Salsa hinterm NATO-Draht

Über Hans Christoph Buchs "lateinamerikanische Litanei" mit dem Titel "Das rollende R der Revolution"

Von Kay ZiegenbalgRSS-Newsfeed neuer Artikel von Kay Ziegenbalg

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In seiner aktuellen Veröffentlichung befasst sich der Schriftsteller Hans Christoph Buch mit Lateinamerika und einer nicht enden wollenden "Litanei" demagogischer Volksbefreier. Zwischen 1989 und 2004 sind die Texte entstanden, einige auch undatiert und die Reise ging nach Haiti, Kuba, Nicaragua, Chile, Mexiko: nicht ohne zwei Abstecher in die Literatur zu wagen, die auf papiernen Pfaden der politischen Realität nachspüren.

Die Region hat eine lange Geschichte hinter sich, was ihre Rolle im Haushalt der westlichen Weltbeobachtung angeht - Beispiel für antike Hochkulturen und den Kolonialismus der ersten Stunde, Beispiel für die ersten antikolonialen Revolutionen und für zur Diktatur zurückgebogene Freiheitsbewegungen, Spielplatz US-amerikanischer und sowjetischer Geostrategien. Doch auch mit Nichtbeachtung ist Lateinamerika geschlagen

Hans Christoph Buch selbst kennt diese ambivalente Erfahrung. Hatte er sich in den 1970er-Jahren noch auf die unbedingte Solidarität mit Kuba festgelegt, so heißt es diesmal - nicht ohne trivialen Beigeschmack: "Nur die Cuba-Sí-Fraktion sagt Ja zu Kuba".

Die zwei Literaturberichte sind es dann auch, die der Oberflächenbetrachtung und den reduktiven Stereotypen das nötige Korrektiv zur Seite stellen und tiefer schürfen. Zudem enthält die erste Literaturbetrachtung das versteckte Motto der ganzen Textsammlung - "durch packendes Erzählen bewirkte Popularität bedeutet keinen Mangel an literarischer Qualität - ganz im Gegenteil." Damit meint Buch zwar vor allem den Roman "Das Fest des Ziegenbocks" von Mario Vargas Llosa, der sich an der Wirkungsgeschichte des Diktators Trujillo abarbeitet. Nicht weniger aber wird hier ein Wort über die eigenen Reportagen verloren. Und zu solchen poetologischen Kleinsthinweisen hat der Autor allen Grund.

Jemand, der dem "sehr verehrten Bundespräsidenten" in einem offenen Brief zunächst ein saloppes Weiter-So schrieb, um anschließend kritische Sätze zum Umgang mit der politischen Prominenz des Kongo einzuflechten, ist nicht auf übermäßige Stromlinienförmigkeit aus. Dahinter steckt Skepsis. Und genau das wurde ihm auch zum Vorwurf gemacht. Buch fällt seit Jahrzehnten mit solchen Texten auf - irgendwo zwischen Essay, Reportage und Tagebuch - und spart am Analytischen. Die Diskussion um seine nicht-belletristischen Arbeiten ist der Streit, den Immanuel Kant schon ausfechten wollte: Begriffe ohne Anschauung sind leer, Anschauung ohne Begriffe ist blind. Der Autor selbst schert sich kaum darum und pflegt die unzensierte Niederschrift unvermittelter Impressionen.

Letzten Endes aber - so einfach darf es auch sein - ist die Lektüre kurzweilig, ohne den bitteren Beigeschmack zu verlieren, den das permanente Scheitern der gutmeinenden Staatsmänner erzeugt. Im Stil der Texte ist eine Offenheit angelegt. Die Offenheit für Eingeständnisse des Scheiterns auch auf Seiten des Beobachters.


Titelbild

Hans Christoph Buch: Das rollende R der Revolution. Lateinamerikanische Litanei.
zu Klampen Verlag, Springe 2008.
160 Seiten, 16,00 EUR.
ISBN-13: 9783866740259

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