Who the fuck is BIRNE?

Helmut Kohls letztes Abenteuer

Von Lutz HagestedtRSS-Newsfeed neuer Artikel von Lutz Hagestedt

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Frage: Wer ist Helmut Kohl, wer ist Helmut Kohl wirklich? Wer Kohl wirklich ist, das versucht uns die deutsche Satire - allen voran die Zeitschrift TITANIC -seit mehr als zwanzig Jahren in Wort und Bild zu sagen. Sie hat Kohl als Birne, als korruptes, machtgeiles, häßliches, dummes Gemüse imaginiert. Der Kanzler und die Satire - eine fertile Lebensgemeinschaft, die im Zeitalter der Kinderlosigkeit und Polit-Pflaumen erfreulich viele Früchte getragen hat.

Es sind die Dicken, die viel Angriffsfläche bieten. Allerdings prallte Kritik stets an Birnes glatter Schale ab. Doch die Satire, tapfer wie das unbeachtete Hausmütterchen, kochte weiter an ihrem Kompott: Ein Birne-Buch entstand und schilderte die frühe Kanzlerschaft. Spendensumpf und schwarze Kassen sind Themen im Zweiten Buch Kohl, "Birnes letztes Abenteuer". Halbleinen gebunden, 40 Seiten dick, präsentiert sich das durchweg illustrierte "Lesebuch für Jung und Alt" als kongeniale Abrechnung mit dem Alt-Kanzler.

Alle Generationen der Neuen Frankfurter Schule sind im Bilderbuch für Jung und Alt von Jung und Alt vertreten. Herausgeber Peter Knorr reimt in Jamben ("Ein Ehrenwort vom Ehrenmann / Gilt allgemein als ehrlos dann, / wenn er mal die Gesetze bricht / und trotzdem noch von Ehre spricht"), Manfred Bofinger stellt Helmut Kohl als wandelndes Pfadfinderehrenwort dar, Hans Traxlers Tempelbild rückt die arme Kirchenmaus in ganz neues Licht, und Kunstprofessor F. W. Bernstein besticht durch herrliche Bimbes-Zeichnungen des Liechtensteiner Käse-Imperiums. Das neue Unrechtsbewußtsein ist überall: So dokumentiert Chlodwig Poths Cartoon den Einbruch der Moral in Frankfurt-Sossenheim. Greser & Lenz finden zwar nicht Kohls Schwarzgeld-Akten, dafür jedoch Erich Honeckers lange vermißte Pornosammlung ("Bums Brigade Bitterfeld"). Auch "Weh, weh, weh /Punkt/ Dumm gelaufen" wird im Bilderbuch thematisiert: Robert Gernhardt übersetzt Kohls Nomenklatur in die Sprache des Computerzeitalters. Birne als Kompott - F. K. Waechter kredenzt uns den entsprechenden Pudding. Hanno Rink schließlich zeigt Parallelen zwischen Birnen und italienischen Paten auf. Übrigens schmückt eine Galerie legendärer Kohl-Cover die Beugehaftzelle: Sechzehn Jahre lang hat die TITANIC aus der Wandlungsfähigkeit Kohls Kapital geschlagen.

Titelbild

Peter Knorr: Birnes letztes Abenteuer.
Zweitausendeins, Frankfurt a. M. 2000.
40 Seiten, 12,80 EUR.
ISBN-10: 3861503514

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch