romanen, etwa mit "Ida H." oder "Aus der Wildnis", auf sich aufmerksam. Seine Hörspiele wurden weniger beachtet. Leider. Denn so entging uns auch sein Stück "Unruhe", vom Schauspieler Paulus Manker gesprochen und 1997 im österreichischen Rundfunk ausgestrahlt.

Womit wir wieder bei Koflers neuestem Buch wären: Das, was auf den ersten Blick wie der fiktive Monolog einer literarischen Figur - man denke nur an Krapp in Becketts Drama "Das letzte Band" - erscheinen könnte, ist in Wirklichkeit die wütende Abrechnung Koflers mit Manker. Ein Autor rächt sich, wird zum schärfsten Kritiker seines Interpreten. Selten zuvor war Manker wohl einer derart geballten Ladung von beißendem Spott ausgeliefert. "Daß das Hörspielstudio und mit ihm das gesamte Rundfunkgebäude nicht eingestürzt ist nach einer solchen Detonation, Manker, ein Wunder. Ein Aufjaulen wie im Comix, wenn Donald Duck in den Stromkreis gerät, wie wenn einer in den Teppich bisse, ein Schrei wie im Stummfilm!" Welches Gesicht Paulus Manker wohl macht, wenn er sich plötzlich in Gesellschaft mit Donald Duck wiederfindet?

Selbst wenn man das Hörspiel nicht kennt, auch von den Hintergründen der Fehde zwischen Kofler und Manker nichts weiß, wird die Lektüre des Buchs zum reinen Genuß. Denn immer wieder nimmt Kofler das in seinen Augen (besser: Ohren) mißglückte Hörspiel zum Anlaß für einen Rundumschlag gegen den aktuellen Kulturbetrieb. "Strafe als Geschwätz", erklärt er selbst einmal. Die Reihe derer, die ihr Fett abkriegen, ist lang: von Elfriede Jelinek bis zu Sigrid Löffler, von André Heller bis zu Michael Haneke. Kofler teilt aus. Manchmal subtil, nur durch Andeutungen. Dann wieder derb, bis an die Grenze zur Beleidigung. Manchmal auch weit darüber. Doch nach all den Schimpftiraden und Abschweifungen in bester Bernhard-Manier kehrt Kofler in seiner "Invention", so der Untertitel des Buchs, zum zentralen Thema, zu Manker, zurück. Weil's so schön ist, noch einmal Kofler im O-Ton: "Aber warten Sie nur, vielleicht erhält das Hörspiel ja den Hörspielpreis der Kriegsblinden zugesprochen, die Kriegsblinden in dieser Jury sind ohnehin alle taub, taub oder schwerhörig, die werden sich an Ihrer, wie soll ich sagen, ich habe auf dieser Seite schon zuviel Tobsucht verbraucht, an Ihrer an manchen Stellen etwas vorlauten Vortragskunst, so sage ich, nicht weiter kehren, und dann werde ich Sie in einem Rollstuhl, mit Blindenbrille, in Bonn herumschieben, und Sie werden ausrufen Streichhölzer, Schnürsenkel, Rasierklingen ..." Eigentlich schade, daß Koflers neues Buch nicht als Hörspiel vorliegt. Wie herrlich könnte man seine Schimpftirade vertonen! Fraglich nur, ob ein Sprecher den Mut dazu fände.

Titelbild

Werner Kofler: Manker. Invention.
Deuticke Verlag, Wien 1999.
90 Seiten, 10,10 EUR.
ISBN-10: 3216304345

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