Hollywoods späte Rache

Love Story statt Glaubensfragen: Für die jetzt in deutschen Kinos gezeigte Neuverfilmung von Evelyn Waughs Roman "Wiedersehen mit Brideshead" wurde der Plot geändert, was britische Waugh-Fans auf die Palme bringt

Von Peter MünderRSS-Newsfeed neuer Artikel von Peter Münder

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Diese Love Story im Hollywood-Stil dürfte den Furor britischer Waugh-Leser entfachen", hatte die britische Tageszeitung "Independent" bereits im Frühjahr prophezeit - lange bevor die Neuverfilmung von "Wiedersehen mit Brideshead" (Regie: Julian Jarrold) in englischen Kinos gezeigt wurde.

Hierzulande dürfte sich die Erregung zum deutschen Filmstart in Grenzen halten. Denn die jetzt im Mittelpunkt stehende Love Story war ja schließlich schon im berühmten Roman von 1945 angedeutet. Aber die weltweit mit großem Erfolg gezeigte elfteilige Granada-TV-Serie von 1981 mit Jeremy Irons, Anthony Andrews, Laurence Olivier und Diana Quick in den Hauptrollen gehört inzwischen zum britischen Kulturerbe, das in England als nahezu unantastbar gilt.

Nun hat sich Hollywood auf eine Verfilmung mit den britischen Stars Emma Thompson, Michael Gambon, Hayley Atwell, Matthew Goode und Ben Whishaw gestürzt und den Plot kurzerhand verändert. Aus der nostalgisch verklärten, homoerotisch gefärbten Freundschaft der beiden Oxford-Studenten Charles Ryder und Sebastian Flyte, dem Sohn des zum Katholizismus konvertierten Lord Marchmain, haben die Drehbuchautoren Andrew Davies und Jeremy Brock jetzt eine Dreiecksgeschichte fabriziert, die Ryders Affäre mit Sebastian Flytes Schwester Julia zur zentralen Love Story ausweitet. Im Roman unternehmen die beiden Freunde eine Venedig-Reise ohne Julia. Im Film ist sie jedoch mit von der Partie und Ryder beginnt hier eine Affäre mit der kapriziösen aristokratischen Julia. "Wir haben ja eine zweistündige Filmversion realisiert und keine elfteilige TV-Serie", erklärte der Hollywood-Produzent Robert Bernstein. "Daher haben wir sie als Dreiecksgeschichte auf den Punkt gebracht. Natürlich haben wir dafür die Erlaubnis der Waugh-Erben eingeholt".

Für den Oxford-Absolventen Evelyn Waugh, der selbst zum Katholizismus konvertiert war, stand zwar die verklärte Studentenidylle im Mittelpunkt, die der Autor selbst als spätes, exzessives Auskosten einer glücklichen Kindheit darstellte. Der sonst eher zynisch-sarkastische Autor legte aber immer großen Wert auf die im Roman erörterten Glaubensfragen und konnte sich sehr ereifern, wenn man ihm den Vorwurf machte, mit seinem Katholizismus wie mit einem elitären Markenzeichen hausieren zu gehen. Mit geradezu fundamentalistischem Furor betätigte er sich als Missionar im Freundeskreis - solange sie nicht konvertiert waren, betrachtete er diese Menschen als retardierte Neandertaler.

Waughs Romane und Reportagen, darunter auch seine grandiose Reporter-Satire "Scoop" faszinierten Adepten, Plagiatoren und Fans immer wieder und regten sie zur Produktion eigener Versionen an: So hatte sich Stephen Fry 2003 anläßsslich des 100. Geburtstages von Evelyn Waugh für seine Filmversion von "Vile Bodies" eine neue Fassung mit Happy End einfallen lassen, während der Autor Michael Johnston sogar auf die Idee kam, die "Brideshead"-Fortsetzung "Brideshead Regained" zu veröffentlichen, die allerdings mit dem Aufkleber "Von den Erben nicht autorisiert" versehen werden musste.

Die hitzige Diskussion um die Veränderungen in "Brideshead", darin liegt die Ironie dieser neu entfachten Kontroverse, hatte Evelyn Waugh selbst übrigens schon 1947 in Hollywood mit Studiobossen von MGM geführt, die den Roman damals verfilmen wollten. "Sie sehen nur die Love-Story, keiner sieht hier die theologischen Implikationen", hatte sich der kompromisslose Waugh damals entrüstet. Wie die Waugh-Biografin Selina Hastings schreibt, ließ sich Waugh damals zwar von MGM zu einer großen USA-Reise mit aufwendigen touristischen Highlights und luxuriösem Verwöhnprogramm einladen. Doch dem zynischen Spötter, der die Amerikaner gern als "Wilde" verhöhnte, war es dann wohl mehr um Provokationen und rhetorische Scharmützel gegangen als um ernsthafte Verhandlungen. Die damals angebotenen rund 150.000 Dollar hätte Evelyn Waugh zwar gut gebrauchen können. Doch er hatte sich Einspruchsrechte gegen alle Korrekturen und Veränderungen auch kleinster Details vorbehalten und das Scheitern der Verhandlungen gezielt provoziert. Eine "Brideshead"-Verfilmung hätte der prinzipienfeste Ästhet immer als dubiose Profanierung seines opus magnum verstanden, obwohl Selina Hastings ihm in langen Diskussionen vermitteln wollte, dass ein literarisches Werk auch nach seiner Verfilmung noch unbeschadet weiterbestehen könnte: ",Hamlet' ist doch trotz mehrerer Verfilmungen noch immer ein großartiges Werk geblieben, oder etwa nicht?"

Es sieht daher so aus, als wäre diese Neuverfilmung inklusive Plotänderung eines zentralen Romanmotivs Hollywoods späte Rache am exzentrischen Kauz, der damals im Tweed-Anzug und mit Bowler-Hat sowie aufgerolltem Regenschirm durch das überhitzte Hollywood spaziert war und keine Gelegenheit ausgelassen hatte, Amerikaner als tumbe Tölpel und primitive Analphabeten zu verhöhnen.


Titelbild

Evelyn Waugh: Wiedersehen mit Brideshead.
Übersetzt aus dem Englischen von Franz Fein.
Ullstein Taschenbuchverlag, Berlin 2008.
352 Seiten, 8,95 EUR.
ISBN-13: 9783548608310

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch