"Die Tochter" für unterwegs

Regina Dieterles Biografie der Fontane-Tochter Martha jetzt auch als Taschenbuch

Von Clarissa HöschelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Clarissa Höschel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Dass es sich bei Regina Dieterles Buch um eine in jeder Beziehung fundierte und gut lesbare Biografie mit zuverlässigem, in der Handhabung der Anmerkungen allerdings etwas umständlichen Apparat handelt, muss nicht mehr extra betont werden. Die Autorin darf mit Fug und Recht als die Martha-Fontane-Kennerin schlechthin gelten, stammen doch alle maßgeblichen Arbeiten seit 1996 von ihr, angefangen von ihrer ausführlich präsentierten These einer erotisierten Vater-Tochter Beziehung (Vater und Tochter. Erkundung einer erotisierten Beziehung in Leben und Werk Theodor Fontanes, 1996) über ihre Herausgabe der Familienbriefe (Theodor und Martha Fontane. Ein Familienbriefnetz, 2002) bis hin zu der vorliegenden Biografie, in die verständlicher- und berechtigterweise auch verschiedene zwischenzeitlich erschienene Aufsätze mit eingegangen sind. Dieterle präsentiert damit nicht nur den aktuellen Forschungsstand, sondern auch bislang nicht ausgewertete Quellen, die vor allem die Zeit nach Fontanes Tod (1898) etwas mehr erhellen - immerhin berichten jetzt 72 der insgesamt 366 Seiten vom letzten Drittel von Martha Fontanes Leben.

Kenner der einschlägigen Literatur interessieren sich vor allem für zwei zentrale Fragen, nämlich die nach der erotisierten Beziehung zwischen Vater und Tochter Fontane und die nach den Umständen von Marthas Tod.

Die von der Autorin aufgestellte und in ihrer Dissertation bearbeitete These der erotisierten und damit inzestuösen Beziehung zwischen Vater und Tochter erscheint zwar immer wieder in Aufsätzen, interessanterweise aber nicht mehr in der vorliegenden Biografie - und dies, obwohl auch hier eine Briefstelle zitiert ist, die bereits in der Briefausgabe gerade als Beleg dafür angeführt wurde. Doch während dort von einer "erotischen Bindung" die Rede ist, gilt das gleiche Briefzitat hier als Beleg für ein "besonders enges Verhältnis" zwischen Vater und Tochter. Wenngleich eine Biografie nicht der Ort ist, diese These zu diskutieren, so wäre aus Gründen der Vollständigkeit an geeigneter Stelle zumindest ein kurzer Kommentar angemessen gewesen. Ein solcher hätte übrigens auch der sehr isoliert gebliebenen Bemerkung zur erotisierten Freundschaft Marthas zu Margarete Gräfin von Wachtmeister gutgetan.

Was die Umstände ihres gewaltsamem Todes betrifft, so wurde dieser in der Forschungsliteratur mal als Unfall, mal als Freitod gedeutet. Von Dieterles Biografie erhofft man sich deshalb in dieser Frage Klarheit, die auch in dem Maße geboten wird, in dem dies nach der Quellenlage möglich ist. Danach hat sich Martha Fontane auf ihrem Warener Landsitz aus dem Fenster gestürzt und ist an den Folgen dieses Sturzes gestorben. Letzte Zweifel bleiben trotz aller Sorgfalt in Recherche und Auswertung der Quellen, doch diese Zweifel belegen lediglich, dass auch die beste Biografie immer nur ein unvollständiges Bild des wahren Lebens ist.


Titelbild

Regina Dieterle: Die Tochter. Das Leben der Martha Fontane.
Diogenes Verlag, Zürich 2008.
436 Seiten, 14,90 EUR.
ISBN-13: 9783257237412

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