Der Banker im Aquarium

Heiko Rosners gewagtes und skurriles Debüt

Von Annette BittlerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Annette Bittler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Eine fette Taube hockte in etwa vier Meter Höhe auf einem verbogenen Blechteil [...] Das blöde Vieh zottelte monoton gruuuend an etwas herum, das auf den ersten Blick wie ein vergammelter Wischmop aussah. Es war aber kein Wischmop. Es war die Perücke der Kanzlerin."

Mit einem ohrenbetäubenden Knall explodiert der Bahnhof Hamburg-Altona, nachdem ein ehemaliger "Zeit"-Sportjournalist zum Islam konvertierte und sich dazu entschlossen hatte, als Märtyrer zu sterben. Rein zufällig reißt er bei seinem Anschlag die Bundeskanzlerin mit in den Tod, die lediglich ihren beim Nordic Walking verunfallten Gatten vom Bahnhof abholen wollte - und von der nicht mehr als eine zur Tarnung verwendete Perücke übrig bleibt.

Heiko Rosner, der sich bislang als Journalist einen Namen gemacht hat, beweist mit seinem Erstlingswerk "Der Tag, an dem der Banker baden ging", dass er neben Zeitungsartikeln auch Literatur produzieren kann.

Rosners Roman besteht aus mehreren parallelen Handlungssträngen, die alle durch zwei Hauptgeschehnisse miteinander in Verbindung stehen. Neben dem Selbstmordattentat in Hamburg geschieht am selben Tag außerdem noch eine aufsehenerregende Entführung in Frankfurt.

Ein Bankmanager, der nicht zuletzt durch seine Victory-Geste Ähnlichkeit mit einer real existierenden Person aufweist, wird entführt und findet sich nackt in einem Aquarium gefangen wieder, dessen Wasserpegel sich nach dem aktuellen Stand der Aktienkurse richtet. Bei steigenden Aktienkursen droht er also in seinem eigenen Erfolg zu ertrinken. Doch als wäre das für eine standesgemäße Entführung nicht schon ausreichend, filmt der Entführer das ganze Spektakel und lässt die Weltöffentlichkeit an seiner brillant durchdachten Aktion teilhaben. Denn dem Entführer geht es nicht lediglich um dem schnöden Mammon, seine Beweggründe sind rein idealistischer Natur.

Rosner holt in seinem Roman zu einem Rundumschlag gegen das gesamte westlich-kapitalistische System aus und lässt seine Figuren auf unterschiedliche Weise daran scheitern. Er präsentiert einen Journalisten, der zum islamistischen Selbstmordattentäter mutiert, einen promovierenden Taxifahrer und Sohn eines Topmanagers, der den Anforderungen des Vaters nicht gerecht werden kann und in die Wüste flüchtet.

Leider schießt Rosner mit seinen enormen Übertreibungen etwas über das Ziel hinaus. So findet sich im Buch ein geradezu alberner Harald Schmidt (mittlerweile Chefredakteur der "Bild"-Zeitung) der "neuerdings jedes Gespräch mit den Worten: ,Weitermachen. Hauptsache, die Deutschen sterben nicht aus' zu beenden pflegt." Ein Topmanager der von seinem Entführer mit dem "RTL-Dschungellied: ICH BIN EIN STAR, RUMMSBUMMS, HOLT MICH HIER RAUS, RUMMSBUMMS, ICH BIN EIN STAR..." gefoltert wird und im Angesicht des Todes an einen sprechenden Spatz denkt, mit dem er sich über das Fliegen unterhält. Der Autor hat seinen Roman stellenweise doch deutlich überladen. Dadurch, dass Rosner nicht müde wird, dem Leser immer neue Absurditäten aufzutischen, wird aus einer zunächst raffiniert anmutenden Satire ein ermüdendes Potpourri.

Das Debüt zeichnet sich dennoch durch einen rasanten Schreibstil, häufige Perspektivwechsel, interessante Verwicklungen der Figuren und ein paar sehr gelungene Überraschungsmomente aus, doch gerade der hektischen und flapsigen Sprache wird man schnell überdrüssig. Der Text ist trotz allem gespickt mit ein paar lustigen, absurden und skurrilen Momenten. Sieht man also großzügig über die Schwächen des Romans hinweg, so ist er zumindest ein verstörender Schmöker zur aktuellen Finanzkrise.


Titelbild

Heiko Rosner: Der Tag, an dem der Banker baden ging. Roman.
Edition Nautilus, Hamburg 2007.
160 Seiten, 12,90 EUR.
ISBN-13: 9783894015350

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