Reisen in die Gefahr

Christoph Ruf und Olaf Sundermeyer besuchen die NPD in den "National Befreiten Zonen"

Von Lennart LaberenzRSS-Newsfeed neuer Artikel von Lennart Laberenz

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Vier Jahre ist es her, dass der ehemalige "ZEIT"-Redakteur Toralf Staud als einer der Ersten die umfassenden Strategien der NPD in seinem Sachbuch "Moderne Nazis. Die neuen Rechten und der Aufstieg der NPD" einer breiten Öffentlichkeit vorstellte. Staud zeichnete die Öffnung der einst rechtskonservativ-bürglichen Partei zu den radikalen Kameradschaften nach, erklärte das Prinzip der "National Befreiten Zonen" zum Kern der "Faschisierung der Provinz". Seit Beginn des Jahrzehnts setzt die NPD gezielt auf solche "Angsträume": Kulturelle Hegemonie der neo-nationalsozialistischen Partei, No Go-Area für alle anderen. Unter dem Schlagwort des nationalen Sozialismus machte Staud eine Mischung aus konsequenter Gewalt gegen alle Opposition und Andersdenkenden, den Einbezug einer wachsenden rechten Jugendsubkultur Ostdeutschlands, sowie die betont bürgerlich-nachbarschaftliche Infiltrierung der Kommunalpolitik aus.

Schon vor vier Jahren ließ Staud die Entwicklung der NPD Revue passieren, überprüfte ihren Ausgang im antipluralistischen Herrennationalismus und zeichnete den Weg in den gewalttätig vorgetragenen Kurs aus Antiglobalisierung, Rassismus, Antisemitismus und der scheinbaren Verteidigung des kleinen Mannes gegenüber dem "unvölkischen" Staat oder der "jüdisch infilitrierten Geschichtsschreibung". Die NPD hatte es zunächst mit dem Machtapparat der sächsischen, später noch der Mecklenburg-Vorpommerschen Landtagsfraktion geschafft, Positionen und Strukturen vor allem in Ostdeutschland zu etablieren.

Diese Positionen und Strukturen untersuchen nun Christoph Ruf und Olaf Sundermeyer vier Jahre später. Ihr Buch "In der NPD. Reisen in die National Befreite Zone" verweist auf die Grundlagenarbeit von Toralf Staud und macht sich auf, die Thesen der Faschisierung der Provinz im Inneren zu erleben. "Für das gesamte rechtsextreme Lager wird dieses Jahr zu einer Zäsur", stellen sie fest, denn DVU und Republikaner werden am Ende des Superwahljahres 2009 gegen die vor allem kommunal und regional gut gestaffelte NPD an Einfluss verlieren. "Eine Partei [...], die nicht weniger plant als die radikale Umwälzung der bestehenden Gesellschafts- und Werteordnung" - die NPD, so lautet das Fazit, das die beiden Autoren in einem bemerkenswerten Interview auch einem ehemaligen Jenaer Vorstandsmitglied entlocken, "ist nicht rechtsextremistisch, sondern neonazistisch."

Zwangsläufig ergeben sich Doppelungen zur Arbeit von Staud - etwa in den Porträts der führenden Kader - allerdings gehen Ruf und Sundermeyer auch über den Stand von vor vier Jahren hinaus, indem die beiden Autoren auch die Festigung des sogenannten "Deutschlandpakts" untersuchen, also die taktische Vereinigung rechtsextremer Parteien Strukturen bei Wahlen und in den Flächenländern Ostdeutschlands: Diese Absprache zwischen NPD, DVU und Republikanern war eine Erscheinung die erst nach der Veröffentlichung der "Modernen Nazis" getroffen wurde.

Zunächst ist allerdings die Anordnung der einzelnen Reportagen - das Buch ist in einem collageähnlichen Stil verfasst - kurios, gelegentlich hat man den Eindruck, sie sei eher dem Zufall geschuldet. Der Band beginnt mit einem Besuch in jenen vier östlichen Bundesländern, in denen der Rechtsextremismus floriert. So werden wir zunächst ins thüringische Schleusingen mitgenommen, in einen Ort, in dem Zivilcourage dafür gesorgt hat, dass einem bekannten Rechtsextremisten die Grenzen aufgezeigt wurden. Nach dieser Erfolgsgeschichte springen wir weiter in eine Parallelerzählung, die einerseits den in Potsdam herrschaftlich lebenden Betreiber der einschlägig bekannten Marke "Thor Steinar", andererseits den Brandenburger Feld- Wald-und Wiesen-Nazismus besucht, bevor wir die perfiden Taktiken der NPD in Mecklenburg-Vorpommern und den NPD-Funktionär Holger Apfel in seinem Muster-Landesverband in Sachsen besichtigen.

Ruf und Sundermeyer sammeln auf diese eher assoziative Art wichtige Eindrücke, das Interview mit dem NPD-Theoretiker Jürgen Gansel stellen sie neben das Grundlagenkapitel über die Strategie bei den Kommunalwahlen und die Experimentierfelder der NPD in der Hooligan-Szene oder im Saarland. Dadurch, dass Ruf und Sundermeyer den Erzählbogen der einzelnen Reportagen immer neu spannen und dabei die These von der kommunalen Arbeit im Auge behalten, beleuchten sie eine Dimension, die einer breiten Öffentlichkeit bislang verborgen bleibt. Auch 2009 bleibt die NPD eine reale Gefahr für Andersdenkende, für Menschen mit anderer Hautfarbe, anderer Nationalität oder einer sexuellen Orientierung, die nicht dem Standard der NPD entspricht. Ruf und Sundermeyer zeigen in ihrem wichtigen Beitrag, dass die NPD beharrlich an einem Umsturz eines demokratischen Gemeinwesens und einer Militarisierung von sozialen Problemen in benachteiligten Regionen arbeitet.

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Christoph Ruf / Olaf Sundermeyer: In der NPD. Reisen in die National Befreite Zone.
Verlag C.H.Beck, München 2009.
229 Seiten, 12,95 EUR.
ISBN-13: 9783406585135

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