Zu dieser Ausgabe

Endet die Moderne mit dem Jahr 2009? Trotz der apokalyptischen Szenarien, die derzeit im Blick auf den maroden Zustand des modernen Finanzsystems ausgemalt werden, wohl kaum. Denn der vielfach überaus vage gebrauchte Moderne-Begriff ist nicht ablösbar von dem Anspruch, darunter gerade auch das Gegenwärtige zu verstehen, wie Peter Bürger in einem Lexikonartikel zum Terminus feststellt, den er 1996 im "Fischer Lexikon Literatur" publiziert hat. Also endet die Moderne gewissermaßen nie, denn sie findet immer jetzt statt.

Zur Orientierung reicht das allerdings kaum aus. Ein hilfesuchender Blick in das "Metzler-Lexikon Literatur- und Kulturtheorie", das Ansgar Nünning 1998 herausgegeben hat und kürzlich in der vierten, aktualisierten Auflage erschienen ist, liefert uns dazu zumindest viele literargeschichtliche und formalästhetische Stichworte wie den Verlust des Ordnungsmoments der Chronologie, die Infragestellung von Wahrnehmungsformen, die Fragmentarisierung, die Wiedergabe von Bewusstseinsströmen, der Komplexität, von Paradoxien, der Beschleunigung und vielem dergleichen mehr.

Wann die Moderne genau begonnen hat und wann sie aufhört, das kann und will wie schon frühere Ausgaben von literaturkritik.de (2/2002 und 3/2002) auch diese nicht entscheiden. Trotzdem versammelt sie schwerpunktmäßig Artikel und Rezensionen, die sich mit Autoren und Themen beschäftigen, die man gemeinhin mit der Moderne in Verbindung gebracht hat. Dass man diese "Einordnungen" aus den verschiedensten Gründen auch wieder in Frage stellen kann, gehört mit zum Spiel dazu. In einer abgeklärten Bilanz zur "Postmoderne" hatte Wolfgang Welsch in literaturkritik.de kurz vor der Jahrtausendwende geraten, sich besser mit Inhalten als mit Etiketten auseinanderzusetzen.

Mit den besten Wünschen zum neuen Jahr grüßt herzlich
Ihr
Jan Süselbeck