Vom unausweichlichen Ende einer Utopie

Pia Frankenbergs tragikomischer Beziehungsroman "Der letzte Dreh" beleuchtet die Filmwelt der 1980er-Jahre

Von Luitgard KochRSS-Newsfeed neuer Artikel von Luitgard Koch

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das Herz des neuen Deutschen Films, Rainer Werner Fassbinder, war bereits tot. Wim Wenders verabschiedete sich mit "Paris Texas" von seiner introspektiven Erzählweise des selbstreflexiven Autorenfilmers. Die Kohl-Ära hatte begonnen. Yuppie-Hochglanzblätter wie "Wiener" und "Tempo" ließen alternative Stadtzeitungen alt aussehen. Es war der verheißungsvolle Anfang vom Ende.

"Im Namen des TAZ-Kinovolkes" wurde ich per Postkarte, mit zwei angeklammerten abgerissenen Kinokarten als Beweis, dazu verurteilt, mir die Filmgroteske von Pia Frankenberg "Nicht, nichts ohne Dich" entweder "noch drei Mal reinzudrücken" oder die Kinokarten zu ersetzen. Grund: Ich hatte Frankenbergs Überraschungserfolg, für den die ehemalige Schauspielerin 1986 den Max-Ophüls Preis erhielt, im Kulturteil der "taz" positiv besprochen.

Inzwischen arbeitet Pia Frankenberg, die seit Mitte der 1990er-Jahre in New York lebt, vor allem als Schriftstellerin. Doch schon damals stand im Mittelpunkt ihres Spielfilms das Drama der unglücklich reichen Tochter aus gutem Hause, die gerne arm wäre, um zu Recht gegen das Establishment aufbegehren zu können. Marta nannte sie damals ihre unzufriedene Hauptdarstellerin, die sie auch selbst spielte. In ihrem neuen Roman "Der letzte Dreh" trägt ihr kapriziöses Alter-Ego nun den Namen Maria. Unübersehbar arbeitet sich die 52jährige Autorin, Tochter und Millionenerbin des Kosmetikunternehmers Helmut Frankenberg, zwischen Dichtung und Wahrheit, erneut an ihrer Biografie ab.

Maria versucht sich als Produzentin und Regisseurin durch eigenwillige Filmprojekte finanziell zu ruinieren. Doch sie scheitert. Ihr Film hat Erfolg. Als die gefeierte Jungfilmerin auf der Berlinale den etwas brummigen, aber dennoch charismatischen Belgier Johan, Produzent und Filmverleiher aus München, kennen lernt, scheint das Glück zunächst vollkommen. Vom "Sprachrohr des neuen deutschen Films" fühlt sie sich magisch angezogen. Unwillkürlich erinnert die Figur dieses genialen Machers an Laurens Straub, mit dem Pia Frankenberg den Film "Das Trio" produzierte. Straub gehörte 1970 zu den Gründern des nach dem solidarischen Prinzip arbeitenden "Filmverlags der Autoren". Insider werden diese ironisch liebevollen Passagen fasziniert lesen.

Gleichzeitig mit der Schilderung der Stimmung in der deutschen Filmszene der 1980er-Jahre erzählt der Roman die Geschichte einer gescheiterten Beziehung. In klassisch montierten Rückblenden beschreibt die Rahmenhandlung zwei Jahrzehnte des ungleichen Paares, das kurz vor der Trennung steht. Am Ende der Welt, einer Pinguinkolonie in Patagonien, dreht Maria einen Dokumentarfilm über die Pinguinaufzuchtstation einer bekannten Umweltaktivistin. Johan und ihr halbwüchsiger Sohn begleiten sie. Doch keine noch so exotische Kulisse rettet ihre zuvor noch so symbiotische Verbindung.

Diese "Szenen einer Ehe", aus wechselseitiger Sicht dargestellt, bieten trotz aller Situationskomik wenig Überraschendes. Selbst dann nicht, wenn die sympathische Autorin ihre Protagonisten in absurde Szenarien stürzt, und damit slapstickhafte Momente heraufbeschwört. Trotz Liebe zum Detail gelingt es ihr nicht, durchgängig differenziert in Worte zu fassen, was eine Nahaufnahme im Film vermitteln würde. Auch stilistisch wagt sie keine Experimente. Wirklich nah kommt die gebürtige Kölnerin dabei oftmals weder Johan noch Maria. Beide bleiben streckenweise etwas eindimensional: er als das Leben manisch genießender Egomane, sie als unter einem Mangel an Selbstvertrauen leidende und dadurch oft initiativlose junge Frau.

Lebendig und authentisch wirken ihre Protagonisten allerdings immer dann, wenn Anklänge aus der stürmischen Zeit des deutschen Autorenkinos, die Film als Teil einer größeren Utopie, als Teil des Traums von einer anderen Gesellschaft begreifen, aufscheinen. Schlagartig zieht einem die Lektüre in Bann und wird zum intensiven Erlebnis. Letztendlich wurde der Roman zur bewegten deutschen Filmgeschichte unabhängiger Autorenfilmer aber noch nicht geschrieben. Auf der Leinwand dagegen zeigt der Dokumentarfilm "Gegenschuss" diesen Aufbruch der Filmemacher bereits eindrucksvoll.


Titelbild

Pia Frankenberg: Der letzte Dreh. Roman.
Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2009.
250 Seiten, 18,90 EUR.
ISBN-13: 9783871346286

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch