Die Antihelden der Literatur

Gustav Ernsts schonungslose Darstellung des Schriftstellerberufes in seinem Buch "Helden der Kunst, Helden der Liebe"

Von Agnes KoblenzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Agnes Koblenzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wer schon immer einen Blick hinter die Kulisse einer Schriftstellerkarriere werfen wollte, sollte sich nicht scheuen, die nackte Wahrheit zu ertragen. Denn ob es die Schriftstellerkarriere in Wirklichkeit überhaupt gibt, erscheint nach der Lektüre von "Helden der Kunst, Helden der Liebe" als äußerst fraglich. Was Gustav Ernst in seinem 166 Seiten langem Roman mit einer gehörigen Dosis Ironie beschreibt, klingt eher wie ein Missverständnis zwischen Autor und Leser. Die von außen projizierte Wunschvorstellung nach Ruhm und Erfolg führt den Autor in einen bodenlosen Abgrund. Erfolglose Egozentriker verschont Ernst ebenso wenig, wie er gut verdienende Bestsellerautoren durch den schlechten Geschmack ihrer Leser von der Schuld freispricht. Beim Schreiben komme es auf den richtigen Trick an, und dieser liegt in der richtigen Seitenzahl.

"Du mußt einen Roman über die Nazizeit schreiben, sagt Mirjam, oder über die Folgen der Nazizeit. Aber immer 400 Seiten. Erfinde dir das Schicksal einer jüdischen Familie. Eines jüdischen Emigranten. Erfinde dir einen Nazivater. Aber bitte immer 400 Seiten."

Als Autor ist es am sichersten, ein Mitglied in einer Jury zu sein und den Schriftstellerkollegen Stipendien und Preise zukommen zulassen. Man weiß schließlich nie, wann man selbst in der Klemme stecken wird.

"Unlängst hat mich Georg angemailt, sagt Werner, er weiß, ich sitze gelegentlich in Jurys, die Stipendien vergeben. Ich möge doch, falls ich wieder Juror sei, auch ihn nicht vergessen, er brauche dringend Geld. Ich hab ihm zurückgemailt, ich sei schon länger in keiner Jury gewesen, aber wenn, dann würde ich selbstverständlich an ihn denken, ich schätze ja seine Arbeit, und falls er, Georg, zufällig in einer Jury sei, möge er auch mich nicht vergessen, denn auch mir gehe es finanziell miserabel."

Ein ganzes Buch allein mit der Schriftstellerthematik zu füllen, ohne dabei einen richtigen Plot aufzubauen, ist kein einfaches Unterfangen. Gustav Ernst löst es mit Hilfe der Technik der Collage. Den Hauptteil des Buches macht der eintönige wie deprimierende Dialog zweier Autorenkollegen, die von Niederösterreich nach Frankfurt mit dem Auto unterwegs sind. Ob es sich bei der literarischen Veranstaltung, die sie besuchen wollen, um eine Lesung handelt, oder ob die Autoren sich an einer Diskussion beteiligen sollen, wissen beide nicht. Ebenso wenig wissen sie über die Höhe der ausgemachten Honorare Bescheid. Wichtiger sind ihnen Erinnerungen an die vergangenen Liebesaffären, an die mit dem Alter zunehmenden Wehwehchen oder der Klatsch über die Kollegen. Wenn man dem trivialen Dialog folgt, kann man sich kaum vorstellen, dass die Gesprächspartner zwei Intellektuelle sind. Ihre Aussagen sind zu sehr auf das Wesentliche, die rudimentären menschlichen Bedürfnisse reduziert und jeglichen Abstraktionsvermögens beraubt.

Im krassen Gegensatz zu dem knapp gehaltenen und kaum mit Beschreibungen ausgeschmückten Dialog der Reisenden stehen die sprachlich präzisen, vielseitigen und witzigen Einfälle und Gags aus der Wiener Schriftstellerszene - Allesamt aufgesammelt in exklusiven Cafés wie Café Prückel, Café Hummel, Café Ritter oder Café Alt Wien. Wie in einem Kaleidoskop ordnen sich die Gedanken der Literaten zu immer neuen Mustern mit anderen Facetten ihrer Künstlerexistenzen. Ihre Hoffnungen, Ängste, Wünsche, Enttäuschungen sind insofern universell, als dass sie nicht nur den Autoren, sondern der menschlichen Spezies insgesamt gemeinsam sind. Was ist es also, das die Autoren von Anderen unterscheidet? Statt der Inspiration nichts als Störungen und Hindernisse. Sogar Ehefrauen von Schriftstellern bleiben nicht verschont von beruflichen Nebenwirkungen und erkranken häufiger als andere.

Auch wenn viel geredet wird, über die wichtigen Sachen wird nicht gesprochen. Überall lauert Beziehungslosigkeit und Einsamkeit. Trotz allen Humors gewinnen die negativen Gefühle zunehmend Oberhand, eine generalisierende Demontage des Autorenbildes nach sich ziehend. Es kann sich dabei kaum um ein typisch österreichisches Szenenbild handeln. Macht es dann überhaupt noch Spaß, ein Autor zu sein?


Titelbild

Gustav Ernst: Helden der Kunst, Helden der Liebe.
Sonderzahl Verlag, Wien 2008.
166 Seiten, 16,00 EUR.
ISBN-13: 9783854492993

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