Der amerikanische Wahnsinn

"Der Glanzrappe" von Robert Olmstead

Von Martin GaiserRSS-Newsfeed neuer Artikel von Martin Gaiser

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Lang, lang ist es her, dass ein Buch des amerikanischen Autors Robert Olmstead auf dem deutschen Buchmarkt zu haben war. Das war wohl der Erinnerungsroman "Geh nicht fort" aus dem Jahr 1997. Wenige Jahre später rauschte die Unternehmensberatung McKinsey durch einige Verlage der Verlagsgruppe von Holtzbrinck, unter anderen eben auch durch den Rowohlt Verlag, wo bis dato vier Bücher Olmsteads erschienen waren, das erste 1991 mit dem Titel "Spuren von Herzblut, wohin wir auch gehen". Offenbar hat man auf Verlagsseite sehr ernsthaft vorgehabt, dieses große amerikanische Erzähltalent zu fördern und auf dem deutschen Markt bekannter zu machen. Wie sonst ließe sich erklären, dass man im Hause Rowohlt innerhalb von sieben Jahren vier Romane eines neuen Autors macht?

Doch dann kamen die Herrscher der Zahlen, die den Verlagen die Auflagenhöhe diktierten, die mindestens zu verkaufen sei, sonst würden sich die Titel nicht mehr rechnen. Offenbar musste die Literatur den Statistiken gehorchen - und also ein Autor wie Robert Olmstead über die Klinge springen. Ob Michael Naumann - einer der wenigen, von denen gesagt wird, sie würden Thomas Pynchon persönlich kennen - zu dieser Zeit schon oder noch Rowohlt-Chef war, ist dem Rezensenten nicht bekannt. Tatsache ist aber, dass eben jener Herr Naumann, der dann auch einmal Herausgeber der ZEIT (auch von Holtzbrinck), Kulturstaatsminister und Hamburger OB-Kandidat für die SPD war, heute Mitherausgeber der Buchreihe "Die Andere Bibliothek" ist und in dieser Eigenschaft einen neuen Roman von Robert Olmstead publiziert hat: "Der Glanzrappe".

Mit diesem Buch geht Olmstead weit zurück in der amerikanischen Geschichte, zum amerikanischen Bürgerkrieg. Robey Childs, 14 Jahre alt, lebt mit seiner Mutter auf dem Land, der Vater ist im Krieg. Am 10. Mai 1863 sagt seine Mutter zu Robey: "Reite los und finde deinen Vater, hol ihn zurück nach Haus." Und: "Bis Juli musst du ihn gefunden haben." Mit diesem Auftrag reitet der Junge los, erreicht bald ein kleines Dorf, wo er bekannt ist und wo ihm ein freundlicher Ladenbesitzer einige Dinge gibt, unter anderem das dem Buch den Titel gebende Pferd, einen Glanzrappen, ein Pferd, das das ganze Jahr über seine tiefschwarze Färbung beibehält.

"Jetzt such deinen Vater, und bring ihn nach Hause, dann rechnen wir ab": Mit diesem Ruf verabschiedet der Ladenbesitzer Robey in dessen ungewisse Zukunft. Die folgende Zeit erlebt der Protagonist erst idyllisch, der Autor schildert die Natur mit viel Genauigkeit und bewegender Nähe, beschreibt das Pferd und seine Fähigkeiten mit großer Intensität und rückt es dadurch beinahe in die Nähe einer mythischen Gestalt. Olmstead scheint das Land, sein Land zu lieben.

Doch das Unaufhaltsame rückt näher, die friedliche Natur muss zunehmend dem gefährlichen, unmoralischen Menschen weichen. Robey wird Opfer eines Schurken, der ihn schwer verletzt und ihm sein Pferd stiehlt. Er selbst kann sich notdürftig verarzten und wird wider Willen ebenfalls zum Pferdedieb, um weiter in Richtung Krieg und Schlachtfelder zu gelangen. Was der Junge alles erleiden und erleben muss - Olmstead beschreibt es ebenso eindringlich, intensiv, beinahe distanzlos, so dass man von der unglaublichen physischen Gewalt dieses Krieges und überhaupt früherer Kriege einen sehr deutlichen Eindruck bekommt. Das Schreien und Stöhnen, der unvorstellbare Gestank auf den Todesfeldern, das erbarmungswürdige Krepieren, das fast schon industrielle Amputieren, Verarzten und Verscharren - Olmstead erspart dem Leser nichts, ergreift dadurch auch ganz eindeutig Partei (hier die Hymne auf die Natur, das Leben, das Pferd, dort die gnadenlose Beschreibung des Krieges und des Leids).

Mit "Der Glanzrappe" ist Robert Olmstead ein furioses und höchst eindringliches Buch gelungen, gerade Leser von Cormac McCarthy, der ja ähnliche Sujets und Protagonisten wählt und ebenfalls diesen intensiven, nie langatmigen Erzählstil zur Perfektion gebracht hat, werden ihre Lesefreude an diesem auch äußerlich sehr schönen und auffälligen Buch haben.


Titelbild

Robert Olmstead: Der Glanzrappe. Roman.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Jürgen Bauer und Edith Nerke.
Eichborn Verlag, Frankfurt a. M. 2008.
262 Seiten, 28,00 EUR.
ISBN-13: 9783821845920

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